Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Menschen sind erst dann tatsächlich "sicher", wenn sie ihre Potenziale frei entfalten können. Positiver Frieden und menschliche Sicherheit sind die Konzepte, auf denen unser friedens- und sicherheitspolitisches Engagement beruht.
Konkret bedeutet das für uns: Wir setzen weltweit auf Abrüstung, Dialog und Kooperation. Wir wollen regionale Bündnisse und Plattformen stärken, die bei Konflikten moderieren und notfalls eingreifen können. Zudem plädieren wir für eine Reform der Vereinten Nationen, damit diese schnell, wirksam und unvoreingenommen auf Konflikte reagieren können. In vielen Ländern arbeiten wir mit unseren Partnern darauf hin, die demokratische Kontrolle von Sicherheitsstrukturen und -akteuren zu verbessern. Denn die Öffentlichkeit muss auch Offiziere und Polizisten für deren Handeln zur Verantwortung ziehen können.
Vor allem gilt für uns: Sozialdemokratische Friedenspolitik ist weit mehr als Sicherheitspolitik. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Entwicklungszielen macht deutlich: Friedensförderung ist ein integraler Bestandteil aller Politikfelder - von der Wirtschafts-, Sozial- und Umwelt- bis hin zur Kulturpolitik, in reichen wie in armen Ländern.
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Seminarleitung: Prof. Dr. Ulrich Pfeil, Université de Lorraine (Metz)
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Krumm, Reinhard; Stamberg, Tõnis; Strapatšuk, Irina
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„Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Dieses Zitat Willy Brandts aus dem Jahr 1982 ist auch heute wahr und aktuell. Frauen, Männer und Kinder können nur dort ihre Rechte und Potenziale verwirklichen, wo sie nicht von Krieg, Gewalt und der Angst um ihr Überleben bedroht sind. Die körperliche Unversehrtheit gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Dass Menschen sicher und nach gemeinsam vereinbarten, verbindlichen Regeln leben können, ist Voraussetzung für Entwicklung und Frieden.
Für die Soziale Demokratie bedeutet Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Wir setzen uns für einen positiven Frieden in und zwischen Gesellschaften ein. Dieser ist dadurch bestimmt, dass Menschen nicht nur keine Angst um Leib und Leben haben müssen, sondern auch die Möglichkeit haben, ihre Potenziale frei zu entfalten.
Politische, wirtschaftliche soziale und kulturelle Grundrechte für alle schaffen die Grundlage für positiven Frieden. Dass sie eingehalten werden, ist besonders für verletzliche und marginalisierte Gruppen von existentieller Bedeutung. Besonders gut wahren und einfordern können diese Rechte ein demokratisch ausgehandeltes, rechenschaftspflichtiges, handlungsfähiges Gemeinwesen und eine aktive, pluralistische Zivilgesellschaft.
Demokratische Prozesse und Institutionen schaffen die Voraussetzungen für langfristigen Frieden. Sie ermöglichen es, politische, wirtschaftliche und soziale Konflikte friedlich zu bearbeiten und gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern. Entsprechend sind unsere friedenspolitischen Ansätze eng damit verbunden, demokratische Strukturen, effiziente Institutionen und eine lebendige und pluralistische Zivilgesellschaft zu fördern. Zudem bedarf es sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen, die ein selbstbestimmtes und friedliches Leben erlauben.
Was ist Sicherheit? Abhängig vom politischen Leitbild fallen die Antworten unterschiedlich aus. Für die Soziale Demokratie ist klar: Sicherheit ist erst dann gegeben, wenn sich Frauen, Männer und Kinder im öffentlichen und privaten Raum sicher fühlen, sie frei von Angst leben und sich sozial und wirtschaftlich entfalten können. Eine sozialdemokratische Politik orientiert sich also an den Sicherheitsbedürfnissen und Emanzipationsbestreben von Menschen und gesellschaftlichen Gruppen.
Unser Verständnis von Sicherheit folgt dem Konzept von „menschlicher Sicherheit“ (engl. „Human Security“), das nicht nur den Schutz vor physischer Gewalt („Freedom from fear“), sondern auch weitere Bedrohungen der Lebensgrundlagen in den Blick nimmt („Freedom from want“). Dazu zählen z.B. wirtschaftliche Krisen, Korruption, sozio-ökonomische Exklusion gesellschaftlicher Gruppen, Umweltzerstörung und Krankheiten. Damit ist eine sozialdemokratische Politik, deren Maßstab die Sicherheit von Menschen ist, weitreichender als eine konservative und militärisch ausgerichtete, in der die Sicherheit von Staaten der zentrale Bezugsrahmen ist.
