Die Friedrich-Ebert-Stiftung beim Filmfest Hamburg 2024

"Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung"

And the winner 2024 is...."Sugarcane"

Der Preis „Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung“ geht 2024 an die beiden Regisseur*innen Julian Brave NoiseCat und Emily Kassie für ihren Dokumentarfilm Sugarcane (Kanada/USA 2024). Vergeben wurde er im Rahmen der Preisverleihung des 32. Filmfestes Hamburg am Samstag, 5. Oktober. Die beiden sendeten eine Videobotschaft aus Kanada in den vollbesetzten Kinosaal.

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird für die beste Regieleistung verliehen und zwar für einen Film, den ein klar erkennbarer politischer Anspruch auszeichnet. Die Jury bewertet sowohl den politischen Gehalt des Films als auch die künstlerisch-filmische Umsetzung.

Der Film

Sugarcane, Originalsprache: Englisch, Secwepemctsín, Regie: Julian Brave NoiseCat, Emily Kassie, Kanada, USA, 2024, Dokumentarfilm, Länge: 107 min

Der Dokumentarfilm Sugarcane ist eine Hommage an die Widerstandsfähigkeit der nordamerikanischen Native People und ihrer Lebensweise – ein emphatisches Porträt einer Gemeinschaft in einer Zeit, in der die Welt ihnen endlich zuhört.

2021 wurden auf dem Gelände einer von der katholischen Kirche betriebenen sogenannten Indian residential school in Kanada nicht gekennzeichnete Gräber entdeckt. Nach jahrzehntelangem Schweigen wurden die erzwungene Trennung, Assimilierung und der Missbrauch, den viele Kinder in diesen Internaten erlebten, ans Licht gebracht.

Die beiden Filmemacher*innen begeben sich auf die Suche nach dem was war, aber vor allem auch nach den jahrzehntelangen Folgen für die Opfer und ihre Familien. Sie stützen sich dabei auf ihre Erfahrungen im Aktivismus und im Journalismus und verweben geschickt mehrere Stränge zu dieser eindringlichen Erzählung. Sie ist brutal und poetisch zugleich. Sie zerreißt einem das Herz und gibt trotz allem Hoffnung. Denn sie zeigt nicht nur die Folgen von Kolonialismus, Rassismus und Machtmissbrauch. Sie steht auch für die Stärke von Gemeinschaft.

Hier geht es zum Trailer des Films.

Die Jury

Wir danken unserer fachkundigen, unabhängigen Jury für ihre Arbeit: Danial Ilkhanipour (Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft & Iran-Aktivist, Hamburg), Pia Lenz (Journalistin und Dokumentarfilmerin, Hamburg) und Andreas Körner (Kulturjournalist für Film und Musik, Dresden).

Die Laudatio

Vater Ed Archie und Sohn Julian reisen durch ihre kanadische Heimat, das Land ihrer indigenen Vorfahren, doch sie sind nicht auf Urlaub. Es ist eine biografische Spurensuche, bei der Verdrängtes auf die Gegenwart trifft. Denn da ist eine Lücke im Leben des Vaters, die sich bislang nicht schließen ließ. Aufgerissen in einer der sogenannten “Indianerschulen”, die es in ganz Kanada gab. Unter dem Dach der katholischen Kirche wurden indigene Kinder über Jahrzehnte körperlich und sexuell missbraucht. Die Vergewaltiger schwängerten Mädchen und ließen Babys verschwinden, nur wenige Täter wurden jemals angeklagt.

 

Dieser wütende und liebevolle Dokumentarfilm erzählt die Geschichte in all ihrer Komplexität und schafft es, sich behutsam den einzelnen Schichten des Schmerzes und der mühsamen Befreiung zu nähern. Dabei sind es die Opfer selbst, denen die Filmemacher durch ihre eindrückliche Regiearbeit einen Raum schaffen, in dem alles Platz hat, aber eben manches auch ungelöst bleiben darf. Was wird aus Wunden, die nicht mehr heilen können, weil aus ihnen längst Narben geworden sind? Wie gelingt das Weiterleben nach traumatischen Erlebnissen? Was bedeutet echte Aufarbeitung?

 

SUGARCANE erzählt davon mit Zärtlichkeit, ohne Pathos, findet große, poetische Bilder und öffnet den Blick für die komplexe Sicht auf historische, gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge. Ein persönlich motivierter und unverkrampft universeller Film über die Würde im Kleinen, die Großes bewegt. Ein Film über das Vererben von Schmerz, den Wunsch nach Heilung und das Wagnis der Vergebung. Ein Film über den Brückenbau zwischen Generationen und die wiedergefundene Sprache nach langer Zeit des Schweigens. Und: Ein Film über das Zuhören. Endlich! 

