Was ist Feminismus?
Der Begriff Feminismus beschreibt gesellschaftliche Bemühungen, die Rechte von Frauen zu stärken und Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu erreichen. Feminismus äußert sich zum einen in einer sozialpolitischen Bewegung zur Förderung von Frauenrechten sowie zum anderen in theoretisch-wissenschaftlichen Arbeiten zur Entwicklung von Perspektiven zur Gleichberechtigung. (1)
Um Gleichberechtigung zu erreichen und die Unterdrückung von Frauen zu beenden, ist ein Ziel des Feminismus die Überwindung des Patriarchats. Patriarchat bedeutet so viel wie Vaterherrschaft und beschreibt eine Gesellschaftsstruktur, in der Männer gegenüber anderen Geschlechtern eine bevorzugte Stellung einnehmen – ein Phänomen, welches sich auch in der heutigen Gesellschaft finden lässt. (2) Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Frauen und diverse Menschen deutlich seltener in den Führungsetagen von Unternehmen oder im Bundestag sitzen, häufiger geringfügig beschäftigt sind, im Vergleich selbst für gleichwertige Arbeit niedriger bezahlt werden und einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit für Kinder und andere Angehörige übernehmen. (3)
Kurze Geschichte des Feminismus
Um zu verstehen, wofür der Begriff Feminismus steht und wie er sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, ist ein kurzer Exkurs in die Geschichte des Feminismus und die Ursprünge sowie Meilensteine der Frauenbewegung nötig.
Aufklärung und Französische Revolution
Die Geschichte des Feminismus und der Frauenbewegung lässt sich mindestens auf die Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution im 18. Jahrhundert zurückführen. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Nationalversammlung im Jahre 1789 stellte die Gleichheit aller Menschen fest. Für Frauen galt diese Gleichheit jedoch lange Zeit nicht: Sie hatten weder in Frankreich noch in Deutschland Möglichkeiten, sich zusammenzuschließen oder politisch aktiv zu werden. (4)
Als Reaktion darauf verfasste die französische Künstlerin und Aktivistin Olympe de Gouges 1791 eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, in der sie klarstellte, dass die Gleichheit aller Menschen auch für Frauen gelten muss. Aufgrund ihrer feministischen Ansichten wurde Olympe de Gouges im Jahre 1793 hingerichtet. (5)
Situation in Deutschland: Gescheiterte Revolution und Verbote
Auch in Deutschland gab es demokratische und feministische Bestrebungen. In den Jahren 1848 und 1849 fand in Deutschland ebenfalls eine Revolution statt. Zum ersten Mal tagte 1848 in der Frankfurter Paulskirche ein gesamtdeutsches Parlament. Anschließend wurden allgemeine Grundrechte verabschiedet und das Parlament einigte sich 1849 auf eine Verfassung. In Preußen, Österreich und anderenorts wurden die revolutionären Bestrebungen jedoch niedergeschlagen und das Parlament wieder aufgelöst. Viele Menschen engagierten sich auch trotz der gescheiterten Revolution nun für politische Themen und debattierten öffentlich. Nachdem immer mehr Frauen zu dieser Zeit die Gleichberechtigung forderten und die Schriftstellerin Louise Otto-Peters ab dem Jahre 1849 die Frauen-Zeitung als Sprachrohr der deutschen Frauenbewegung herausbrachte, wurde 1850 jedoch ein Gesetz erlassen, das es Frauen untersagte, Zeitungen herauszugeben und als Redakteurinnen zu arbeiten.
Einige Jahre später gründete Louise Otto-Peters gemeinsam mit Auguste Schmidt im Jahr 1865 den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF), was den Beginn der organisierten Frauenbewegung in Deutschland markierte. Die Forderungen der Frauen bezogen sich beispielsweise auf sichere Arbeitsplätze, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und eine verbesserte Bildung für Mädchen. (6)
Frauenbewegungen weltweit
In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich in vielen Ländern der Welt starke Frauenbewegungen, die sich für Emanzipation und ein Ende der Unterdrückung in vielen gesellschaftlichen Bereichen starkmachten. Einer der Meilensteine dieser Bewegung ist der Internationale Frauentag, der am 19.03.1922 zum ersten Mal stattfand. In Deutschland, Dänemark, Österreich, der Schweiz und den USA gingen an diesem Tag mehr als eine Million Frauen auf die Straße und forderten Gleichberechtigung und Emanzipation. (7)
Das Frauenwahlrecht
Eine der Hauptforderungen der Bewegungen für mehr Gleichberechtigung stellte weltweit das Frauenwahlrecht dar. Bis zum Ende des 19. und vielerorts sogar bis zum 20. Jahrhundert besaßen Frauen weder das passive Wahlrecht – sprich das Recht, als Kandidatin gewählt zu werden – noch das aktive Wahlrecht – also das Recht, selbst eine Stimme abgeben zu dürfen. (8) Neuseeland war das erste Land, in dem Frauen 1893 das aktive Wahlrecht erhielten. Das passive Wahlrecht folgte im Jahr 1919. In Europa war Finnland 1906 das erste Land, das Frauen das aktive und passive Wahlrecht zusprach. In Deutschland dauerte es bis zum Ende des Ersten Weltkriegs und der Novemberrevolution im Jahr 1918, als ein neues Reichswahlgesetz in Kraft trat. Infolge des neuen Gesetzes durften Frauen in Deutschland ab 20 Jahren im Januar 1919 zum ersten Mal wählen und auch selbst gewählt werden. (9) Viele Frauen nahmen diese Gelegenheit wahr: Die Wahlbeteiligung der Frauen lag bei 82 Prozent und 37 Frauen zogen als Abgeordnete in den Reichstag ein und machten damit neun Prozent des Abgeordnetenhauses aus. (10)
