Veränderungsmanagement

Ein Interview mit Frank Wippermann

Frank Wippermann ist als Trainer und Berater international tätig. Der geschäftsführende Gesellschafter der flow consulting gmbh unterstützt Organisationen bei der Durchführung komplexer Veränderungen und beim Umsetzen strategischer Neuerungen. Er konzipierte den theoretischen Hintergrund des flow-Konzeptes der ‚Iterativen Beratung’ und entwickelte dazu neue praktische Beratungs- und Trainingsmethoden. Er ist u.a. Autor des MuP-Trainingsbuches Veränderungsmanagement.

MuP: Herr Wippermann, kurz und knapp gefragt: Was ist eigentlich Veränderungs-/ Change Management und warum ist das überhaupt ein Thema für NPOs?
Wippermann: Veränderungen sind weit mehr als nur ein „kleines“ Projekt. Bei Veränderungen geht es um einen Wandel, sowohl in der Ausrichtung der Organisation, in den Abläufen und Hierarchien als auch in der Art und Weise des Miteinanders – kurz: Um einen Wandel von Strategie, Struktur und Kultur. Und weil sich sowohl die äußeren Bedingungen von NPOs ändern (Zuwendungsrichtlinien, SGB, Qualitätsmanagement, usw.) als auch die Anforderungen innerhalb der Organisation (Beteiligung der Beschäftigten, flache Hierarchien, neue Angebote, usw.), kommen Veränderungen auf jede NPO zu. Fragt sich, wie professionell die mit einer neuen Brise umgeht.

MuP: Was sind die typischen Problemlagen/Besonderheiten in NPOs beim Durchlaufen von Veränderungsprozessen?
Wippermann: Die Interessenlagen sind verschieden und gleichermaßen legitim. Die Mitglieder wollen einfach nur den unmittelbar für sie erlebbaren Nutzen garantiert sehen (und dabei ist es ihnen häufig egal, ob dazu Veränderungen notwendig sind oder nicht) – die Hauptamtlichen wollen die Organisation effizient und effektiver machen (und damit auch ihren eigenen Arbeitsplatz sichern) – und die Ehrenamtlichen wollen die endgültige Entscheidung über den zu verändernden „Geist der Organisation“ treffen. Dumm nur, dass die meisten Informationen diejenigen haben, die am Ende am wenigsten entscheiden dürfen: die Hauptamtlichen.

MuP: Sie sind der Meinung, dass lineare, einfach Modelle des Change Managements in der heutigen Zeit allein nicht mehr ausreichen. Woran liegt das und wie können Change Prozesse in einer immer komplexeren Umgebung und mit sich wandelnden Realitäten in NPOs erfolgreich gestaltet werden?
Wippermann: Zielfixierte, terminierte und organisatorisch begrenzte Veränderungen lassen sich weiterhin gut im klassischen Phasenmodell planen und steuern. Diese Phasenmodelle geben Sicherheit, da die zu durchlaufenden Phasen (beispielsweise Schock, Abwehr, Neugier, Erkenntnis, Akzeptanz, Konsolidierung) sowohl prognostizierbar als auch unumgänglich erscheinen. In stabilen Situationen trifft das zumeist auch zu. Doch in komplexen Situationen – und die werden mehr – passt dieses lineare Denken, Planen und Handeln nicht mehr.

Eine Situation ist umso komplexer, je mehr Akteure und Themen eine Rolle spielen, je mehr diese in sich verändernden Beziehungen zueinander stehen und je mehr ungeplante (Zwischen-) Ergebnisse entstehen, deren Ursachen nicht kausal erklärbar sind. In solchen Fällen sollte „iterativ“ vorgegangen werden: (a) nur in kurzen Fristen planen (in der Praxis sind das häufig bis zu vier Wochen) und während dieser Zeit den „Mini-Plan“ ungestört abarbeiten, – (b) die nächste Planung auf den konkreten Erfahrungen der vorangegangen Schritte aufbauen und so auf Überraschendes reagieren, – (c) den Plan an die Arbeit anpassen (nicht umgekehrt!), – (d) den leistbaren Verlust zum Maßstab des Ressourceneinsatzes machen und nicht den erhofften Gewinn (denn der wird in komplexen Situationen eher nicht realisiert), und – (e) immer wieder die Themen „Unklarheit abbauen“, „Akzeptanz schaffen“, „Wirksamkeit erzeugen“ und „Routinen etablieren“ miteinander verzahnt angehen. Denn in komplexen Veränderungsvorhaben tauchen diese Themen ständig in neuer Form auf und können nicht als eine erledigte Phase abgehakt werden.

MuP: Wie können sich NPO-Verantwortliche auf die sich wandelnden Rahmenbedingungen und Gegebenheiten innerhalb von Veränderungs- prozessen einstellen und welche Haltung brauchen sie um Veränderungs-prozesse erfolgreich durchzuführen?
Wippermann: (a) Nicht zu viel versprechen – (b) achtsam sein, welche derjenigen Interessen oder Themen bald eine Rolle spielen können, die aktuell nicht auf der Tagesordnung der Veränderung stehen – (c) den bearbeitenden Teams die anstehende Arbeit für einen überschaubaren Zeitraum in Ruhe ausführen lassen und sie dabei gegen Einflüsse (v.a. Zeitdruck, Ressourcenkürzung, Zieländerung) schützen – (d) auftretende Änderungen der Anforderungen erst danach wirksam werden lassen – (e) je komplexer die Situation, umso kleiner die Schritte.

Was die Haltung angeht, so sollten Führungskräfte Veränderungsmanagement als einen ständigen Versuch ansehen, sich vorläufig (!) zurechtzufinden. Es geht nicht darum, Komplexität zu reduzieren oder zu beherrschen, sondern mit ihr angemessen umzugehen – heißt: sie als Phänomen zu akzeptieren. Und statt eine „Best Practice“ mit dem ihr innewohnenden Absolutheitsanspruch anzustreben, reicht es aus, eine „Good Practice“ für jeweils diese Organisation mit diesen Menschen an diesem Ort zu dieser Zeit hervorzubringen.

MuP: Fakt ist: Veränderungen führen auch immer zu Widerständen. Wie kann man gerade auch in der NPO am besten Akzeptanz für Veränderungsprozesse erreichen und möglichst Viele mitnehmen?
Wippermann: Wer Widerstand als einen Störfaktor bei der Erreichung eines unverrückbaren Zieles ansieht, hat selbstverständlich damit Schwierigkeiten – und zwar persönliche. In komplexem Umfeld kann es gut sein, dass andere Interessen, Werte oder Motive (oder schlichtweg eine andere Einschätzung der „Sach“-Lage) auftauchen. Immer häufiger tritt die Situation ein, dass ich nicht richtig liege und folglich an Einfluss als „Nur-Ich“-Führung verliere – deshalb und trotzdem gestalte ich das oben beschriebene iterative Vorgehen weiter. Denn damit führe ich, nicht mit dem Festhalten an einem immer mühsamer zu erreichenden Ziel.

MuP: Nennen Sie uns doch bitte zum Schluss drei Aspekte, die man als Verantwortliche/r tun sollte, um einen Veränderungsprozess auf alle Fälle zum Scheitern zu bringen.
Wippermann: Das Gegenteil von: (1) Anpassung des Plans an die Arbeit, (2) Freiräume schaffen, (3) Vertrauen durch Praxis herstellen.

Bonn, 2014

nach oben