Mit dem dritten Regierungswechsel seit Erlangen der Unabhängigkeit wurde die Demokratie in Sambia im Zuge der Wahlen im August 2021 weiter gestärkt. Sie weist aber auch mit neuer Regiergung noch deutliche Defizite auf, wie eine Analyse von Fritz Kopsieker, Leiter FES Sambia, zeigt.
Im August 2021 wurden Präsident Edgar Lungu und seine seit zehn Jahren regierende Patriotic Front (PF) mit deutlicher Mehrheit abgewählt. Der neu gewählte Präsident Hakainde Hichilema von der United Party for National Development (UPND) konnte rund 59 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, verantwortlich für dieses Ergebnis waren im Wesentlichen die hohe Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die gestiegene Wahlbeteiligung, insbesondere von Frauen und jungen Wähler_innen, sowie ein weitgehend reibungslos durchgeführter Urnengang. Diesem Regierungswechsel vorangegangen waren Jahre des demokratischen und wirtschaftlichen Verfalls. Nun steht die neue Regierung unter Druck, ihre zahlreichen Wahlversprechen umzusetzen und das Leben der 19 Millionen Sambier_innen spürbar zu verbessern, andernfalls droht eine Legitimationskrise.
Wo steht Sambia rund ein Jahr nach dem Regierungswechsel? Die Analyse von Fritz Kopsieker, Leiter FES Sambia, zieht eine Bilanz zur „neuen Morgenröte“ im Land und blickt sowohl auf positive Entwicklungen als auch auf zentrale Herausforderungen für eine nachhaltige demokratische Entwicklung.
Ein Blick auf die Reformagenda
Im ersten Jahr unter Hichilema sind einige positive Entwicklungen bei einer insgesamt durchwachsenen Bilanz zu beobachten. Man kann von einer demokratischen Öffnung sprechen, etwa mit Blick auf die wiedererlangten Handlungsspielräume der Medien oder seitens der Zivilgesellschaft. Von der Bevölkerung besonders hoch angerechnet wird Hichilema die deutliche Zurückdrängung der Gewalt politischer Parteikader. Die Einführung der gebührenfreien Sekundarschulbildung stellt einen wichtigen Meilenstein bei der Bekämpfung von Benachteiligung und der hohen Armutsrate von 59 Prozent dar. Die deutliche Aufstockung der Finanzmittel für die lokale Ebene spricht für eine Dezentralisierung der Macht.
Mit Blick auf angekündigte Gesetzesvorhaben ist die UPND-Regierung jedoch deutlich hinter ihren Versprechungen und den Erwartungen zurückgeblieben. So wurde weder das Strafgesetz um den Tatbestand der Präsidentenbeleidung bereinigt, noch das wegen seiner repressiven Inhalte kritisierte Gesetz zur öffentlichen Ordnung reformiert. Insbesondere die wirtschaftliche Lage stellt eine große Herausforderung dar. Eine weit verbreitete Misswirtschaft des vorangegangenen Regimes, eine völlig aus dem Ruder gelaufene internationale Verschuldung, sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie und schließlich des Ukraine-Kriegs bilden hier den Kontext. Hichilema hat hier mit erfolgreichen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds gegengesteuert, allerdings steht eine detaillierte Einigung mit den ausländischen Gläubigern des Landes zur Schuldenreduktion bzw. Umschuldung noch aus. Die Schaffung eines neuen Ministry for Green Economy and Environment weist in die richtige Richtung, auch wenn hier bisher noch entscheidende Akzente fehlen.
Trotz des politischen Willens, Korruption zu bekämpfen, bestehen in diesem Bereich strukturelle Defizite. So würden zügige Erfolge bei Ermittlungen und Gerichtsverfahren, ein Vorgehen gegen Beschuldigte jedweder Parteizugehörigkeit und die Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes wichtige Schritte darstellen, um dem Kampf gegen Korruption Legitimität und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit scheint der Regierungswechsel eher Rückschritte gebracht zu haben, so sank die Frauenquote im Parlament, das Gender-Ministerium wurde abgeschafft.
Die weitere Entwicklung und stabilisierende Faktoren
Derzeit erfährt die neue Regierung noch weitgehend Geduld und Toleranz angesichts der tagtäglichen wirtschaftlichen Belastung der Bürger_innen. Das Glücksgefühl über den Wechsel und die überschaubaren konkreten Verbesserungen sorgen noch für Wohlwollen gegenüber der neuen Staatsführung. Es ist aber zu erwarten, dass die schwierige wirtschaftliche Lage, die sich in drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten und einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit äußert, schon bald das Augenmerk auf die Diskrepanz zwischen Wahlversprechen und Erwartungen lenken wird. Die defizitäre öffentliche Kommunikation der Regierung wird ihren Teil zu dieser Entwicklung beitragen.
Das Beispiel Sambia legt nahe, dass im Nachgang zu einer Wahl eine zügige Umsetzung von versprochenen Reformen, einschließlich eines effektiven Vorgehens gegen Korruption, und eine versierte Informationspolitik, welche die Lage und die Bemühungen der neuen Regierung kompetent vermittelt, eine stabilisierende Wirkung hätten.
Als demokratiefördernd ist die gewachsene Landschaft an Institutionen anzuführen. Miteinander konkurrierende Parteien, ein gewähltes Parlament, eine agile Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Kirchen sowie freie Medien sind bei allen Defiziten und Rückschlägen feste Bestandteile der sambischen Gesellschaft geworden. Die große Mehrzahl der Sambier_innen schätzt diese Bestandteile.
Für die weitere Entwicklung wäre es förderlich, wenn sich inhaltlich bzw. ideologisch gefestigte politische Parteien herausbilden würden und der Aufbau politischen Führungspersonals weniger am Geldvermögen der Kandidat_innen, sondern mehr an ihrer Kompetenz ausgerichtet wäre. Die Stärkung der Unabhängigkeit zentraler Institutionen, z. B. in der Judikative oder bei der Korruptionsbekämpfung, müsste mit einer Reduktion der Machtfülle des Präsidenten einhergehen.
Nicht nur mit Blick auf politische Parteien, sondern auch zivilgesellschaftliche Organisationen, wie z. B. Frauen-, Antikorruptions- und Menschenrechtsorganisationen, wäre es förderlich, wenn diese tiefer in die Gesellschaft hineinreichen würden und in ihr noch besser verankert wären. Auf diese Weise könnte eine stabile und dauerhafte Basis für einen demokratischen Diskurs geschaffen werden, die mit der tendenziell geduldigen und toleranten Grundhaltung des Wahlvolks korrespondiert und einen Missbrauch durch die Machthaber_innen verhindert.