Rechtspopulistische Parolen und Anfeindung sind trauriger Bestandteil der Auseinandersetzungen im Bundestag geworden und machen auch vor Kommunal- und Landesparlamenten keinen Halt. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen sind seither entstanden und auch parteipolitische Vereinigungen machen sich den Kampf gegen Hass und Ausgrenzung zur Aufgabe. Was tun, wenn auch Sie betroffen sind? Wir haben ein „First Aid Kit“ zusammengestellt, dass Kommunalpolitiker_innen mit den richtigen Instrumenten ausstattet.
Rechtspopulistische und zuweil rechtsradikale Kräfte sind mittlerweile in zahlreichen Kommunalparlamenten vertreten. Die Tatsache allein führt bei vielen Parlamentarier_innen zu starker Verunsicherung, denn häufig sind gerade rechtspopulistische Parteien auf den unteren Ebenen heterogener aufgestellt und damit auch abhängiger von ihren jeweiligen Mandatsträger_innen. Letztere waren nicht selten zuvor in anderen Parteien aktiv, sodass auch der persönliche Umgang zur Herausforderung wird.
Zur Wahrheit gehört auch, dass gerade aktive Kommunalpolitiker_innen häufig Ziel rechter Anfeindungen sind und, im Gegensatz zu ihren landes- und bundespolitischen Kolleg_innen, meist ohne die notwendige mediale Aufmerksamkeit verbleiben. Eine wenige Beispiele, die es über die lokale Berichterstattung hinaus geschafft haben zeigen, wie massiv der Druck geworden ist: Persönliche Anfeindungen scheinen zu oft in praktische Gewalt umzuschlagen.
Ob Unfähigkeit oder Unwille, in einigen Kommunalparlamenten stellen sich rechte Politiker_innen gegen eine sachorientierte Parlamentsarbeit und verhindern damit wichtige parlamentarische Prozesse.
Das Spektrum rechtspopulistischer, rechtsnationalistischer oder gar rechtsextremer Parteien ist in der Vergangenheit immer diverser geworden. Auf kommunalpolitischer Ebene führt das nicht nur zur Notwendigkeit einer immer intensiveren inhaltlichen Analyse etwaiger Positionen, sondern auch zu mehr Verständigungsbedarf zwischen den verbleibenden demokratischen Parteien: Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Rechtsextremismus und seinen zentralen ideologischen Inhalten – allen voran seinen typischen Termini – hilft, eine konkrete Problemanalyse für die eigene Kommune zu formulieren. Wo gibt es also Handlungsbedarf? Sind es rechte Szenekneipen oder Ehrenamtliche mit einer rechtsradikalen Vergangenheit? Das Aushandeln eines gemeinsamen Verständnisses ist grundlegend für eine effektive Auseinandersetzung und die Aufrechterhaltung der Arbeit im Rat.
Transparenz, klare Kante und ein wenig stoische Zielstrebigkeit
Politische Debatten werden von rechtspopulistischen Parteien nicht selten genutzt, um debattenfremde Themen zu platzieren. Diese Strategie wird gemeinhin als „What-Aboutism“ bezeichnet: Eigentlich zu verhandelnde Themen werden dabei nicht nur in einen fachfremden Kontext gestellt, sondern rücken generell in den Hintergrund. Die eigentlichen Argumente der Parlamentarier_innen werden dabei diskreditiert. Auch auf kommunaler Ebene heißt es dann: Ruhig Blut! Es gilt diese Form der Ablenkung offenzulegen und zu benennen und den Fokus auf das eigentliche Thema einzufordern. Ähnliches bewährt sich für das sogenannte „Themen-Hopping“: Hier hilft auf die Priorisierung eines Themas zu pochen.
Meinungsfreiheit vs. Widerspruchsfreiheit
Klare Kante bei rassistischen Äußerungen und Diskriminierung: Die eigene Gegenrede kann immer auch als Konsequenz einer demokratischen und vor allem humanistischen Grundhaltung formuliert werden. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut der hiesigen Demokratie und muss bewahrt werden. Meinungen zu widersprechen gehört aber im selben Maß dazu. Dabei hilft es häufig, den eigenen Widerspruch nicht nur persönlich, sondern auch politisch zu begründen: Welche Konsequenzen hätten entsprechende rechtspopulistische Forderungen im Hinblick auf die Menschenrechte oder das Grundgesetz?
