Landesbüro Nordrhein-Westfalen

Samstag, 25.03.23 13:29 bis Samstag, 25.03.23 13:29 - Moers

Rückblick | Sozial.Öko.Logisch! Transformationswerkstatt am Niederrhein


Terminexport im ICS-Format

Die Klimakrise stellt NRW als Industrieland vor immense Herausforderungen. Damit die sozialökologische Transformation gelingen kann, müssen neue Branchen entstehen, während gleichzeitig auch unbeabsichtigte Effekte, wie der Verlust von Arbeitsplätzen, zu bewältigen sind. Wie die Transformationsprozesse am Niederrhein ökologisch, sozial gerecht, aber auch wirtschaftlich sinnvoll gestaltet werden können, wurde von den Teilnehmenden der Transformationswerkstatt in drei Workshops diskutiert.

Ergebnisse der Workshops

Die Klimakrise stellt NRW als Industrieland vor immense Herausforderungen. Damit die sozialökologische Transformation gelingen kann, müssen neue Branchen entstehen, während gleichzeitig auch unbeabsichtigte Effekte, wie der Verlust von Arbeitsplätzen, zu bewältigen sind. Wie die Transformationsprozesse am Niederrhein ökologisch, sozial gerecht, aber auch wirtschaftlich sinnvoll gestaltet werden können, wurde von den Teilnehmenden der Transformationswerkstatt in drei Workshops diskutiert. Im Fokus standen dabei Fragen rund um die Themen Wandel der Arbeitswelt, Mobilitätswende sowie globale Herausforderungen und regionale Auswirkungen. Die Teilnehmenden präsentierten ihre Handlungsempfehlungen und Visionen einem Fachpublikum aus Politik, Gewerkschaft und Wirtschaft in einem Dragons‘ Den[1]. Zentrale Punkte ihrer Vorträge sowie deren Kommentierung und Einschätzung durch die Expert:innen[2] sind im Folgenden dargestellt.

[1] „Dragons‘ Den“ ist eine britische Fernsehsendung, in der Jungunternehmer:innen innerhalb von wenigen Minuten ihre Geschäftsidee potentiellen Investor:innen vorstellen. Diese kommentieren und bewerten die Ideen. Die Sendung entspricht damit dem Prinzip des deutschen Formats „Die Höhle der Löwen“.

[2] Holger Benninghoff (Kreishandwerkerschaft Wesel), Elke Buttkereit (Ratsmitglied der Stadt Neukirchen-Vluyn), Jürgen Kaiser (Niederrheinische IHK), Réne Schneider (Mitglied des Landtags NRW), Angelika Wagner (DGB Niederrhein).

 

Workshop #1 Arbeitswelt im Wandel

Leitung: Manuela Maschke, freiberuflicher Coach & Autorin

 

In Workshop #1 haben sich die Teilnehmenden mit den zahlreichen Veränderungen der Arbeitswelt befasst. Sie erarbeiteten gemeinsam einen Befund, d.h. den Ist-Zustand, sprachen über die Soll-Situation und machten konkrete Vorschläge, wie dies erreicht werden könnte. Neben dem Fachkräftemangel kritisierten die Teilnehmenden eine unzureichende Infrastruktur für die berufliche Weiterbildung sowie ungerechte Löhne und das Fehlen einer nachhaltigen Tarifpolitik. Zudem seien der soziale Austausch in der Arbeitswelt zu gering und unsichere sowie unzuverlässige Arbeitswege problematisch.
Ziel müsse es demnach werden, den Stellenwert der Ausbildung zu steigern, gute Arbeitsplätze mit Tarifbindung zu schaffen und die Arbeitswelt zu demokratisieren, also Teilhabe zu ermöglichen. Zudem sprachen sie sich dafür aus, Wohnen und Arbeiten stärker zusammenzudenken und Arbeitswege zu verkürzen. Die Gruppe schlug deshalb vor, die Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung massiv zu stärken. Potenziale in den Regionen müssten erkannt und genutzt und ein Industriestandort stärker mit Wohnungsorten verknüpft werden. Auch die Finanzierung dürfe nicht außer Acht gelassen werden, denn die sozialökologische Transformation brauche eine breit aufgestellte Finanzierung im Milliardenbereich. Die Vision der Teilnehmenden: ein Transformationsfond. Und: Mehr junge Menschen in der Kommunalpolitik, die den Wandel gestalten.

