Überschuldung

Überschuldung – Definition

Schulden umfassen sämtliche Verbindlichkeiten, die mit einer Zahlungspflicht einhergehen. Ob ein Konto überzogen, Geld geliehen oder eine Ware auf Kredit gekauft wird – all diese Szenarien führen zu zahlungspflichtigen Verbindlichkeiten der in Schuld stehenden Person gegenüber Gläubiger_innen. Alle Wirtschaftssubjekte können sich verschulden, sowohl Privathaushalte als auch öffentliche Haushalte und Betriebe.

 

Von einer Überschuldung ist die Rede, wenn ein_e Schuldner_in nicht länger in der Lage ist, die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken – weder aus seinem Vermögen noch aus erwarteten Einnahmen. Mögliche Ursachen dafür können sein:

 

  • Einnahmenrückgänge
    Bei Privatpersonen können beispielsweise Krankheit, Sucht, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Scheidung oder ähnliche Szenarien das Einkommen erheblich reduzieren. Bei Unternehmen können Umsatzeinbrüche, Fehlinvestitionen und andere betriebliche Probleme zu Einnahmerückgängen führen. Das geringere Einkommen steht dann einer gleichbleibenden oder gar steigenden Verschuldung gegenüber.
  • Vermögensverfall
    Verlieren Wertpapiere, Immobilien oder Vermögensformen an Wert, können die Schulden ein ursprünglich größeres Vermögen übersteigen. Zudem bleiben potenziell erwartete Renditen aus, was das Einkommen schmälert.
  • Anwachsende Schulden
    Nicht immer wird eine Überschuldung durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst. Auch die fortlaufende Aufnahme neuer Kredite und die sich anhäufenden Zinszahlungen können dafür sorgen, dass die Einnahmen nicht länger die Verbindlichkeiten decken. Besonders problematisch sind hierbei Zinseszinsen und Säumnisgelder, die rasch zum exponentiellen Wachstum von Schulden führen.

 

Überschuldung bei Unternehmen, Privatpersonen und öffentlichen Haushalten

Eine Verschuldung ist grundsätzlich nicht problematisch. So müssen beispielsweise viele Privatpersonen im Laufe ihres Lebens einen Kredit für den Hausbau aufnehmen, Unternehmen nutzen Fremdkapital zur Expansion und auch die öffentlichen Haushalte finanzieren Zukunftsinvestitionen mithilfe von Krediten. Solange Schuldner_innen ihrer Zahlungspflicht nachkommen und mit Vermögen und Einnahmen den sogenannten Schuldendienst erfüllen, gelten sie nicht als überschuldet.

 

Ist dies nicht der Fall und kann die in Schuld stehende Person die Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen, liegt eine Überschuldung vor. Nicht immer bedeutet eine Überschuldung, dass sich daraus bereits eine Zahlungsunfähigkeit ergibt. Liegt sie jedoch akut vor oder droht bereits einzutreten, wird dies als Insolvenz bezeichnet. Dabei ist auch zwischen Illiquidität und Insolvenz zu unterscheiden. Bei einer Illiquidität kann ein Unternehmen (oder ein Staat) seine kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen. Häufig – aber nicht immer zwingend – führt Illiquidität zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Kann ein Staat fällige Forderungen nicht mehr erfüllen, ist entsprechend von einer Staatsinsolvenz oder einem Staatsbankrott die Rede, im Fall von überschuldeten Privatpersonen spricht man wiederum von einer Verbraucher_inneninsolvenz.

 

Unternehmen, Freiberufler_innen und Privatpersonen haben je nach Insolvenzgrund eine Berechtigung oder sogar Verpflichtung, einen Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht zu stellen. Gesetzesgrundlage bildet die Insolvenzordnung (InsO), in welcher auch die Überschuldung (§ 19) als Eröffnungsgrund aufgeführt wird. Zweck eines Insolvenzverfahrens ist es, für einen gerechten Ausgleich zwischen allen Gläubiger_innen und Schuldner_innen zu sorgen.

 

Private Überschuldung und Verbraucherinsolvenz

Die private Überschuldung ist in Deutschland ein großes sozialpolitisches Problem. In einer Studie von 2021 zur privaten Überschuldung in Deutschland wird das Problem näher beschrieben. Nach Angaben des Schuldneratlas von Creditreform waren im Jahr 2019 insgesamt 6,92 Millionen Menschen von „hoher Überschuldungsintensität“ betroffen. Das Gesamtschuldenvolumen beträgt 202 Milliarden Euro.

 

Zudem wurden laut der Bundeszentrale für politische Bildung 2019 insgesamt 62.500 Anträge auf Einleitung eines Privatinsolvenzverfahrens gestellt. Als Insolvenzgrund nannten die Befragten:

 

  1. „Arbeitslosigkeit“ (19,9 Prozent)
  2. „Erkrankung, Sucht, Unfall“ (16,3 Prozent)
  3. „Unwirtschaftliche Haushaltsführung“ (14,3 Prozent)

 

In Folge der Covid-19-Pandemie nimmt die Zahl der überschuldeten Privathaushalte weiter zu. In einer Umfrage gaben insgesamt 29,5 Prozent aller Befragten an, dass sich ihre finanzielle Situation durch die Auswirkungen der Pandemie verschlechtert habe. Betroffen sind insbesondere Menschen in prekären Beschäftigungen, Personen in Ausbildung und Selbstständige. Die hohen Energiepreise bilden eine weitere schwere Belastung für die unteren Einkommensschichten. Dies soll durch den „Energiepreisdeckel“ abgemildert werden.

