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Archiv der sozialen Demokratie

 

Griechenlands Weg zur Demokratie: 50 Jahre nach dem Sturz der Junta

Am 23. Juli 1974 brach die siebenjährige Militärdiktatur vom 21. April 1967 zusammen. Das Militär übergab die Macht an die Politiker:innen. Konstantinos Karamanlis wurde in den frühen Morgenstunden des 24. Juli als Ministerpräsident des Landes vereidigt und führte die Regierung der "Nationalen Einheit" an.

Von diesem Tag an begann die Ära der politischen Wende, auch bekannt als "Metapolitefsi"– den politischen Übergang zur Dritten Griechischen Republik. Der Sturz der griechischen Militärdiktatur im Juli 1974 markierte einen bedeutenden Wendepunkt in der modernen Geschichte Griechenlands und leitete die Rückkehr zur Demokratie ein. Diese Ereignisse waren das Ergebnis einer komplexen Vorgeschichte und einer Reihe von innen- und außenpolitischen Entwicklungen, die in Griechenland und dem europäischen Ausland stattfanden.

Eine kleine Vorgeschichte: Der Weg zu der Militärdiktatur

Die Wurzeln der Militärdiktatur reichen zurück bis zum Putsch vom 21. April 1967, als eine kleine Gruppe von Generälen und Offizieren die Macht ergriff, um die Bildung einer linksliberalen Regierung unter Andreas Papandreou zu verhindern. Oberst Georgios Papadopoulos, der Anführer des Putsches, wurde im Dezember 1967 Ministerpräsident des Junta-Kabinetts. Seine Hauptprioritäten waren eine strikte antikommunistische Haltung und die Treue zu NATO-Verbündeten, was die geopolitische Realität des Kalten Krieges widerspiegelte und fortzuführen versuchte.

Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, reagierte zunächst zurückhaltend auf den Putsch. Trotz der offensichtlichen Verletzungen demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien führten geopolitische Überlegungen und die Sorge vor einer kommunistischen Bedrohung zu einer vorsichtigen Haltung gegenüber dem Regime. Diese Ambivalenz war charakteristisch für die Ära des Kalten Krieges, in der strategische Allianzen oft Vorrang vor demokratischen Idealen hatten.

Innerhalb Griechenlands wurde jegliche Opposition durch Repressionen, Verhaftungen und Folterungen unterdrückt, wodurch sich keine effektive inländische Widerstandsbewegung formieren konnte. Stattdessen organisierten sich viele im Ausland lebende Griech:innen in Widerstandsgruppen. Eine besonders wichtige Rolle spielte der organisierte Widerstand in der Bundesrepublik Deutschland, wo griechische Migrant:innen und deutsche Sympathisant:innen zusammen gegen das Regime agierten und demonstrierten.

Der Sturz der Junta und die Rückkehr zur Demokratie

Der Sturz der Militärdiktatur im Juli 1974 ist eng mit der Zypernkrise verknüpft. Am 15. Juli orchestrierte die griechische Militärregierung unter Dimitrios Ioannidis einen Putsch auf Zypern gegen Präsident Makarios, was eine türkische Militärintervention auf der Insel provozierte. Die griechische Junta, unfähig die Situation zu kontrollieren, ordnete eine chaotische Mobilmachung an, die ihre innere Zerworfenheit sowie mangelnde Organisationsstruktur offenlegte. Diese Krise löste eine Kettenreaktion innerhalb des griechischen Militärs und der Führung aus.

Infolgedessen forderten 250 Offiziere am 22. Juli den Rücktritt der Militärregierung und die Rückkehr zur konstitutionellen Monarchie. Die Krise erreichte letztlich ihren Höhepunkt, als Marinechef Petros Arapakis am 23. Juli die Militärregierung für abgesetzt erklärte. In der Folge kehrte der frühere Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis am 24. Juli aus seinem Selbst-Exil in Paris zurück und übernahm die Regierungsverantwortung.