Frauenrechte im Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus gerieten die Frauenbewegung und die Emanzipation ins Stocken. Viele Frauenorganisationen lösten sich auf und Frauenrechte wurden zurückgenommen. So wurden beispielsweise Beamtinnen von ihren Berufen ausgeschlossen, die Zahl der Neuimmatrikulationen von Frauen an Universitäten begrenzt und auch das passive Wahlrecht nicht länger gewährt. Stattdessen wurden Frauen zurück in stereotype Geschlechterrollen gedrängt: Die Rolle als Hausfrau und Mutter wurde zum Idealbild der Frau verklärt und unter anderem mit Auszeichnungen wie dem Mutterkreuz belohnt. (11)
Nachkriegszeit
Obwohl Frauen während des Zweiten Weltkriegs aufgrund der Abwesenheit vieler Männer zahlreiche gesellschaftliche Aufgaben übernommen hatten, rutschten sie mit der Rückkehr der Soldaten häufig wieder in die Geschlechterrolle der Hausfrau und Mutter zurück. Die gesellschaftlichen Ansichten und Regeln spiegelten die starren Strukturen des Patriarchats wider. Folgende Beispiele illustrieren dies: Bis 1957 benötigten Ehefrauen die Zustimmung ihres Mannes, um den Führerschein zu machen. Bis 1959 wog die Meinung des Vaters hinsichtlich der Sorge für die Kinder schwerer als die der Mutter, sodass Väter bestimmen durften, wie ihre Kinder leben und erzogen werden sollten. (12) Und bis 1977 war Frauen die Berufstätigkeit nur mit Zustimmung des Ehemannes möglich. Ehemänner durften zudem die Arbeitsverträge ihrer Frauen ohne deren Einwilligung kündigen. (13)
Mit den Studierendenprotesten der 1960er und neuen Perspektiven auf Geschlechterrollen und die Ungerechtigkeiten des Patriarchats konnten seitdem zahlreiche feministische Erfolge der Frauenbewegung verzeichnet werden.
So gab es zum Beispiel die folgenden Meilensteine:
- 1975: UN-Weltfrauenkonferenz mit Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen
- 1976: Erste Frauenhäuser in West-Berlin und Köln zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt
- 1980: Erster Lehrstuhl für Frauenforschung in Westdeutschland zur institutionellen Verankerung der feministischen Anliegen
- 1986: Ernennung der ersten Frauenministerin Rita Süßmuth (CDU)
- 1989: Gründung des Unabhängigen Frauenverbands (UFV) in der DDR
- 1997: Aufnahme von Vergewaltigung in der Ehe in den Straftatbestand (14)
- 2015: Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst
Abtreibungen und der Paragraf 218 StGB
Ein wichtiges Thema der Frauenbewegung stellte und stellt das Recht auf Abtreibungen dar. Im Jahr 1971 initiierte die Journalistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer eine öffentlichkeitswirksame Kampagne in Westdeutschland, wo Abtreibungen laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs (StGB) unter Strafe standen: Der Titel einer Ausgabe der Zeitschrift Stern lautete „Ich habe abgetrieben“. In dem dazugehörigen Artikel gaben 374 Frauen, darunter viele Prominente, an, abgetrieben zu haben. Zahlreiche Frauen setzten sich dafür ein, den entsprechenden Paragrafen zu reformieren. Die Bewegung hatte zunächst Erfolg: Im Jahr 1974 beschloss der Bundestag die sogenannte Fristenregelung, die eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft unter Straffreiheit stellte. Ein Jahr später wurde diese Regelung jedoch vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. (15)
Als Kompromiss beschloss der Bundestag 1976 eine Indikationsregelung, die Abtreibungen im Falle einer medizinischen (z. B. Gefahr für die Mutter), eugenischen (z. B. Diagnose einer schweren Behinderung des Kindes), sozialen (z. B. soziale Notlage) oder ethischen (z. B. Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung) Indikation erlaubt. In der DDR waren Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche hingegen seit 1972 erlaubt. Im Zuge der Wiedervereinigung entbrannte daher in den 1990er-Jahren ein heftiger Streit um die gesetzliche Regelung im vereinigten Deutschland. (16) Heute existiert neben der bisherigen westdeutschen Indikationsregelung seit 1995 auch die Fristenregelung, wonach Abtreibungen bis zur zwölften Woche als straffrei gelten. Voraussetzung dafür ist, dass Frauen vor der Abtreibung eine Beratung in Anspruch nehmen, in der ihnen bewusst gemacht wird, dass sie eine Rechtspflicht besitzen, das Kind auszutragen. (17)
Auch heute noch ist das Thema Abtreibung ein wichtiges feministisches Thema und viel diskutiert. Das führt immer wieder zu Neuerungen und Umdenken in dem Bereich. So beschloss der Bundestag beispielsweise nach einiger Kritik 2022 die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 219a StGB. Ärzte machen sich so künftig nicht mehr strafbar, wenn sie auf ihren Websites über die Durchführung und Methoden von Abtreibungen informieren. Nach Ansicht der SPD und den Grünen im Jahr 2023 sollte auch der Paragraf 218a überarbeitet und die damit bislang faktisch geltende Rechtswidrigkeit von Abtreibungen infrage gestellt werden. Innerhalb der Regierung und der Bundestagsparteien ist eine Reform jedoch umstritten. (18)