Schuldenbremse Pro und Contra
Die Schuldenbremse ist umstritten. Einerseits wird in ihr eine notwendige Regelung zur Stabilisierung der Staatsfinanzen gesehen, auf der anderen Seite gilt sie vor allem als ein erhebliches Investitionshemmnis. Im Folgenden werden die wichtigsten Argumente dafür und dagegen im Einzelnen analysiert und bewertet.
Generationengerechtigkeit
Es wird argumentiert, dass die Schuldenbremse dafür sorge, dass Bund und Länder maßvoller haushalten müssten, um kommenden Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen. So könnten diese selbstbestimmt entscheiden, wie die Volkswirtschaft zu gestalten sei, ohne dabei Sparmaßnahmen durch die „geerbten“ Schulden diktiert zu bekommen. Allerdings ist dieses Argument aus gesamtwirtschaftlicher Sicht falsch, denn die nächste Generation ist ja nicht nur Schuldner, sondern auch Gläubiger. Sieht man von einer Verschuldung im Ausland ab – die im Falle Deutschlands keine große Rolle spielt –, steht jedem Kredit des Staates auf der anderen Seite ein Gläubiger gegenüber, der bei einer Schuldentilgung sein Darlehen zurückerhält. Im Wirtschaftskreislauf einer Volkswirtschaft ist die Schuldentilgung also „neutral“, es entstehen allenfalls negative Verteilungswirkungen, die durch eine geeignete Sozialpolitik im Grundsatz ausgeglichen werden können. Hinzu kommt, dass bei investiven Staatsausgaben das BIP steigt, wodurch zukünftige Generationen auch eine verbesserte Infrastruktur „erben“. Mit anderen Worten: Über die (schuldenfinanzierten) Investitionen entstehen öffentliche Vermögen, die zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen. Es entsteht dadurch sogar noch eine Multiplikator-Wirkung: Für jeden Euro öffentlicher Investitionen steigt das BIP um 1,3 - 1,8 Euro.
Sicherheit und Vertrauen
Eine übermäßig hohe Verschuldung von Staaten würde zu einer Verunsicherung in der Gesellschaft und bei Unternehmen führen. Staatsanleihen würden gemieden, Firmen und Individuen würden Steuererhöhungen fürchten und nicht länger in die Wirtschaft investieren. Die Schuldenbremse würde deutlich machen, dass sich der Staat an Regeln halten müsse, die Schuldenaufnahme würde begrenzt und damit eine sichere finanzielle Atmosphäre geschaffen.
Auch dieses Argument hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Solange die Verwendung der mit Krediten finanzierten Mittel für die Unternehmen und die Bevölkerung sinnvoll und nachvollziehbar erscheinen – wie dies z. B. bei der Corona Krise sowie angesichts der durch den Ukrainekrieg verursachten Verwerfungen der Fall ist –, tragen diese Maßnahmen im Gegenteil zur Stabilisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bei. Ohne die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen während der Corona Krise wäre es zu zahlreichen Insolvenzen gekommen und die Wirtschaft insgesamt hätte einen Konjunktureinbruch erlitten. Wäre das Gesundheitssystem aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen zusammengebrochen, hätte man nicht nur eine bedeutend höhere Todesrate erlitten, sondern es wäre auch zu massiven negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft gekommen.
Auch zeigte die strenge Austeritätspolitik in Europa nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, dass es in den darauffolgenden Jahren 2012 und 2013 keineswegs zu mehr Vertrauen und einem wirtschaftlichen Aufschwung kam, sondern zu einer Rezession. Erst die geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank mit ihrer Nullzinspolitik kurbelten die Wirtschaft wieder an.
Destabilisierung
Die Schuldenbremse nimmt dem Staat die Fähigkeit, flexibel auf volkswirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren, insbesondere da sie konjunkturelle Schwankungen außer Acht lässt. Sie verschleppt damit wichtige Gegenmaßnahmen in konjunkturell schwierigen Zeiten und trägt in diesen Situationen zum weiteren Abschwung bei. Eine antizyklische Fiskalpolitik zur Dämpfung konjunktureller Ausschläge ist mittlerweile kaum noch umstritten.
Investitionsbremse
Die strenge Sparpolitik verhindert, dass Bund und Länder proaktiv in Infrastruktur, Bildung und Soziales investieren. Die Sparziele sorgen für Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben. Straßen, Schulen und Stadtteilzentren bleiben unsaniert, neue Bildungsprogramme und -angebote werden nicht realisiert. Die Schuldenbremse drosselt wichtige Investitionen in die soziale Infrastruktur Deutschlands und gefährdet Wachstum, Wettbewerb sowie Wohlstand und dadurch auch ein intaktes Gemeinwesen.