Eröffnungspanel
Das Eröffnungspanel richtete aus politischer, wissenschaftlicher und gewerkschaftlicher Perspektive den Blick auf die Frage „Dienstleistungen als Wertschöpfungs- und Beschäftigungsmotor in NRW: Wie gelingt der Strukturwandel?“.
Die Frage wurde diskutiert mit Dr. Andreas Koch, Projektleiter der Studie „Zur Bedeutung industrie-orientierte Dienstleistungen“ für das Wirtschaftsministerium NRW, Institut für angewandte Wirtschaftsforschung, die stellvertretende Vorsitzende des ver.di Bundesvorstands, Andrea Kocsis, sowie Lisa Kapteinat, Mitglied des Landtags in NRW und Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und Michaela Evans, Direktorin des Forschungsschwerpunkts Arbeit & Wandel, Institut Arbeit und Technik, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen.
Dr. Andreas Koch wies darauf hin, dass derzeit etwa 77 % der Erwerbstätigen in NRW in der Dienstleistungsbranche tätig sind. Während vor allem einfach manuelle Berufe stark zurückgegangen seien, haben Dienstleistungstätigkeiten stetig zugenommen. Neue Arbeitsplätze seien in den vergangenen Jahren fast ausschließlich in der Dienstleistungsbereich entstanden. Der Strukturwandel beschränke sich allerdings nicht nur auf Veränderungen zwischen Sektoren oder Wirtschaftszweigen, sondern vollziehe auch innerhalb von Wirtschaftszweigen und die Grenzen zwischen diesen Bereichen seien oftmals nicht so scharf wie theoretische Modelle dies suggerierten. Für das Wachstum des Dienstleistungssektors in NRW zeige sich dies beispielsweise daran, dass industrieorientierte Dienstleistungen stark an die vorhandene Industrie anknüpfen.
Michaela Evans forderte, dass es zu einem Umdenken kommen muss, wenn es um Belohnungs- und Beschäftigungspolitik geht. Die grundsätzliche Funktion von Dienstleistungen für die Gesellschaft müsse neu definiert werden. Oftmals, so Evans, sei keine klare Vorstellung mehr davon vorhanden, was Beschäftigte in diesem Bereich überhaupt leisten müssen. Zusätzlich gleichen sich Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in vielen Bereichen zunehmend an, während erhebliche Differenzen in der Entlohnung bestehen. Des Weiteren sei in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitspolitik unbedingt notwendig, dass Mitbestimmung und Beteiligung bei der Gestaltung des digitalen Wandels in den Fokus gerückt werden.
Als besondere Herausforderung betonte auch Andrea Kocsis die gerechte und gute Entlohnung in der Dienstleistungsbrache. Notwendig sei dazu unter anderem die Erhöhung des Mindestlohns, um zu verhindern, dass die Niedriglöhne einen zu hohen Druck auf die besseren Löhne entfalten. Neben der finanziellen Aufwertung der Dienstleistungsberufe müssen im Sinne einer progressiven Dienstleistungspolitik aber auch Maßnahmen in den Blick genommen werden, die Entlastung und bessere Planung für Beschäftigte in der Dienstleistungsbranche ermöglichen. Um die Prekarität am Arbeitsmarkt zu überwinden, sei es erforderlich, so Kocsis, dass konkrete politische Lösungen zum Umgang mit Mini-Jobs, Befristungen, Plattformökonomie und Scheinselbstständigkeit gefunden werden.
Lisa Kapteinat MdL machte deutlich, dass der Transformationsprozess durch dienstleistungspolitische Rahmenrichtlinien wieder mehr gestaltet werden muss. Die Politik dürfe sich insbesondere aus der digitalen Transformation nicht herausziehen, sondern müsse einen Rahmen schaffen, um gute Arbeit und Entlohnung zu gewährleisten. Dazu gehören aus ihrer Sicht u.a. die Nachunternehmerhaftung, bessere Arbeitsschutzgesetze für den Bereich des mobilen Arbeitens und würdige Rahmenbedingungen für den prekären Dienstleistungssektor. Zudem sprach sie sich für eine Erhöhung des Mindestlohns aus. Sie kritisierte die Empfehlungen der Mindestlohnkommission und stellte zur Diskussion, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission noch zeitgerecht seien.