„Opt-out“ und Diskussionsabbruch
Grenzüberschreitungen oder persönliche Bedrohungen sind gute Gründe, jegliche Diskussion zu beenden. Es gilt, den Gesprächsabbruch zu begründen und vor allem auch nach außen zu kommunizieren. Nur zu leicht begeben sich Rechtspopulist_innen in die „Opferrolle“, wenn nicht klar und deutlich erklärt wird, aus welchen Gründen kein Gespräch mehr möglich ist.
„Öffentlichkeitsarbeit“ in den Sozialen Medien: Pöbeln bringt Reichweite!
Rechtspopulistische Parteien setzen auf populistische Inszenierungen statt auf Gremienarbeit. Deutlich wird das in dem sich unterscheidenden Verhalten von öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungen. Häufig inszenieren sie sich auf kommunaler Ebene als Anwalt der „kleinen Leute“ und fordert vielfach finanzielle Streichungen, wenn Gelder ihrer Meinung nach „gegen deutsche Interessen“ ausgegeben werden: Das betrifft vor allem die Bereiche Asyl, Migration, Jugendhilfe, Frauen- und Gleichstellungsförderung.
Strategisch und bislang durchaus erfolgreich nutzen Rechtspopulist_innen die Sozialen Medien auch auf kommunaler Ebene. Dabei scheint die Dominanz auf den ersten Blick erdrückend: Die unmittelbare Vernetzung der eigenen Community und das Verständnis der Funktionsweise Sozialer Medien als „Push-Medien“ (Likes bringen Reichweite!) führen zu einer medialen Asymmetrie: Tabubrüche und Hasskommentare werden auch häufig dann geliked, geteilt oder retweeted, wenn die Absender_innen genau gegensätzlicher Ansicht sind. Dass die Strategie trotzdem aufgeht, zeigen verschiedene Statistiken.
Warum den Spieß nicht umdrehen? Auch auf kommunalpolitischer Ebene können Soziale Medien positiv genutzt werden. Das Vernetzen und Austauschen mit anderen Ortvereinen hilft, eigene Inhalte besser zu platzieren und für den Fall eines „rechten Shitstorm“ gewappnet zu sein. Mehr zum Umgang mit digitalem Hass bietet die Plattform „HateAid“.
Wenn aus Rechtspopulismus Rechtsextremismus wird: Was tun, wenn Drohungen gegen Leib und Leben ausgesprochen werden?
Feindeslisten, Outingplakate, Sachbeschädigung und Dominanzgebaren im öffentlichen Raum sind die demokratiefeindlichen Handlungsoptionen im Handbuch der Rechtsextremen. Hier hilft keine Diskussion, kein Argument, kein stoisches Abwarten – hier gilt: Hilfe suchen! Sollten Sie sich persönlich bedroht fühlen, kann der Antrag auf eine Adresssperrung ein erster Schritt sein. Kommt es zu konkreten Tatandrohungen sind Polizei und Justiz gefragt. Mehr konkrete Hinweise finden Sie hier in der Broschüre der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr).
Auch Hasskommentare im Netz können zur Anzeige gebracht werden und es gibt mittlerweile ermutigende rechtskräftige Urteile. Der Rechtsstaat hat sich gerade erst auf den Weg gemacht ins digitale Zeitalter.
Wir sind wirklich mehr!
„Und, wo bleibt das Positive?“, so das Gedicht eines bekannten deutschen Schriftstellers, der die Folgen des Rechtsradikalismus des 20. Jahrhunderts massiv zu spüren bekam. Für die Frage nach dem heutigen Umgang mit rechtspopulistischen oder gar rechtsextremistischen Strömungen muss ein positiver Aspekt immer wieder in den Vordergrund gerückt werden: Bei der Bundestagswalhl 2017 votierten über 12% der Wahlberechtigten für Vertreter_innen rechter Parteien und über 2.000 kommunalpolitische Abgeordnete fühlen sich ihnen zugehörig. Das sind knapp sechs Millionen Menschen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass der Großteil der Bundesbürger_innen die Errungenschaften der liberalen Demokratie schätzt und verteidigt.
Diese Mehrheiten zu benennen und aus einer Position der Stärke heraus zu agieren ist sowohl für die öffentliche Kommunikation als auch für die direkte Auseinandersetzung mit alten und neuen "Rechtsaußen-Kräften" geboten.
Dieser Text wurde unter Zuhilfenahme der Informationsangebote der Amadeu Antonio Stiftung und der Mobilen Beratung Berlin (mbr) erstellt.
PS: Der berühmte deutsche Schrifsteller ist natürlich Erich Kästner.
Autorin: Ann-Mareike Bauschmann
Weitere Beiträge aus dem Blog der KommunalAkademie finden Sie hierKommunalAkademie Blog