"Es fehlt oftmals an Beteiligung"

Henrik Maihack, neuer Leiter des Referats Afrika, spricht über die Herausforderung der Klimakrise, gute Arbeit entlang von Lieferketten, die Gestaltung von Urbanisierung und über weitere Themen, die die Arbeit der FES auf dem afrikanischen Kontinent in den nächsten Jahren beschäftigen werden.

Henrik Maihack

Bild: Henrik Maihack von FES / Reiner Zensen

Was verbindet dich mit Afrika und welche Rolle spielt der Kontinent in deinen Augen?

Schon vor meiner Zeit bei der FES war ich viel in Afrika unterwegs und habe knapp zwei Jahre in Südafrika und Mosambik verbracht. In den letzten zehn Jahren war ich dann für die FES erst in Südasien, danach im Südsudan, in Ruanda und zuletzt als Büroleiter in Kenia. Dabei habe ich erlebt, dass auf Europas nächstem Nachbarkontinent besonders akut aber auch innovativ globale Zukunftsfragen verhandelt werden. Während anderswo über mögliche Auswirkungen globaler Megatrends noch als Problem der Zukunft diskutiert wird, sind sie in Subsahara-Afrika schon heute akut spürbar: Im Sahel sind die Temperaturen bereits bedrohlich gestiegen, was Dürren und Konflikte noch wahrscheinlicher macht. Demokratische Spielräume werden in Teilen des südlichen und in Ostafrikas immer kleiner, wogegen sich eine junge Stadtbevölkerung lautstark und in neuen Bündnissen wehrt. Wenn bis im Jahr 2030 500 Millionen Arbeitssuchende in Afrika leben, braucht es klima- und geschlechtergerechte Entwicklungsmodelle, die faire Jobs entlang globaler Lieferketten schaffen. Und weil Afrika am wenigsten zum Klimawandel beigetragen hat, aber am meisten betroffen ist und sich zudem letztes Jahr über 70 Prozent aller Resolutionen des UN-Sicherheitsrat mit Afrika beschäftigten, entscheidet sich eben auch zwischen Bamako, Kampala und Johannesbug die Zukunft multilateraler Kooperation.

Was zeichnet die FES-Arbeit in Afrika aus?

An 21 Standorten in Subsahara-Afrika arbeiten wir in den Landesbüros und thematischen Kompetenzzentren der FES mit unseren Partnern aus politischen Parteien, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und aus sozialen Bewegungen zusammen. Wir genießen dabei oftmals einen Vertrauensvorschuss unserer Partner wegen historisch gewachsener Verbindungen oder weil einige darunter Alumni unserer weiterhin laufenden Jugendprogramme sind. Dieses Netzwerk ist außergewöhnlich und erlaubt politische Herausforderungen und Lösungen besonders früh und vernetzt aufzugreifen. Diese sind unterschiedlich, wir haben uns dennoch einige thematische Schwerpunkte gesetzt: So haben wir jüngst unsere Arbeit zum Thema Geschlechtergerechtigkeit intensiviert. Wir beschäftigen uns schon länger mit der Zukunft der Friedens- und Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union. Einige unserer Büros und Partner arbeiten seit 2019 verstärkt zur politischen Gestaltung von Urbanisierung, angesichts immer ungerechteren Städten und in einem anderen Projekt arbeiten wir intensiver zur Frage, woher zukünftig faire und gute Jobs kommen können. Besonders am Herzen liegt mir bei all dem die Zusammenarbeit mit unseren gewerkschaftlichen Partnern. Zunehmend bemühen sich Gewerkschaften auf dem Kontinent um Mitglieder im riesigen informellen Sektor. Ohne gewerkschaftliche Stimme werden die Herausforderungen auf dem Kontinent, egal ob es um die Klimakrise oder um Geschlechtergerechtigkeit geht, nicht gelöst werden können. Grundsätzlich wollen wir als FES aber mit ganz verschiedenen Ansätzen Gerechtigkeit auf dem afrikanischen Kontinent und in den Beziehungen Afrikas zu Europa fördern. Das machen wir natürlich mit einem Kompass sozialer Demokratie.

Worauf möchtest du deinen Fokus legen?

Das Fundament unserer Arbeit ist die Zusammenarbeit mit unseren Partnern auf dem Kontinent. Diese zu festigen in immer schwierigeren Zeiten für Demokraten_innen in Afrika ist erste Priorität. Angesichts sich überlappender globaler Krisendynamiken liegen Hebel für politische Veränderung im Sinne unserer Partner auf dem afrikanischen Kontinent, aber zunehmend eben auch bei der AU in Addis, bei der EU in Brüssel oder bei den Vereinten Nationen in New York oder Nairobi. Die Lieferketten, die zunehmend auch den afrikanischen Kontinent einbeziehen, fangen oft in Europa an. Internationale Friedensbemühungen beziehen bisher meist nur mangelhaft feministische Perspektiven gemäß UN-Resolution 1325 ein, was aber Frieden wahrscheinlicher machen würde. Und wenn ein großer Infrastrukturkredit für den Städtebau in Lagos oder Dakar von der Weltbank vergeben wird, fehlt es oftmals an zivilgesellschaftlicher Beteiligung. Auch der Umgang mit einem immer raumeinnehmenderen digitalen Kapitalismus und die Schließung von Steuerschlupflöchern, die Steuereinnahmen in Afrika reduzieren, können besser global vernetzt passieren. Hierzu wollen wir auch zukünftig mit politischer Beratung vor Ort, aber eben auch in Europa und anderswo beitragen.

Was ist dir noch wichtig?

Ich möchte zunächst meinem Vorgänger Manfred Öhm und dem Team hier im Afrika-Referat für das nette Willkommen danken. Die vielen innovativen Formate und erfolgreichen Prozesse, die in den letzten Jahren gemeinsam mit unseren Auslandsbüros entstanden sind, wollen wir fortführen. Weil ich selbst für die FES im Ausland war, weiß ich, dass dieser Erfolg ganz entscheidend von der engagierten Arbeit unsere lokalen Kolleg_innen vor Ort abhängt. Das anzuerkennen ist mir wichtig. Ich freue mich weiterhin Teil der FES-Afrika-Familie sein zu dürfen und unsere Arbeit auf dem Kontinent von Berlin aus so gut es geht zu unterstützen.

 

Vielen Dank für das Interview!


Referat Afrika

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Dr. Henrik Maihack

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