Die Ideen der Workshop-Teilnehmenden fanden in der Runde der Dragons großen Anklang. Unterstützt wurden sie unter anderem im Hinblick darauf, dass der Fachkräftemangel das Thema der Zukunft sei. Um dem entgegenzuwirken sei eine gute schulische, Aus- und Weiterbildung der zentrale Baustein. Diese seien mit Forderungen der Arbeitnehmer:innenverbände zu verknüpfen, denn die Bereitschaft zum Ausbilden in den Betrieben sinke. Es brauche außerdem eine Ausbildungsoffensive, mit dem Ziel, dass die Ausbildungsberufe gleichwertig zum Studium anerkannt und entsprechende Löhne gezahlt werden. Eine engere Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten wurde von einigen Expert:innen hingegen kritisch hinterfragt: Ökologisch sei es sinnvoll in der Nähe des Arbeitsortes zu leben und könne im Hinblick auf das Zeitmanagement auch positiv zur Work-Life-Balance beitragen. Nicht vergessen sei allerdings, dass Menschen eine Heimat haben, aus der sie nicht wegziehen möchten. Zudem mache auch der knappe Wohnraum in den Städten, der für viele Menschen unbezahlbar ist, Pendeln ebenfalls erforderlich. Außerdem habe sich die Erwerbsbiografie vieler verändert: während früher viele Menschen ein Leben lang beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt waren, sei dies heute weniger üblich, sodass ein dauerhafter Lebensmittelpunkt in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz noch schwerer zu realisieren sei.

 

Workshop #2 Mobilität und Energie – öffentliche Mitunternehmerschaft

Leitung: Alexander Götz, Verband Kommunaler Unternehmen

 

In Workshop #2 lag der Fokus auf der Möglichkeit von Land und Kommunen, sich als Mitunternehmer:innen an Projekten mit öffentlichem Interesse zu beteiligen. Die Teilnehmenden stellten gleich zu Beginn heraus, dass mit öffentlichen Mitteln äußerst sorgsam umzugehen sei und keine schädliche Konkurrenz zu ansässigen Betrieben entstehen dürfe. Mitunternehmerschaft heiße deshalb auch explizit nicht anstelle, sondern gemeinsam im Rahmen einer Partnerschaft zu agieren. Die Gruppen identifizierte verschiedene Projektbereiche: Quartiersbezogene klimaneutrale Energie- und Wärmekonzepte, bei denen die öffentliche Hand vorübergehend unterstützend tätig ist; Leerstandsmanagement und der Innenstadtrevitalisierung, um Prozesse zu beschleunigen bis eine selbstständige Trägerschaft aufgebaut ist; Unterstützung von Verkehrs- und Standorterschließungen und -verlagerungen in Form von kommunikativen Partnerschaften; Ausbau der erneuerbaren Energien, bei denen nicht nur gefördert, sondern auch Stadtwerke usw. beteiligt werden. Grundsätzlich sahen die Teilnehmenden das Konzept der Mitunternehmerschaft als geeignet, um die Kommunikationen und Zusammenarbeit zwischen den Kommunen in einer Region wie dem Niederrhein zu stärken.

