Liebe Leserin, lieber Leser,
Gerechtigkeit und Solidarität sind Grundwerte der Sozialen Demokratie, denen sich die Friedrich-Ebert-Stiftung in besonderem Maße verpflichtet fühlt. Insofern kann es die Stiftung nicht unberührt lassen, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland und weltweit wächst. Das Thema steht im Zentrum des abteilungsübergreifenden Projekts »Gute Gesellschaft – Soziale Demokratie 2017plus«. Über das gesamte Jahr 2016 wurde in Publikationen und Veranstaltungen darüber beraten, wie ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft verhindert werden kann. Ein Höhepunkt war der Kongress »MEHR GLEICHHEIT. Wirtschaftlich notwendig. Politisch unerlässlich. Sozial gerecht« im November in Berlin, bei dem 300 Gäste mit prominenten Politiker_innen und Wissenschaftler_innen aus dem In- und Ausland diskutierten und Handlungsempfehlungen erarbeiteten.
Unterdessen wachsen die Zweifel an der überkommenen Behauptung, ökonomische Ungleichheit sei unabdingbar für Wachstum. Nach einer Umfrage der FES empfinden 82 Prozent der Bundesbürger_innen die sozialen Unterschiede im Land als zu groß. Und tatsächlich behindert Ungleichheit nachhaltiges Wachstum, wie in eigenen Studien nachgewiesen werden konnte. Die Publikation »Ungleiches Deutschland: Sozioökonomischer Disparitätenbericht 2015« belegt, dass sich das Land trotz der guten Konjunktur sozial und ökonomisch weiter auseinanderentwickelt. In zahlreichen Veranstaltungen wurde aufgezeigt, dass die Stärkung des Wohlfahrtsstaates eine richtige Antwort darauf ist und die Politik daher das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse konsequenter verfolgen muss.
Die Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern ist neben Kriegen und Klimakatastrophen eine der Ursachen für die enorme weltweite Migration. Von den 60 Millionen Menschen, die derzeit auf der Flucht sind, erreichen nur die wenigsten Europa, doch auch sie stellen Politik und Gesellschaften vor große Herausforderungen.
Die FES hat dieses Thema in der ganzen Breite ihrer Arbeit aufgegriffen – etwa durch Qualifizierungsprojekte für Mitglieder von Ausländer- und Integrationsbereichen, Beratungsarbeit für Kommunalpolitiker_innen, Begegnungsprojekte für Jugendliche oder durch Seminare für Geflüchtete in arabischer Sprache. Begleitet werden diese Maßnahmen durch eine Reihe politikbegleitender Publikationen zu konkreten Politikfeldern.
Daneben war auch der Einsatz der FES-Stipendiat_innen beachtlich: Fast die Hälfte der rund 2.800 Geförderten beteiligte sich an der Betreuung von Neuankömmlingen.
Auch die Situation in den Herkunftsländern hat die Stiftung im Blick und entwickelt Empfehlungen, wie Fluchtursachen bekämpft werden können. Für das stiftungsweite Projekt »Flucht, Migration und Integration« mit über 500 Veranstaltungen und Publikationen im Jahr 2016 ist das weltweite Netzwerk der FES besonders wertvoll: So lassen sich die deutsche, europäische und internationale Perspektive verbinden. Bei der Berliner Gerechtigkeitswoche wurde über »People on the move« diskutiert, bei den Maghrebtagen über die gesellschaftlichen Umbrüche in Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen.
Seit Jahren befindet sich die Europäische Union in einer tiefen Krise. Das stiftungsweite Projekt »Politik für Europa 2017plus« fördert eine konstruktive Auseinandersetzung mit der europäischen Idee und Wirklichkeit. In zwei Jahren intensiver Projektarbeit hat die Europa-Arbeit der FES dadurch an Kontur gewonnen und wird von den europapolitischen Stakeholdern in Deutschland und in den Brüsseler Institutionen stärker wahrgenommen. Zudem konnten Impulse für eine bürgernahe Europapolitik gesetzt und vielen jungen Menschen der europäische Gedanke nähergebracht werden. Kernpunkte des Projekts waren die Studie »EU vor Bewährungsprobe«, die die Entfremdung der Bürger_innen von der Europäischen Union aufzeigte, sowie die fünfteilige Konferenz »Europe calling« zu der Frage, was Europa zusammenhält.
In Deutschland vermittelt die Stiftung jungen Leuten europäische Zusammenhänge vor allem mit Planspielen an Schulen sowie über das Internet.
Als wichtigstes Gemeinschaftsthema sehen die Bürger_ innen einer FES-Europa-Studie zufolge die Sicherheits- und Außenpolitik. In den Augen der Befragten sind die Nationalstaaten den Herausforderungen nicht gewachsen, die sich aus den Krisen rund um die EU ergeben. Die neue Vertretung der FES am OSZE-Standort Wien wird sich daher überregional der Frage widmen, wie Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa wieder garantiert werden können.