Im Februar 2020 startete das vom European Research Council für fünf Jahre geförderte Forschungsprojekt ZARAH: Women’s labour activism in Eastern Europe and transnationally, from the age of empires to the late 20th century. Das Projekt beforscht Aktivismus und Organisationsformen von Frauen zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen. Außer auf wissenschaftliche Publikationsformen setzt ZARAH dabei auch auf umfangreiche Public-History-Angebote im Netz, die auf ersteren aufbauen.
Forschen gegen den Mainstream
Benannt ist das an der Central European University (seit September 2020 in Wien) verankerte Projekt nach zwei Aktivistinnen: Zehra Kosova, eine türkisch-griechische Gewerkschafterin der Zwischenkriegszeit, und Sára Rokon Tóth, eine arme ländliche Tagelöhnerin, die sich im ungarischen Teil der Habsburgermonarchie für emanzipatorische Anliegen engagierte.
In den nächsten Jahren arbeiten neben der Projektleiterin Susan Zimmermann sieben Postdoctoral Fellows und zwei Doktorandinnen an unterschiedlichen Teilstudien, die sich in inter- und transnationaler Perspektive mit „arbeitsplatzbezogenem Aktivismus“ von Frauen befassen und dabei den Zeitraum von den 1880er- bis zu den 1990er-Jahren in den Blick nehmen. Die Projektmitarbeiterinnen forschen zu (den heutigen Staaten) Bulgarien, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, Ungarn, Serbien, Slowakei, Tschechien, Slowenien, Türkei und zur Ukraine. Neben diesen Einzelstudien ist die Forschungstätigkeit kollaborativ ausgerichtet.
Das Forschungsvorhaben ist durch vier Grundüberlegungen gekennzeichnet: ZARAH hat ein vielschichtiges Verständnis davon in welchen Formen, mit welchen Repertoires und mit welchen Anliegen sich arbeitende Frauen engagier(t)en; alle Studien haben die Wechselwirkungen und Verbindungen von transnationalen und lokalen Arbeits- und Geschlechterpolitiken im Blick; der Fokus auf Klasse und Geschlecht wird konsequent durch die Einbeziehung anderer Dimensionen sozialer Zugehörigkeit ergänzt; und nicht zuletzt erlaubt der lange Untersuchungszeitraum das Beforschte im Licht übergreifender sozioökonomischer und politischer Entwicklungen zu betrachten.
ZARAH setzt sich also ein Forschungsprogramm, das der Mainstreamgeschichtsschreibung an mehreren Punkten eine Alternative entgegensetzt. Zugespitzt gesagt: ZARAH fordert den Androzentrismus der Arbeiter_innenbewegungsgeschichte ebenso heraus, wie den dominanten Fokus auf Westeuropa in der europäischen Geschichtsschreibung und das vorrangige Interesse an bürgerlichen Aktivistinnen und ihren Bewegungen in der Frauen- und Geschlechtergeschichte.
Quellen für alle!
Public History ist ein wichtiger und integraler Bestandteil des Projekts. Unser Anliegen ist es, unsere Ergebnisse so zu präsentieren, dass sie für viele Menschen zugänglich sind und weitere Beschäftigung mit dem Thema anregen. Ein Mittel dafür ist unsere open-access Datenbank. In ihr werden Informationen zu Quellen – Poster, Flyer, Fotos, Sitzungsprotokolle, Briefe, Zeitungsartikel, Interviews, Radionachrichten etc. – von uns beschrieben, beschlagwortet und wenn möglich als Digitalisate zur Verfügung gestellt. Interessierte werden in dieser Datenbank einzelnen Streiks, Aktivistinnen oder Organisationen auf die Spur kommen oder auch gezielt nach diesen suchen können. Wenn wir diese Fundgrube an Quellen und Informationen zur Arbeiterinnengeschichte auch bis zum Ende des Projektes kontinuierlich auffüllen werden, so kann bereits ab Sommer 2021 in der Datenbank gestöbert werden.
“ZARAH: Women’s labour activism in Eastern Europe and transnationally, from the age of empires to the late 20th century”. This project has received funding from the European Research Council (ERC) under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (Grant agreement No. 833691 – ZARAH).
Veronika Helfert