JournalistenAkademie

Eröffnungsrede

Reinhard Weil
Abteilungsleiter Politische Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Eröffnung der FES-Medien-Sommer-Akademie
Die Zukunft der Zeitung

27. August 2010, 14.30 Uhr
Friedrich-Ebert-Stiftung, Tagungszentrum Bonn

Meine Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde der Friedrich-Ebert-Stiftung,
Liebe Gäste!

Im Namen des Vorstandes der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüße ich Sie recht herzlich zu unserer zweiten Medien-Sommerakademie hier in der Bundesstadt Bonn.

Ich freue mich, dass es unserer JournalistenAkademie wiederum gelungen ist, eine beachtliche Zahl von Nachwuchsjournalistinnen und Nachwuchs-Journalisten - und dabei etliche aus dem Kreis der FES Stipendiaten - für dieses Wochenende zu interessieren.

Der inhaltliche Schwerpunkt soll sich insbesondere heute Nachmittag mit der Zukunft der Zeitung befassen.

Vor einem Jahr lautete das Thema: "Politischer Journalismus in Zeiten der Krise"

Unsere damaligen Debatten standen besonders unter dem Eindruck der Weltfinanzmarktkrise und eines Bundestagswahlkampfes, der u.a. durch den Kandidaten Horst Schlämmer medial angereichert wurde.

Wir haben über

  • Die Krise der Medienwirtschaft
  • Die Krise der politisch/ökonomischen Orientierung und
  • Die Krise der Parteiendemokratie

diskutiert.

Die grundsätzlichen Themen und Fragen unserer letzten SommerAkademie sind weiterhin berechtigt, wenn nicht sogar wichtiger geworden sind.

Dabei denke ich vor allem an die essentielle Bedeutung eines unabhängigen und vielfältigen Mediensystems für unsere demokratische Gesellschaft. Dazu gehört

  • Die Unabhängigkeit von politischer Bevormundung,
  • Die Unabhängigkeit von Meinungs- und Interessensmonopolen im Zuge ökonomischer Konzentration.
  • Ein kritischer Qualitätsjournalismus, dessen Berufsethos der Aufklärung und Wahrhaftigkeit verpflichtet ist sowie
  • Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Journalisten, die einen solchenQualitätsjournalismus auch ermöglichen.

Diese Anforderungen sollten wir im Blick behalten, wenn wir über "Die Zukunft der Zeitung" sprechen.

In den siebziger Jahren diagnostizierte Willy Brandt:

"Die Tageszeitungen sind ein lebensnotwendiger Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens; sie gehören gewissermaßen zum täglichen Brot!"

Aber - Wie ist die Lage heute und was sind die Perspektiven?

Wir haben es ohne Zweifel mit einem tiefgreifenden Wandlungsprozess zu tun, dieser betrifft:

  • das Berufsbild des Journalisten,
  • die technisch gestützten Formen von Information und Kommunikation
  • als auch die Geschäftsmodelle der Medienwirtschaft

Heribert Prantl, Politikchef der Süddeutschen Zeitung beschreibt die aktuelle Medienlage so: "Es besteht wie noch nie seit 1945 die akute Gefahr, dass der deutsche Journalismus verflacht und verdummt, weil der Renditedruck steigt; weil an die Stelle von sach- und fachkundigen, nicht von Interessengruppen bezahlten Journalisten immer öfter Produktionsassistenten für Multimedia gesetzt werden, wieselflinke Generalisten, die von allem wenig und von nichts richtig etwas verstehen. Aus dem Beruf, der heute Journalist heißt, wird dann ein multifunktionaler Verfüller von Zeitungs- und Webseiten."

Es ist heute mehr als bedenklich, wenn die Auflagen und Reichweiten der regionalen Tageszeitungen dramatisch sinken. Vor allem Jugendliche verzichten immer häufiger auf die Nutzung der Tageszeitung und beziehen ihre Informationen hauptsächlich aus dem Internet.

In der Blogger- und Twitter-Szene hat sich der Bürgerjournalismus etabliert. Er belebt kreativ die Medienlandschaft, ist aber nicht mit professionellem politischen Journalismus zu vergleichen.

