Mehrere Jahre wurde für die Verabschiedung des Lieferkettengesetzes gekämpft. Wie man es interpretieren und nutzen kann, zeigen eine Kurzanalyse von Robert Grabosch und unser Video-Interview mit ihm.
Im Juni 2021 war es endlich soweit: mit einer breiten Mehrheit des deutschen Bundestags wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz/LkSG) verabschiedet. Ob das Gesetz mit seinem sperrigen Namen seinen Zweck erfüllt, muss sich in der Praxis erst noch beweisen. Eines ist jedoch klar: Deutschland hat einen Paradigmenwechsel vollzogen. Weg von der Freiwilligkeit, hin zu einer verpflichtenden Unternehmensverantwortung. Auch der Koalitionsvertrag zwischen Grünen, FDP und SPD vom November 2021 enthält deutliche Bekenntnisse zum nationalen Lieferkettengesetz und zu einer künftigen Regulierung auf EU-Ebene.
Doch was gilt es bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu beachten?
Welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken werden abgedeckt? Wie sind bestimmte Begriffe im Gesetz zu interpretieren, wo betritt das Gesetz juristisches Neuland? Und wie sieht eine effektive Durchsetzung des Lieferkettengesetzes aus? Diesen spannenden Fragen widmet sich die unten verlinkte Kurzanalyse von Robert Grabosch und unser Video-Interview mit dem Autor.
Die Analyse unterstreicht: Deutschland leistet einen wichtigen und im internationalen Vergleich besonders ambitionierten Beitrag zum Menschenrechts- und Umweltschutz, sowie zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Neben Frankreich und Norwegen ist Deutschland eines von drei Ländern, die Unternehmen zur Beachtung von Sorgfaltspflichten bezüglich aller Menschenrechte in ihren internationalen Lieferketten verpflichten. Davon geht ein wichtiger Impuls für Debatten zur Regulierung von Sorgfaltspflichten auf EU und UN-Ebene aus.
Auf große Unternehmen kommen wichtige Herausforderungen zu.
Sie müssen sich um die Vermeidung menschenrechtlicher und umweltbezogener Verstöße in ihren globalen Wertschöpfungsketten bemühen, die in zwölf menschenrechtlichen Risiken und drei umweltbezogenenen Risikokomplexen konkretisiert werden. Diese Risiken müssen durch unternehmerische Sorgfalt vermieden werden, regelmäßig zwar nur im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern, anlassbezogen aber auch im Rest der Wertschöpfungskette. Die effektive Durchsetzung des Gesetzes wird durch erhebliche behördliche Kompetenzen gewährleistet. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) prüft Unternehmensberichte, ermittelt und kontrolliert risikobasiert Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten und ist verpflichtet, auf Antrag von in ihren Menschenrechten verletzten Betroffenen einzuschreiten. Es kann dafür auf umfassende Ermittlungsbefugnisse zurückgreifen und bei Verstößen Bußgelder von bis zu 8 Mio. Euro oder 2 % des Jahreskonzernumsatzes verhängen. Bei hohen Bußgeldern können öffentliche Auftraggeber Unternehmen von der öffentlichen Beschaffung ausschließen.
Die Kurzanalyse ist ein Must-Read für alle, die das Lieferkettengesetz durch eine effektive Umsetzung stärken wollen. Hierfür ist nicht nur die Mithilfe von Akteuren in Deutschland gefragt. Gewerkschaften, Unternehmer_innen und Menschenrechtler_innen entlang der gesamten globalen Lieferketten müssen das Gesetz verstehen, umsetzen und monitoren. Daher erscheint die Analyse in Kürze auch auf Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch, zu finden über diese Seite.
Wir freuen uns auf Fragen und Rückmeldung aus der ganzen Welt!
Das Interview führte Tina Blohm.
Über den Autor
Robert Grabosch ist Rechtsanwalt in Berlin und hat den Prozess der Verrechtlichung der gesellschaftlichen Erwartungen an die nachhaltige Unternehmensführung seit der Entwicklung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2011 begleitet. Er stand mehrfach der Bundesregierung und dem Bundestag als Sachverständiger zur Verfügung, berät Unternehmen zum deutschen und zu ausländischen Sorgfaltspflichtengesetzen und bildet Fachkräfte für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in Lieferketten aus.