Steuern finanzieren das Gemeinwohl. Nur wenn Staaten über die notwendigen Mittel verfügen, können sie Investitionen in öffentliche Infrastruktur, Dienstleistungen und Innovation tätigen oder Sozialsysteme finanzieren, die auch in Krisenzeiten vor existenziellen Notlagen schützen. Kernaufgabe progressiver Politik ist es, dafür zu sorgen, dass die Lasten dabei gerecht verteilt sind, sowohl innerhalb von Staaten, als auch international.
Durch die Globalisierung ist die internationale Steuerlandschaft unübersichtlicher und komplexer geworden. Multinationale Konzerne und reiche Individuen machen sich das Regulierungsvakuum zunutze. Sie verschieben Gewinne und Vermögenswerte geschickt dorthin, wo sie vom Zugriff der Steuerbehörden verschont bleiben. Dabei sind Steueroasen nicht vorrangig auf abgelegenen Inseln unter Palmen zu finden. Ein erheblicher Teil der Steuereinnahmenverluste entsteht durch Gewinnverlagerung an europäische Niedrigsteuerstandorte. Das zeigen die Berechnungen des jährlich erscheinenden State of Tax Justice Report. Der Report schätzt die Einnahmenverluste öffentlicher Kassen durch Steuervermeidung auf 483 Milliarden US-Dollar im 2021. Für Länder des Globalen Südens mit schwachen Einkommens- und Vermögensteuersystemen sind die Einnahmenverluste durch die Steuervermeidung multinationaler Konzerne besonders drastisch.
Grundlegende Reform des internationalen Steuersystems
Nach der Finanzkrise 2008 wurden wichtige Reformschritte eingeleitet, um das internationale Steuersystem zu reparieren und Steueroasen trocken zu legen. Doch erst die Herausforderung einer adäquaten Besteuerung großer Digitalkonzerne für die der physische Unternehmenssitz eine nachrangige Rolle spielt, machte deutlich, dass in der internationalen Steuerpolitik grundsätzlich neue Wege beschritten werden müssen.
Die FES arbeitet eng mit zivilgesellschaftlichen Partnern wie der „Unabhängigen Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung (kurz ICRICT)“ zusammen. Das Gremium ist mit renommierten Ökonom_innen aus dem Globalen Norden und Süden besetzt, die Vorschläge für eine umfassende Reform der Besteuerung von Multinationalen Konzernen erarbeiten und den von G20 und OECD angeführten Reformprozess kritisch begleiten. Zentrale Forderungen sind eine internationale Neuverteilung von Besteuerungsrechten im Sinne einer Gesamtkonzernsteuer, die Einführung einer globalen Mindeststeuer und die Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen in der internationalen Steuerpolitik durch eine VN-Steuerkonvention.
Globale Mindeststeuer – Durchbruch in der internationalen Unternehmensbesteuerung?
2021 haben sich OECD und G20 nach langwierigen Verhandlungen auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent geeinigt. Sie soll den „race-to-the-bottom“ bei den Unternehmenssteuersätzen stoppen und Anreize für die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Niedrigsteuerländer verringern, indem eine globale Untergrenze eingeführt wird. Die Einnahmen aus der Besteuerung Multinationaler Unternehmen werden dringend für wichtige Zukunftsinvestitionen und die Finanzierung der Daseinsvorsorge benötigt, doch die Implementierung lässt auf sich warten.
Kritische Stimmen fordern außerdem, dass der Steuersatz eigentlich deutlich höher liegen müsste. Aus Sicht der ICRICT-Kommission müsste der Satz bei mindestens 25% liegen, damit auch Entwicklungsländer davon profitieren, deren Steuersätze oft deutlich höher liegen und die in besonderer Weise von den Einnahmen aus der Besteuerung multinationaler Konzerne abhängen.