Diese Visionen wurden von den Dragons mehrheitlich kritisch betrachtet: Der Staat sei nicht der bessere Unternehmer, sodass eine unternehmerische Kooperation nicht auf Augenhöhe stattfinden könne. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Wirtschaft eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand nur bei weniger lukrativen, also defizitären, Projekten eingehen würde. Die Kommunen dürften hier nicht zum „Lückenbüßer“ werden. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass viele der Forderungen bereits ohne öffentliche Beteilung umgesetzt würden. So gebe es in den meisten Kommunen bereits ein Quartiersmanagement sowie erfolgreiche Kooperationen zwischen Kommunen. Zudem gebe ihre finanzielle Ausstattung eine unternehmerische Beteiligung nicht her. Als vielversprechender schätzten die Expert:innen deshalb genossenschaftliche Modelle ein, wie sie z.B. bereits in einigen Bundesländern bei Windparks bestehen. Ziel müsse sein, die Menschen als Expert:innen ihrer Lebenswelt als Bewohner:in, Arbeitnehmer:in etc. in die Prozesse einzubeziehen. Die Aufgabe des öffentlichen Bereichs sahen sie eher darin, die Weichen für eine schnelle Transformation zu legen, indem Bürokratie abgebaut und die Unternehmen schnelle, flexible Lösungen erhielten.

 

Workshop #4 Globale Herausforderungen und regionale Auswirkungen

Leitung: Claudia Detsch, Kompetenzzentrum Klima und soziale Gerechtigkeit der FES

 

Das Wechselspiel von Ereignissen, Entscheidungen und Auswirkungen von globaler und lokaler Ebene war das Thema in Workshop #3. Als entscheidende Ebene identifizierten die Teilnehmenden die Europäische Union, welche insgesamt souveräner und unabhängiger werden müsse – gerade hinsichtlich einer (grünen) Energieversorgung. Die Auswirkungen globaler Herausforderungen auf den Niederrhein müssten zudem verständlich und transparent in der Region besprochen und für die Menschen greifbarer werden. Denn: an vielen Stellen fehle das Verständnis und vor allem im digitalen Raum kursierten viele Falschinformationen. So sollten bpsw. Expert:innen nicht nur im Fernsehen im Politiktalk zu sehen sein, sondern auch in die Dorfkneipe kommen. Zudem müsse die Zielgruppe erweitert werden. Mit Blick auf die jüngere Generation dürfe bspw. nicht der Fehler gemacht werden, nur an Gymnasien die Gruppen zu gewinnen, die sich aufgrund ihrer sozioökonomischen Ressourcen ohnehin eher aktiv eine Meinung bilden. Als weiterer großer Baustein wurde der Ausbau der sozialökonomischen Marktwirtschaft ausgemacht. Denn der Markt regle eben nicht alles, sodass eine planerische Herangehensweise unausweichlich sei.

Die Dragons unterstützen die Ansicht, eine Herangehensweise auf Europäischer Ebene sei zielführend, entschieden. Alle besprochenen Herausforderungen könnten nicht allein auf nationaler Ebene gelöst werden, wie u.a. durch gebrochene Lieferketten während der Corona-Pandemie oder durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich werde. Ziel müsse daher sein, die europäische Integration auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene voranzutreiben. Als ebenso zentral unterschützen die Dragons die Vision, mehr Solidarität und Verständnis auf lokaler Ebene herzustellen. Sich kommunalpolitisch einzusetzen und auch Erfolge zu erzielen sei dabei unabdingbar, denn die Menschen müssten wieder mehr Selbstwirksamkeit erfahren. Dazu gehöre auch, die Demokratie wieder in die Schulen zu bringen, um junge Menschen am Niederrhein für die Mitgestaltung zu gewinnen.

 

Die Ergebnisse der Workshops zeigen die Vielschichtigkeit einer sozialökologischen Transformation auf. Der Workshop #3 „Grüner Wasserstoff – Energieträger der Zukunft?“ musste leider ausfallen, trotzdem wurden Problemlagen benannt, Visionen gesponnen sowie konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Gewerkschaft und Wirtschaft entwickelt. Diese Herausforderungen benötigen eine gemeinsame Diskussion auf Augenhöhe. Dazu hat die Transformationswerkstatt am Niederrhein wichtige Impulse liefern können.

 


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