Friedenspolitische Herausforderungen sind für uns deshalb auch: Unterentwicklung, sozioökonomische Perspektivlosigkeit, horizontale Ungleichheit und Verteilungsungerechtigkeit, mangelnde Ernährungs- oder Umweltsicherheit und die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Sie alle sind Auslöser und Verstärker von Gewaltkonflikten und Menschenrechtsverletzungen.
Wie menschliche Sicherheit in unterschiedlichen Gesellschaften und Staaten organisiert wird, welche Institutionen für Sicherheit sorgen, wie und durch wen diese kontrolliert werden – alle diese Fragen müssen im jeweiligen Kontext ausgehandelt werden.
Besonders sensibel ist das Thema Gewaltanwendung: Wer oder was wird von den Bürger_innen bzw. den Mitgliedern einer Gemeinschaft autorisiert und befähigt, Gewalt anzuwenden? Gibt es eine legitime Form von Gewalt, ein Gewaltmonopol? Welche extremen Umstände erlauben einen Einsatz von Gewalt, auch wenn hierdurch Menschenrechte verletzt werden könnten?
Für Erhard Eppler, einen der bedeutendsten Programmatiker der deutschen Sozialdemokratie, und für die internationale Sozialdemokratie gelten: Ein Gewaltmonopol ist eine unschätzbare zivilisatorische Errungenschaft. Statt dass Individuen oder einzelne Gruppen willkürlich Gewalt anwenden, übertragen sie ein Gewaltmonopol an gesellschaftliche und staatliche Instanzen – und zwar in einem demokratischen Prozess. Besonders wichtig ist dabei, dass die Instanzen rechenschaftspflichtig sein und sich gegenüber Parlamenten und den Bürger_innen verantworten müssen. Rechtstaatliche Institutionen hegen die Macht ein, die einhergeht mit der Befugnis, in bestimmten Situationen Gewalt anwenden zu dürfen.
In vielen schwachen und fragilen Staaten weltweit gibt es kein staatliches Gewaltmonopol oder die Sicherheitskräfte agieren ohne jegliche Kontrolle. In solchen Situationen füllen oft alternative, nicht-staatliche Sicherheitsdienstleister die Lücke. Diese können in den Augen der Bevölkerung eine lebenswichtige Aufgabe erfüllen. Sie können aber auch eine Bedrohung für die Bevölkerung werden, wenn sie die Funktion der Sicherheitserbringung zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen wie es kriminelle oder terroristische Netzwerke oft tun.
Der Philosoph Norbert Elias beschrieb es als einen „Prozess der Zivilisierung“, wenn sich Gemeinschaften darüber verständigen, an wen sie ein Gewaltmonopol übertragen. Dieser Prozess muss nicht an den Grenzen von Nationalstaaten enden. Er kann auch das internationale System umfassen – und dafür sorgen, dass die Welt insgesamt sicherer wird.
In der Einleitung zum Nord-Süd-Bericht „Das Überleben sichern“ aus dem Jahr 1980 schrieben Willy Brandt und seine Mitstreiter_innen: „Die Globalisierung von Gefahren und Herausforderungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert eine Art ‚Weltinnenpolitik‘.“ Gemeint haben die Autoren damit: Wir brauchen demokratisch legitimierte Autoritäten auf internationaler Ebene, die verbindliches Recht setzen und durchsetzen. Das geht nur über gemeinsame Anstrengungen und die Übertragung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen – also staatlicher Souveränität. Die Vereinten Nationen wurden, wie ihr zweiter Generalsekretär Dag Hammarskjöld sagte, geschaffen, um die „Menschheit vor der Hölle zu retten“. Sie sind die Instanz, die noch am ehesten die Rolle als Hüterin einer vertraglich garantierten Weltinnenpolitik übernehmen könnte.