 

Der Preis für den politischen Film der Friedrich-Ebert-Stiftung geht an:

 

Sugarcane von Julian Brave Noisecat und Emily Kassie

Die nominierten Filme

Auch in diesem Jahr waren die acht vollkommen unterschiedlichen Filme in der Sektion "Veto!" für den Preis nominiert. Die Filme macht mehr aus als nur das Politische. Sie möchten berühren und auch zum Mit-, Nach- und Vordenken anregen. Wenn filmische Qualität und ein relevantes Thema zusammen kommen, kann ein Film Großes bewirken.

Wir sehen den Arbeitskampf der Amazon- Mitarbeiter*innen in den USA, die in "Union" von Brett Story und Stephen Maing in New York die erste Amazon Gewerkschaft gründen wollen, folgen der namendsgebenden Protagonistin im Spielfilm "I am Nevenka" der spanischen Regisseurin Icíar Bollaín, wenn sie gegen Machtmissbrauch und Unterdrückung aufbegehrt und lassen uns von Michael Premo in seinem Dokuamentarfilm "Homegrown" zurück in die USA im Jahr 2020 führen, wo sich der Sturm auf das Kapitol anbahnt. Der Film "Nothing in Its Place" von Burak Çevik führt uns in das Jahr 1978 nach Ankara und führt uns eine Episode aus der Geschichte der Grauen Wölfe vor Augen. Der Dokumentarfilm "Sugarcane" hingegen von Julian Brave NoiseCat und Emily Kassie zeigt tiefe Wunden und generationenübergreifende Traumata, verursacht durch die Residential Schools der katholischen Kirche, in die Native people in Kanada gezwungen wurden. Die griechische Filmemacherin Elina Psykou nimmt uns mit auf mehrere Reisen durch Europa: "Stray Bodies" folgt drei Frauen, die für Abtreibung, küntsliche Befruchtung und Euthanasie auf Reisen gehen (müssen). Johan Grimonperez zeigt die faszinierende Verbindung von Musik und Imperialismus: "Soundtrack to a Coup d'Etat" zeigt den Einsatz von US-amerikanischen Jazz-Größen in den 1960er-Jahren in Afrika. Der Spielfilm "Souleymane's Story" von Boris Lojkine schließlich zeigt den Weg eines Guineers, der sich in der französischen Gig Economy und dem französischen Asylsystem gleichermaßen behaupten muss.

Der politische Film

Mit Bildern bewegen

Seit 2013 kooperiert die Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Filmfest Hamburg. Uns eint die Grundüberzeugung, dass das Kino und der Film vieles bewegen können – auch und gerade in der politischen Bildung und Debatte. Deswegen richten wir gemeinsam die Sektion „Veto!“ aus. Die Filme werden für den Preis »Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung« nominiert. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird jährlich für die beste Regie vergeben.

Das Kino war schon immer mehr als ein Mittel der Zerstreuung – und Politik im Film gibt es vermutlich so lange, wie es das Medium Film überhaupt gibt. Die Welt beobachten und darstellen. Dabei Stellung beziehen und die Zuschauer*innen anregen, ihre Positionen zu überdenken. Mit Bildern bewegen und zum Nachdenken anregen: Das ist für uns der politische Film. Diesem Motto sind wir auch außerhalb des Filmfestes Hamburg treu und veranstalten immer wieder Filmvorführungen mit Gesprächen mit Gästen aus Kultur, Politik und Zivilgesellschaft. Wenn wir Sie für unsere Filmabende in unseren Verteiler aufnehmen dürfen, schreiben Sie gern an hamburg(at)fes.de. Inhaltliche Ansprechpartnerin für die Reihe bei uns ist Christine Strotmann.


Preisträger*innen

2024: Sugarcane

Der Preis "Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung" 2024 geht an die Regisseur*innen Julian Brave NoiseCat und Emily Kassie für ihren Dokumentarfilm Sugarcane (Kanada, USA 2024). weiter

2023: Im Rückspiegel

Den FES-Filmpreis erhält der in der Ukraine aufgezeichnete Dokumentarfilm "Im Rückspiegel" des polnischen Regisseurs Maciek Hamela. weiter

2021: La Civil

Der FES-Filmpreis 2021 wurde an Teodora Ana Mihai für ihren Spielfilm "La Civil" verliehen. weiter

2018: On Her Shoulders

Der Preis ging an Alexandria Bombach weiter

2016: Tadmor

Der Preis ging an Monika Borgmann & Lokman Slim weiter

2014: Children 404

Die Preisträger waren Askold Kurov & Pavel Loparev weiter

2022: How to Blow Up a Pipeline

Der FES-Filmpreis 2022 wurde an Daniel Goldhaber für seinen Spielfilm "How to Blow Up a Pipeline" verliehen. weiter

2019: Bewegungen eines nahen Bergs

Der Preis ging an Sebastian Brameshuber weiter

2017: The Wait

Der Preis ging an Emil Langballe weiter

2015: Every Face Has a Name

Der Preis ging an Magnus Gertten weiter

2013: Manuscripts don't burn & Fire in the Blood

Geteilter Preis an Mohammad Rasoulof & Dylan Mohan Gray weiter

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