 

Über das Verbraucherinsolvenzverfahren und eine mögliche Restschuldbefreiung informiert das Bundesministerium der Justiz.

 

Überschuldung und Insolvenz von Unternehmen

Auch Unternehmen gelten als überschuldet, wenn ihr Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und eine Fortführung in den nächsten zwölf Monaten als unwahrscheinlich gilt (Insolvenzordnung (InsO) § 19 Überschuldung).

 

Um dies festzustellen, wird in der Regel das Vermögen den Schulden gegenübergestellt. Übersteigen Letztere das Vermögen, liegt das Eigenkapital im negativen Bereich und das Unternehmen ist überschuldet. Ob zugleich auch von einer Insolvenz gesprochen werden kann, hängt jedoch von der prognostizierten Entwicklung und damit von einer möglichen Bewältigung der Schuldenlast ab.

 

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) wurden im Jahr 2021 13.993 Unternehmensinsolvenzen beantragt. Seit 2009 ist diese Anzahl durchgängig rückläufig. Damals gingen 32.687 Firmen insolvent.

 

Obgleich dieser Wert gesunken ist, muss beachtet werden, dass zahlreiche Unternehmen von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie betroffen sind. Die verhältnismäßig geringe Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2021 ist daher mutmaßlich auf das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) zurückzuführen. Dieses befreit Betriebe und unternehmerisch tätige Personen bei pandemiebedingter Insolvenz von der Insolvenzantragspflicht und räumt ihnen die Möglichkeit ein, „sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren und zu finanzieren“ (Bundesfinanzministerium 2020).

 

Staatsinsolvenz – wann ist ein Staat überschuldet?

Anders als ein Unternehmen kann ein Staat streng genommen nicht insolvent werden. Ein Staat lässt sich nicht liquidieren und es wäre absurd sich vorzustellen, ein_e Gläubiger_in wäre in der Lage, einen Insolvenzantrag gegenüber einem Staat zu stellen. Aber historisch gesehen gab es seit Jahrhunderten häufig Fälle, in denen Staaten ihre Schulden nicht mehr bedient haben. Ein prominentes Beispiel war Argentinien im Jahre 2001.

 

Aufgrund der komplexen Dynamik von Volkswirtschaften und Finanzmärkten lässt sich eine Überschuldung von Staaten nicht einfach durch die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden diagnostizieren. Bis zur vermeintlichen Insolvenz und Zahlungsunfähigkeit wird daher meist der Begriff der Staatsverschuldung gebraucht, der im Glossar zu „Schulden in Deutschland“ genauer beleuchtet wird.

 

Nahezu alle Staaten der Welt sind verschuldet. Liechtenstein ist als einziger Staat in Europa schuldenfrei. Verglichen mit dem Regelfall der Verschuldung von Staaten ist eine Überschuldung eher die Ausnahme. Von einer expliziten Überschuldung wurde in der Eurozone beispielsweise nur bei den Mitgliedstaaten Griechenland und Irland gesprochen.

 

Wann jedoch ein Staat als überschuldet gilt, ist schwierig auszumachen. So ist beispielsweise die Schuldenquote allein kein verlässlicher Indikator. Laut Datenbank des International Money Fund (IMF) hatte Griechenland im Jahr 2010 Schulden in Höhe von circa 147 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), hingegen betrug die Schuldenquote von Spanien, das ebenfalls als gefährdet galt, nur etwa 60,5 Prozent des BIP. Selbst Japan, dessen Schuldenquote im Jahr 2022 rund 257 Prozent des BIP betrug, gilt bislang ebenfalls nicht als überschuldet oder gar insolvent.

 

Prof. Dr. Jan Priewe erklärt im Wirtschaftsdienst, es gebe „keine eindeutige kritische Grenze der Schuldenquote […], jenseits derer staatliche Insolvenz droht oder das Wirtschaftswachstum nachlässt“.

 

Die Notwendigkeit zum Sparen allein anhand der Maastricht-Kriterien abzuleiten, scheint daher eine eindimensionale Betrachtung. Laut Priewe erzwingt sie „mitunter jahrzehntelange fiskalische Austerität in Ländern mit hohem Schuldenstand“ – und verhindert damit in konjunkturell schwachen Zeiten wichtige antizyklische Investitionen.

 

Grundsätzlich steht Staaten ein großes Instrumentarium zur Abwendung einer Überschuldung zur Verfügung. Sie können Steuern erhöhen, Ausgaben reduzieren oder Kredite an den internationalen Finanzmärkten aufnehmen. Von diesen sind die Länder im besonderen Maße abhängig – sie bestimmen die Höhe der Zinsen für die vergebenen Kredite und erhöhen diese, sofern sie das Vertrauen in die Volkswirtschaft eines Staates verlieren. Günstige Beistandskredite bei akuten Zahlungsbilanzproblemen können die Mitgliedsländer nach bestimmten Vorgaben auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten.

 


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