In Anlehnung an den großen Denker Jürgen Habermas kann man wieder einmal von einem sich vollziehenden Strukturwandel der Öffentlichkeit sprechen.

Im Zeichen einer digitalen und weitweit vernetzten Medienwelt verschwimmen die Grenzen zwischen Informationsproduzenten und Informationskonsumenten.

Im Internet kann jeder alles sagen, behaupten und kommentieren, und wie die aktuelle Debatte um google street-view verdeutlicht, demnächst auch fast alles zeigen – aber niemand kann dies alles auf seine Richtigkeit prüfen.

In den letzten zehn Jahren haben die deutschen Tageszeitungen jeden fünften Leser verloren, die Papier-Zeitung ist in die Krise geraten. Rationalisierung ist das Gebot der Stunde – Journalistische Arbeit ist ein wesentlicher Kostenfaktor.

Die Verlage denken über neue tragfähige Geschäftsmodelle für ihre Zeitungen nach. Selbst der Gedanke von öffentlich-rechtlich finanzierten Zeitungen macht die Runde.

Die Prognosen schwanken zwischen dem Verschwinden der Papierzeitung in wenigen Jahren oder ganz neuen Dienstleistungen und Bezahlmodellen in Koexistenz mit den Online-Medien.

Wir müssen fragen:

Bleiben die Zeitungen ein Faktor auf dem politisch Meinungsmachenden Feld – oder haben sie diese Funktion bereits verloren?

Wer wird gate-keeper im Mediensystem? Wer leistet Orientierungs- und Analysearbeit, wer erfüllt öffentliche Kontrollfunktonen und bietet Beurteilungsmaßstäbe?

Und nicht zuletzt - Was ist der Gesellschaft die journalistische Qualitätsarbeit wert?

Angesichts der herausragenden Bedeutung, die vor allem Tageszeitungen und das Fernsehen für den Zusammenhalt und den Willensbildungsprozess einer Gesellschaft haben, gilt es gemeinsam zu überlegen, welche Instrumente die noch bestehende Vielfalt sichern helfen – und damit auch die Arbeitsplätze von qualifizierten Journalistinnen und Journalisten.

Auf all diese Fragen gibt es sicherlich keine schnellen Antworten. Aber die richtigen zu suchen, ist die Aufgabe unserer Mitwirkenden am Pult und auf dem Podium – und der Diskussion mit Ihnen heute Nachmittag.

Wir haben namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Medienwissenschaft, Medienpraxis sowie Medienverantwortliche für dieses Programm gewinnen können.

Ebenso ist die Politik mit Martin Dörmann , dem medienpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion vertreten. – Seien sie alle herzlich willkommen!

Ich bedanke mich bei allen Mitwirkenden für ihr Engagement an diesem Wochenende!

Die Friedrich-Ebert-Stiftung möchte mit dieser SommerAkademie einen weiteren Beitrag zur Förderung des journalistischen Nachwuchses leisten, damit unabhängiger und qualitätsvoller Journalismus als wesentliches Element einer aktiven Demokratie eine Zukunft hat.

Liebe Teilnehmer der SommerAkademie!
Dazu gehört, dass Sie, die sich für das Berufsfeld der Medien interessieren oder bereits dort Fuß gefasst haben, nicht nur Handwerk lernen, sondern auch über ihre zukünftige gesellschaftliche Verantwortung und Berufsrolle als Journalist und Journalistin nachdenken.

Und um zum Schluss noch einmal an Horst Schlämmer zu erinnern:

Wir brauchen auch in den Medien mehr Politik-Versteher und weniger Politik-Verächter!

Wir bieten am morgigen Tag mit den zahlreichen Workshops und Erzählcafes zur Medienpraxis einen Beitrag zur Qualifizierung, zum Erfahrungsaustausch und der persönlichen Vernetzung.

Damit wollen wir auch Mut machen, für eine wichtige und spannende Aufgaben in einer hochdynamischen Medienwelt.

Ich wünsche uns anregende und weiterführende Gespräche und bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Programm & Lebensläufe

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Keynote

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Studie

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Workshops

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O-Töne

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Abschluss & Zitat

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