Karamanlis bildete umgehend ein Kabinett der „Nationalen Einheit“ und leitete wichtige Schritte zur Wiederherstellung der Demokratie ein. Er ließ politische Parteien wieder zu, einschließlich der seit den späten 1940er Jahren verbotenen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE). Zudem gründete er im Oktober 1974 die konservative Partei Neue Demokratie (ND). Dazu entstand die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) unter Andreas Papandreou. Am 17. November 1974 fanden die ersten freien Wahlen nach der Militärdiktatur statt, bei denen Karamanlis' ND mit rund 54% der Stimmen gewann. Ein weiterer wichtiger Schritt war das Referendum zur Staatsform am 8. Dezember 1974, bei dem sich die griechische Bevölkerung mit einer deutlichen Mehrheit von 69,2% für eine republikanische Verfassung und die Abschaffung der Monarchie entschied.

Die juristische Aufarbeitung der Diktatur begann kurz darauf. Im August 1975 wurden Anklagen wegen Hochverrats gegen Papadopoulos und 19 seiner Mitverschwörer erhoben. Nachdem zunächst Todesurteile gegen vier führende Mitglieder der Junta verhängt wurden, wurden diese später in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.

Eine neue Ära beginnt

Der Sturz der Militärjunta in Griechenland 1974 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der griechischen Zeitgeschichte. Er beendete eine Periode der Repression und leitete die Phase der „Metapolitefsi“, der demokratischen Konsolidierung ein. Die neue, von Karamanlis auf den Weg gebrachte Verfassung wurde 1975 verabschiedet und bildet bis heute, mit einigen Überarbeitungen, die Grundlage des griechischen Staatswesens. Die Militärdiktatur sowie auch der Übergang zur Demokratie haben die griechische Gesellschaft und Politik nachhaltig geprägt. Außerdem prägen sie bis heute auch das politische Bewusstsein und die Diskussionen über Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Griechenland.

Diese Periode verdeutlicht die Widerstandsfähigkeit demokratischer Ideale und die Fähigkeit einer Nation, sich von autoritärer Herrschaft zu erholen und demokratische Strukturen wiederaufzubauen. Der Übergang zur Dritten Griechischen Republik markiert den Beginn einer neuen Ära. Am 24. Juli 1974 begann die längste und stabilste demokratische Periode in der modernen griechischen Geschichte, die trotz gelegentlicher politischer und sozialer Konflikte und Herausforderungen bis heute anhält. Die „Metapolitefsi“ ist ein Begriff, der im politischen Vokabular Griechenlands vielseitig verwendet und abwechselnd positiv oder negativ aufgeladen wurde. Dieser dichte und komplexe Übergangsprozess hat maßgeblich den Weg Griechenlands ins 21. Jahrhundert markiert und legte den Grundstein für das moderne demokratische Griechenland.

Chrysa Vachtsevanou

Literatur

Othon Athanasakis, Katerina Lagos (Hg.), The Greek Military Dictatorship: Revisiting a Troubled Past, 1967-1974, New York 2021.

Kostis Kornetis, Children of the Dictatorship Student Resistance, Cultural Politics and the 'Long 1960s' in Greece, New York 2013.

Alexandros Nafpliotis, Britain and the Greek Colonels Accommodating the Junta in the Cold War, London 2012.

Ilias Nikolakopoulos, Synexeies kai rixeis: O amfisimos oros Metapolitefsi (Kontinuitäten und Brüche: Der zweideutige Begriff Metapolitefsi), in: Manos Avgeridis, Kostis Kornetis, Metapolitefsi - I Ellada sto metaichmio dyo aionon (Metapolitefsi - Griechenland zwischen zwei Jahrhunderten), Athen 2015.

Mogens Pelt , Tying Greece to the West US-West German-Greek Relations 1949-1974, Copenhagen 2006.

Sotiris Rizas, I elliniki politiki meta ton emfylio polemo - Koinovouleftismos kai diktatoria (Die griechische Politik nach dem Bürgerkrieg - Parlamentarismus und Diktatur), Athen 2008.

Ioannis Tzortzis, Greek Democracy and the Junta Regime Crisis and the Failed Transition of 1973, London 2019.

Online

Kommentar des damaligen Chefredakteurs der Deutschen Welle in Griechenland, Kosta Nikolaou, Vier Jahrzehnte nach dem Sturz der Militärdiktatur in Griechenland: https://www.youtube.com/watch?v=0RLM3_hgrFA (abgerufen am 23.7.2024).

Words of resistance – Deutsche Welle and the Greek dictatorship, DW Documentary: https://www.youtube.com/watch?v=UabU9PAncho (abgerufen am 23.7.2024).


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