EU und Afrika - Wird die Entwicklungszusammenarbeit zum Zuckerbrot der Migrationspolitik?
Kooperation nach europäischem Willen
Die EU hat in der Migrationspolitik einen signifikanten Wechsel vollzogen. Migration ist fortan Kern der Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika, an dem sich zukünftige Kooperationsansätze orientieren werden.
So stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Wirtschaftstag der CDU in Berlin im Juni 2016 klar: „Das zentrale Problem ist die Migration aus Afrika mit 1,2 Milliarden Menschen“. Hintergrund sind Prognosen, die Afrika bis 2050 eine Bevölkerung von über 2 Milliarden Menschen vorhersagen. Angesichts von Konflikten, grassierender Korruption und Klimawandel sind ihre Aussichten auf ein Leben in Frieden und Wohlstand unsicher. Es ist daher wahrscheinlich, dass zukünftige Migrationsbewegungen größtenteils aus Afrika stammen werden.
Ein strategischer Dialog zwischen den Kontinenten wäre dringend notwendig, findet bisher jedoch nicht statt. Ganz im Gegenteil: der neue Ansatz der EU in der Migrationspolitik gegenüber Afrika favorisiert eine harte und einseitige Gangart, statt einen konstruktiven Austausch.
Der kurzfristig organisierte europäisch-afrikanische Gipfel von Valletta im November 2015 sollte den europäischen Wähler_innen zeigen, dass die EU handlungsfähig ist. Eine Abstimmung mit der afrikanischen Seite gab es jedoch nicht. Auf dem Gipfel dominierten europäische Interessen, die sich im neuen Aktionsplan und dem neugeschaffenen EU Trust Fund spiegeln.
Wenig überraschend zeigte sich die europäische Seite mit dem Ergebnis des Gipfels zufrieden, während das afrikanische Urteil nüchterner ausfiel. Der Valletta-Gipfel hätte zwar neue Dynamik in den Dialog zu Migration gebracht, so die afrikanischen Teilnehmer, doch sei es einseitig um europäische Belange gegangen. Sie bezeichneten das Treffen als Notfallmaßnahme, die schnelle Ergebnisse produzieren sollte, obwohl die Migrationsthematik für schnelle Lösungen zu komplex sei. Die hastig initiierten Projekten seien eher eine Verschwendung europäischer Steuergelder, als ein Ansatz zum partnerschaftlichen Gestalten von Migration. Dafür wäre ein wirklicher Dialog auf der Grundlage von Gegenseitigkeit wichtig gewesen, der auch auf afrikanische Interessen und Vorschläge eingeht.
Insofern markierte Valletta weniger den Beginn einer gemeinsamen europäisch-afrikanischen Migrationsstrategie, als vielmehr den einer EU-Migrationsstrategie, die von europäischen Mitgliedsstaaten einseitig bestimmt wird und in erster Linie darauf beruht, Migration aus Afrika zu verhindern.
Nach Valletta – die Karten kommen auf den Tisch
Nach Valletta begann die EU, die Ausgestaltung der zukünftigen Kooperation zu konkretisieren und einen neuen Migrationsansatz einzuführen. Mit den sog. Migrationspartnerschaften (New Partnership Framework for Migration) möchte die EU Konditionalität in die Entwicklungszusammenarbeit einführen. Die afrikanische Seite hat dieses Vorgehen bereits heftig kritisiert, da die EU in Valletta mit dieser Forderung noch scheiterte.
Die Vorgaben des neuen Partnerschaftsrahmens sollen in sog. Migrationspakten (Compacts) umgesetzt werden. Die ersten Staaten, mit denen ein derartiger Pakt abgeschlossen werden soll, sind Senegal, Mali, Niger und Nigeria. Weitere Staaten, insbesondere im nördlichen Afrika, sollen folgen. Über die genauen Inhalte der Migrationspakte ist derzeit noch wenig bekannt, mit ihnen sollen jedoch maßgeschneiderte Programme ausgearbeitet werden, die die Länder in die Lage versetzen, den Herausforderungen im Bereich Migration besser begegnen zu können. Konkret sollen die Pakte illegale Migration reduzieren in dem sie vier Felder abdecken: Erstens die Bekämpfung von Schleuserkriminalität, zweitens die Eröffnung legaler Migrationswege, drittens verstärkte Abschiebungen und viertens die Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration.
Zwar sehen die afrikanischen Partner durchaus auch positive Elemente im neuen europäischen Ansatz. Hauptkritikpunkt bleibt jedoch, dass der (europäische) Wille zu mehr Kooperation sowie die finanziellen Mittel dafür an Konditionalität gebunden sind, die in erster Linie einer Reduzierung von Flüchtlings- und Migrantenbewegungen dient. In der Tat: Ein solcher Ansatz dient vorrangig europäischen Interessen und wird in Afrika bestenfalls auf Desinteresse, wenn nicht auf Widerstand stoßen. Vor allem aber untergräbt er nachhaltige Ansätze zur Entwicklung der Länder in Afrika. Und dies dürfte langfristig eher zu mehr und nicht weniger Migration führen und insofern alles andere als im europäischen Interesse liegen.
Unsere Analyse "Zuckerbrot oder Peitsche - Der neue Takt in der EU-Migrationspolitik gegenüber Afrika" befasst sich mit diesen Themen.
Kontakt: Elisabeth Braune, Referentin im Referat Afrika der Friedrich-Ebert-Stiftung