KommunalAkademie

Thilo Schöne

Welches Leitbild des Zusammenlebens wollen wir in Zukunft?

Multikulturell, homogen oder irgendetwas dazwischen - wie definiert sich das deutsche Selbstverständnis in unserer vielfältigen Gesellschaft?

Bild: Bild: © Heike Wächter

„Die Leute, die glauben, dass du nur deutsch bist, wenn du aus dem richtigen Teil der Welt kommst, wird es immer geben“, fügt Hayyan hinzu. „Ich treffe sie ja selber jeden Tag – hier in Berlin weniger als auf dem Land, aber sie sind da“.

In Zeiten der globalen Wanderbewegungen, wo nationale Grenzen immer durchlässiger werden, stellt sich auch für das Einwanderungsland Deutschland die Frage nach einem geeigneten Leitbild des Zusammenlebens in einer vielfältigen Gesellschaft. Die Bemerkung, die der AfD-Vizepräsident Alexander Gauland kürzlich über den Fußballstar Jerome Boateng machte, traf einen scheinbar wunden Punkt unserer Gesellschaft und ließ die kontroverse Debatte über deutsche Identität und Zugehörigkeit abermals aufleben. Auch wenn die Empörung über Gauland und die Solidarität mit Boateng groß waren, sind der Alltagsrassismus und die Diskriminierung von Mitbürger_innen mit nicht-deutschen Wurzeln nicht von der Hand zu weisen. Bei der Frage, wer zu Deutschland „gehört“ und wer nicht, und was denn nun genau „deutsch“ ist, stehen sich die Lager zum Teil unversöhnlich gegenüber.

 

Deutschland 2026: Szenarien der Einwanderungsgesellschaft

Einmal mehr wagt die Friedrich-Ebert-Stiftung einen Blick in Deutschlands Zukunft. Wir haben drei Szenarien für das Einwanderungsland Deutschland im Jahr 2026 entwickelt. Dieses Mal standen die Fragen im Vordergrund, wie sich das deutsche Selbstverständnis wandeln wird und welche Auswirkungen dies für das gesellschaftliche Miteinander und die Politik haben könnte.

 

# 1 Deutschland Multikulti - Wir haben es geschafft!

Eine Schulleiterin mit Kopftuch, Türkisch und Arabisch als abiturrelevante Fächer und das Besitzen mehrerer Staatsbürgerschaften sind im ersten Zukunftsszenario zur Normalität in Deutschland geworden. Es zeichnet ein Land, in dem die verschiedenen Kulturen und Religionen in gleichberechtigtem Dialog miteinander stehen und einen selbstverständlichen Teil der deutschen Identität ausmachen. Daran können auch die rechtspopulistischen Strömungen, die mittlerweile an Einfluss verloren haben, nicht viel ändern. Die politische Diskussion geht sogar so weit, kulturelle Vielfalt als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Deutschlands Leitbild für das Zusammenleben ist bunt und die deutsche Identität wird nicht mehr an der ethnischen Abstammung festgemacht. So kann jeder seinen Platz in der deutschen Gesellschaft finden!

 

# 2 Homogenes Deutschland - Ein deutsches Versprechen

Sich anpassen anstatt durch „anderssein“ aufzufallen - das wird den Einwanderern im zweiten Szenario empfohlen, nachdem die einstige Willkommenskultur in eine diffuse Angst vor den neuen Mitbürger_innen umschlug. Um die deutsche Identität zu wahren, werden Einwanderer im sogenannten „Integrationsvertrag“ dazu verpflichtet, sich der deutschen Leitkultur anzupassen, der deutschen Sprache zu ermächtigen und Religion ausschließlich privat zu leben. So soll gewährleistet werden, dass die „deutsche“ Identität erhalten bleibt. Dies führt dazu, dass sich der aus Eritrea stammende Tesfay lieber Theo nennt und der Syrer Amir für das Fasten während des Ramadan Spott und Argwohn erntet. Zwar haben Theo und Amir in Deutschland Arbeit, Bildung und Sicherheit, jedoch müssen sie im Gegenzug einen Teil ihrer eigenen Identität aufgeben.

 

# 3 Deutschland zwischen Multikulti und Fremdenfeindlichkeit

Kann es wirklich „deutsch“ sein, anstatt Weihnachten das Ramadanfest zu feiern? Wieso hat man als deutscher Bürger mit „anders“ klingendem Namen immer noch nicht die gleichen Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt? Und könnte ein gebildeter, säkularer Muslim wie Navid Kermani jemals Bundespräsident werden? Das dritte Szenario beschreibt ein Deutschland, das auch in zehn Jahren noch vor ähnlichen Fragen steht wie heute. Die Geschichte von zwei Geschwistern aus Syrien, die sich ihren Erfolgsweg in der deutschen Gesellschaft hart erkämpften, erzählt von einem Land, das seiner Multikulturalität in großen Teilen immer noch skeptisch gegenüber steht. Folglich wird auch die deutsche Identität jenseits der Großstädte eher exklusiv und in Abgrenzung zum vermeintlichen „Anderen“ gelebt.

 

Kontakt: Felix Eikenberg, Projektverantwortlicher "Die Praxis der Einwanderungsgesellschaft", Arbeitsbereich Integration und Teilhabe

 

Welches Leitbild des Zusammenlebens wollen wir?

Berlin, 2016

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