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And the winner is: Im Rückspiegel

Wir gratulieren dem Regisseur Maciek Hamela für den in der Ukraine aufgezeichneten Dokumentarfilm "Im Rückspiegel".

 

Am Samstag, 7. Oktober 2023 wurde bereits zum zehnten Mal der Preis "Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung" im Rahmen des 31. Filmfestes Hamburg verliehen. Die unabhängige Jury zeichnete den in der Ukraine aufgezeichneten Dokumentarfilm "Im Rückspiegel" (OT: Skąd dokąd, Frankreich, Polen, Ukraine, 2023) des polnischen Regisseurs Maciek Hamela aus. Der Preis wird für die beste Regie verliehen. Sieben Filme mit politischem Anspruch aus der Sektion "Veto!" waren nominiert.

Der Film

Ein Kleinbus, der durch schöne und dann wieder verwüstete Landschaften fährt, immer wieder abwenden muss, das Tempo drosselt. Auf der Rückbank: Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine fliehen. Am Steuer sitzt Regisseur Maciek Hamela selbst. Er nimmt als Freiwilliger Menschen auf, die vor den Kriegshandlungen in den Westen fliehen. In kurzen Sequenzen lernen wir dabei die Fliehenden kennen. Sie teilen mit uns ihre Geschichten, berichten wen und was sie zurücklassen mussten, was sie erlebt haben im Krieg und unter russischer Besatzung. Das Fluchtauto bietet temporäre Sicherheit, und die Menschen auf der Rückbank, Kinder wie Alte, Frauen und Männer erlauben uns Einblick in ihre vom Krieg zerrütteten Leben, während sie in eine ungewisse Zukunft fahren.

Der Dokumentarfilm „Im Rückspiegel“ ist das Langfilmdebut des polnischen Regisseurs Maciek Hamela.

Die Filmseite beim Filmfest inkl. Trailer.

 

 

Die Jury

In unserem Wettbewerb um den Preis »Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung« waren sieben Filme mit politischem Anspruch nominiert. Doch sie macht mehr aus als nur das Politische. Sie möchten berühren und auch zum Mit-, Nach- und Vordenken anregen. Wenn Qualität und Thema stimmen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort, dann kann ein Film Großes bewirken.

Um die fachliche Bewertung aller Komponenten, die ein Gewinnerfilm haben muss, sicherzustellen, haben wir auch in diesem Jahr eine engagierte und kompetente Jury gesucht – und gefunden:

  • Tanja Chawla, Vorsitzende des DGB, Hamburg
  • Carolin Genreith, Autorin, Regisseurin, Produzentin
  • Christian Stöcker, Professor, Journalist

Die Laudatio

Alle Nominierten sind aus der Sicht der Jury preiswürdig. Die Filme der Sektion sind extrem unterschiedlich, mal formal streng, mal wild ausufernd, Dokumentar- und Spielfilme, aktuell und historisch, mal todernst, mal komisch. Es geht um Überwachung und Unterdrückung, um Ausbeutung und Antifeminismus, aber auch um Auflehnung, Solidarität und Widerstand. Ein Film ragte aus der Auswahl dennoch heraus. Er ist unter schwierigsten Bedingungen gedreht, mit einer einzigen Kamera, in einem einzigen, engen Raum. Ab und zu geht der Blick durchs Fenster nach draußen und zeigt Bilder, die wir alle so ähnlich schon im Fernsehen gesehen haben, Bilder der Zerstörung. Jetzt aber sehen wir sie aus der Perspektive derer, deren Welt gerade aus den Fugen geraten ist. Wir sehen in ihre Gesichter und hören, was sie sagen, oft erstaunlich ungerührt wirkend, manchmal offenkundig traumatisiert, immer knapp, immer bewegend. Obwohl die Kamera ihnen direkt ins Gesicht blickt, wie im Rückspiegel, wirkt sie niemals voyeuristisch. Knapp und präzise erzählen die Menschen Ausschnitte ihrer Geschichten, dicht, wie es ein Drehbuch kaum könnte. Oft kippen sie vom scheinbar Banalen unerwartet ins Grauenvolle. In nur 84 Minuten lernt das Publikum Dutzende Menschen kennen: Frauen, Männer, Kinder, Alte, Einheimische und Zugezogene. In dem Auto, in dem der ganze Film spielt, vereint sie das gleiche Schicksal: Sie sind auf der Flucht. Ein Mann berichtet von seiner Foltererfahrung, ein kleines Mädchen ist verstummt, ein anderes hilft ihm, die Sprache wiederzufinden, eine Familie lässt den Vater zurück, ein Junge vermisst seine Großmutter, eine lebensbedrohlich verletzte Frau erzählt von ihren Zukunftsplänen, eine Bäuerin erinnert sich voller Wehmut an ihre allesfressende Kuh.

Der Mann am Steuer des Autos ist auch der Regisseur des Films, mal stellt er behutsame Fragen, mal muss er plötzlich die Richtung ändern, weil im Dunkeln Minen auf der Straße liegen, oder weil eine Brücke nicht mehr existiert. Das Genre des Antikriegsfilms wird dominiert von Filmen, in denen Männer Krieg führen. Dieser Film ist ein echter Antikriegsfilm, weil er vollständig aus dem Blickwinkel der Opfer erzählt ist. Der Film ist ein Fanal gegen die Gewöhnung, er macht jene sichtbar, deren Leben dieser Krieg gegen die Ukraine unmittelbar erschüttert. So erzählen die Menschen in diesem Werk stellvertretend und universell von Krieg und Flucht, überall.

Dieser große Film hat ein großes Publikum verdient. Der Preis “Der politische Film der Friedrich-Ebert-Stiftung” geht an Maciek Hamela für ‚Im Rückspiegel‘.


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