Ein zivilisierter Konfliktaustrag braucht einen gemeinsam beschlossenen und verbindlichen Rechtsrahmen, der Regeln für das Zusammenleben festlegt – und zwar sowohl innerhalb von Staaten als auch in den internationalen Beziehungen. Sozialdemokratische Parteien und Bewegungen fordern deshalb: Für Sicherheit und die Frieden müssen legitime und rechtstaatlich kontrollierte Gewaltmonopole im Inneren von Staaten unterstützt werden. Darüber hinaus bedarf es eines internationalen Gewaltmonopols unter dem Dach der Vereinten Nationen.
Aus diesem Grund ist es ein Kernanliegen sozialdemokratischer Friedens- und Sicherheitspolitik, internationale Organisationen zu stärken – allen voran die Vereinten Nationen, aber auch regionale Kooperations- und Dialogbündnisse wie die Afrikanische Union und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Internationale Solidarität, Friedensdiplomatie, Krisenprävention, Abrüstung und Entspannung sind Prinzipien sozialdemokratischer Friedens- und Sicherheitspolitik.
Wenn Staaten ihre Waffenbestände aufrüsten, dann steigt die Gefahr, dass es zu gewaltsamen Konfrontationen kommt. Um das frühzeitig zu verhindern, setzt eine sozialdemokratische Friedens- und Sicherheitspolitik auf Dialog, Kooperation und Abrüstung.
Ein historisches Beispiel: Die von Willy Brandt und Egon Bahr konzipierte Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion und der DDR zu Zeiten des Kalten Krieges. Bei seiner Tutzinger Rede im Jahr 1963 rief Bahr zu einem „Wandel durch Annäherung“ auf und stellte die Logik der Blockkonfrontation in Frage. Stattdessen skizzierte er eine neue Strategie: Den Abschied von Konfrontationspolitik und den Beginn von vertrauensbildenden Gesprächen. Dadurch sollte ein innerer Wandel in den kommunistischen Systemen befördert werden.
In der Folge wurden Anfang der 1970er Jahre eine Reihe von Verträgen mit der Sowjetunion und den mit ihr verbündeten Staaten ausgehandelt – gegen konservative Widerstände. Diese schufen die Grundlagen dafür, den Rüstungswettbewerb zwischen den Supermächten einzuhegen und in ein stabileres System der Rüstungskontrolle umzuleiten.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt zweierlei: Es ist möglich, eine Politik der Drohgebärden durch eine Politik der konstruktiven Gespräche abzulösen. Und gegenseitiges Vertrauen ist die Grundlage dafür, Waffenbestände zu reduzieren, die den Fortbestand der Welt insgesamt gefährden. Entsprechend ist der „Wandel durch Annäherung“, sind Dialog und Rüstungskontrolle bis heute Grundpfeiler einer Friedens- und Sicherheitspolitik, die auf den Werten der Sozialen Demokratie beruht.
Frieden fällt nicht vom Himmel. Frieden kann und muss gestiftet werden – lokal, national und global. Das ist eine Grundüberzeugung sozialdemokratischer Politik. Frieden ist ein temporärer Zustand von politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen. Friedliche Gesellschaften zu fördern, ein wesentliches Ziel der Agenda 2030, bleibt eine Daueraufgabe.
Ein historisches Zeugnis dafür, dass Frieden politisch gestaltet werden kann und dennoch brüchig bleibt, ist der europäische Kontinent. Niemals zuvor in der gewaltvollen Geschichte Europas gab es eine so lange Periode zwischenstaatlichen Friedens wie seit Beginn des europäischen Einigungsprozesses in den 1950er Jahren. Nach Ende des Kalten Krieges und dem Fall der Mauer schien dauerhafter Frieden in greifbarer Nähe. Allerdings ist diese Hoffnung bedroht: Die europäische Sicherheitsordnung, die auf der Schlussakte von Helsinki (1975) und der Charta von Paris (1990) beruht, ist brüchig geworden. Spätestens seit die Annexion der Krim und der Einmischung Russlands in den Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine ist klar: Die Grundätze der europäischen Friedensordnung gelten nicht mehr für alle Unterzeichnerstaaten. Zeitgleich treten auch im Inneren der Europäischen Union wieder Konflikte in Erscheinung, die durch die europäische Zusammenarbeit überbrückt zu sein schienen, z.B. der Nordirland-Konflikt.
Das europäische Beispiel zeigt: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Oder wie es Willy Brandt bei seiner Rede für den Friedensnobelpreis im Jahr 1971 formulierte: Die Schaffung von Frieden ist als eine „permanente Aufgabe zu begreifen“.