Vor- und Nachteile der Delegation in Bayern zum 1.1.2019 – Studie von Andreas Rein und Caro Berndt
Die letzten Jahre waren geprägt von Krisen, deren wirtschaftliche Folgen immer deutlicher werden und sich insbesondere auf in Armut lebende Menschen existentiell auswirken. Unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass es zu einem deutlichen Anstieg der Überschuldungszahlen kommen wird. So sind derzeit etwa 20 Prozent der deutschen Haushalte gefährdet, ihre Nebenkostenrechnungen nicht bezahlen zu können (Creditreform 2022).
Ein gut vorbereitetes und ausreichend ausgestattetes Hilfssystem für überschuldete Menschen ist daher dringend von Nöten. Insbesondere Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen sind hierbei ein zentrales Instrument. Inwiefern diese jedoch ausreichend vorbereitet sind, ist fraglich, denn in den Beratungsstellen werden bereits seit geraumer Zeit gestiegene Anfragen und lange Wartezeiten verzeichnet. In Anbetracht dieser Belastung ist die ausreichende Ressourcenausstattung der Beratungsstellen von erheblicher Bedeutung und es stellt sich die Frage, wie diese verbessert werden kann.
Das sogenannte bayerische Modell, das 2019 in Kraft trat und bei dem die Insolvenzberatung vom Land auf die Kommunen übertragen wurde, fällt hierbei insbesondere ins Auge. Durch diese Reform wurden Schuldner- und Insolvenzberatung zusammengeführt, sodass die Träger von Beratungsstellen nun nur noch mit einer Instanz abrechnen müssen. Gleichzeitig wurden die Zuwendungen des Landes für die Insolvenzberatung annähernd verdoppelt. Die Verfasser_innen der vorliegenden Studie haben anhand von Expert_innenbefragungen und einer Literaturanalyse untersucht, wie dieses Modell aufgenommen wurde, welche Vor- und Nachteile sich ergeben und inwiefern das bayerische Modell auf andere Bundesländer übertragen werden könnte.
In Deutschland wird bei der Beratung überschuldeter Personen zwischen der Insolvenzberatung und der Schuldnerberatung unterschieden:
Insolvenzberatung ist die Beratung über die Voraussetzungen, den Ablauf und die Pflichten im Rahmen des Verbraucherinsolvenzverfahrens nach §§ 304ff. InsO. Es geht hierbei also um den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens. Diese Form der Beratung ist Aufgabe der Länder ist und wird auch von diesen finanziert.
(Soziale) Schuldnerberatung ist z. B. die klassische Haushaltsberatung, die psychosoziale Beratung oder die existenzsichernde Beratung, etwa bei einer Stromsperre oder der fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses. Schuldnerberatung ist Aufgabe der Kommunen. Art und Umfang der Finanzierung unterscheiden sich daher stark zwischen den Ländern.
Die Trennung der beiden Beratungsarten wurde schon in der Vergangenheit von vielen als eine künstliche Unterscheidung angesehen, denn inhaltlich lassen sich beide Themen schwer trennen und in der Praxis wird die Beratung meist von ein und derselben Stelle durchgeführt.
Studie und Methodik
Unter der Frage „Kann das bayerische Modell als Blaupause für andere Bundesländer dienen?“ wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts die Delegation der Insolvenzberatung auf die Kommunen in Bayern näher untersucht. Im ersten Schritt der Studie wurde dabei geprüft, ob eine Veränderung in der Beratungspraxis eingetreten ist. Im zweiten Schritt wurde die Übertragbarkeit des Modells auf andere Bundesländer näher in den Blick genommen. Neben einer Literatur- und Onlinerecherche wurden dazu insgesamt fünf qualitative Befragungen mit Personen aus bayerischen Beratungsstellen geführt.
Ergebnisse
Die Übertragung der Insolvenzberatung in Bayern an die Kommunen zum 1.1.2019 wurde von den Expert_innen insgesamt als sehr positiv und krisenfest bewertet. In den Interviews wurden dabei besonders die vereinfachte Dokumentation und Abrechnung betont. Gleichzeitig habe die Delegation dafür gesorgt, dass Stellenanteile in einzelnen Beratungsstellen gesichert oder sogar ausgebaut werden konnten. Positive Effekte seien auch durch den Wechsel des Finanzierungsmodells von Fallpauschalen zu Stellenpauschalen eingetreten. Der Ausbau der Insolvenzberatung habe auch dazu geführt, dass die Beratung nun für einen breiteren Personenkreis offensteht. Durch die Delegation sei es also insgesamt gelungen, in Bayern ein flächendeckendes Netz an Insolvenzberatungsstellen aufzubauen.
Bezüglich der Übertragbarkeit des bayerischen Modells auf andere Bundesländer muss darauf hingewiesen werden, dass die positiven Effekte des bayerischen Modells in Teilen darauf zurückzuführen sind, dass Bayern die Ausgaben für die Insolvenzberatung nahezu verdoppelt hat. Somit ist der Erfolg einer Übertragung des bayerischen Modells stark von der Finanzierungsmöglichkeit/-willigkeit der Bundesländer abhängig. Dennoch kann das bayerische Modell als ein Best-Practice-Modell gewertet werden, das sich die anderen Bundesländer genau anschauen sollten.
Ansprechpartnerin in der FES: Iva.Figenwald@fes.de