Kollaborativ und digital zusammenarbeiten - Teil 1

Ein Interview mit Katharina Mosene

Im ersten Teil unseres MuP-Interviews mit Katharina Mosene geht es vor allem um grundsätzliche Fragen der Online-Zusammenarbeit. Wie gelingt kollaboratives Arbeiten? Welche Ressourcen werden benötigt, was sind mögliche Hürden? Im zweiten Teil  erfahren Sie mehr zum Thema Datenschutz und spezifischen Tools, die Katharina Mosene zur Anwendung empfiehlt.

Katharina Mosene ist Politikwissenschaftlerin (M.A.) und kümmert sich am Leibniz-Institut für Medienforschung │ Hans-Bredow-Institut (HBI) um den Bereich Forschungs- und Veranstaltungskooperationen. Darüber hinaus ist sie am TUM Medical Education Center der TU München im Bereich Digitale Bildung / eLearning assoziiert. Freiberuflich engagiert sie sich beim Deutschland sicher im Netz e.V.. In ihrer Freizeit ist sie Gründungsmitglied von netzforma* e.V. – Verein für feministische Netzpolitik. 

MuP:  Online-Zusammenarbeit spielt in der aktuellen Krisensituation auch für NPOs eine immer wichtigere Rolle. Was zeichnet kollaboratives Arbeiten aus und wann ist es sinnvoll?

Mosene: Kollaboratives Arbeiten im Allgemeinen meint gemeinsames arbeiten, einander ergänzend, zeitgleich. Unter kollaborativem digitalen Arbeiten verstehe ich das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten, in Text- oder Listenform, auf digitalen Whiteboards und in Projektmanagementtools. Hier kommt also inhaltliches, organisatorisches und kreatives gemeinsames Arbeiten zusammen, vielfach in Echtzeit, also synchron, aber ortsunabhängig.

MuP:  Viele Organisationen stehen noch am Anfang und haben wenig Erfahrung im Einsatz kollaborativer und digitaler Tools. Welche Voraussetzungen und Ressourcen sind erforderlich, um sicheres kollaboratives Arbeiten zu ermöglichen? Welche Herausforderungen können sich ergeben?

Mosene: Wichtig ist es – wie immer wenn Veränderungen anstehen – alle mitzunehmen und den Zugang möglichst niedrigschwellig und barrierearm zu gestalten. Damit sind übrigens auch Sprachbarrieren gemeint; manchen Organisationen wird es leichter fallen mit Tools zu arbeiten, die eine rein englischsprachige Nutzerführung, Oberflächen- und Supportstruktur anbieten als anderen. Mitgenommen werden müssen Kolleg*innen ebenso wie Teammitglieder  – aber auch die Zielgruppe, sofern man für diese Material wie zum Beispiel Bildungsmaterialien bereitstellt. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass eine möglichst gleiche Verteilung von Ressourcen vorherrscht.

MuP:  Welche Ressourcen sind das konkret?

Mosene: Hier geht es zum einen um die Hardware. Haben meine Kolleg*innen in der Organisationen geeignete Geräte, um an der digitalen Kollaboration teilzuhaben? Der Zugriff auf digitale kollaborative Tools gestaltet sich unterschiedlich, anhängig vom benutzten Endgerät – gleiches gilt übrigens für das Angebot von Webinaren und Videokonferenzen. Es macht einen großen Unterschied, ob Nutzer*innen vor einem Laptop mit einer akzeptablen Bildschirmgröße sitzen und gegebenenfalls noch weitere Anwendungsfenster parallel ansteuern können oder ob der Zugriff über ein Smartphone erfolgt. Zum anderen stellt sich die Frage nach aktueller Software – laufen geforderte Anwendungen auf dem verwendeten Betriebssystem? Und nicht zuletzt muss die Medienkompetenz (Digital / Media Literacy) berücksichtigt werden. Nicht jeder*jedem fällt es gleich leicht, Anwendungen zu bedienen. Da ist auch die Generation der sogenannten Digital Natives nicht von ausgenommen. Manches braucht schlicht Übung. Wenn ich noch nie an einer Videokonferenz teilgenommen haben, muss ich zunächst einmal ein paar technische Hürden nehmen; ebenso, wenn ich zum ersten Mal gemeinsam mit Teammitgliedern auf einem Etherpad arbeite.

MuP:  Wie können diese Hürden überwunden werden?

Mosene: Die gute Nachricht ist: Menschen lernen schnell – vor allem dann, wenn das Erlebte mit Motivation und Erfolg verknüpft ist. In kurzer Zeit kann man so auch organisationsintern große Fortschritte in Richtung Digitalisierung machen. Übrigens beziehe ich das nicht ausschließlich auf technische Kompetenzen – auch soziale digitale Kompetenzen lassen sich schulen. Damit meine ich zum Beispiel die Kommunikation in einer Videokonferenz; ähnlich wie im analogen sozialen Leben müssen wir lernen uns dort zu verhalten, das Verhalten meines Gegenübers zu antizipieren – Wann kann ich sprechen? Wo ist der geeignete Punkt an meine*n Vorrredner*in anzuknüpfen? All das haben wir durch unzählige Meetings vor Ort längst gelernt – zunehmend sehe ich nun aber auch im digitalen Raum eine steile Lernkurve und immer flüssiger laufende Diskussionen!

MuP:  Aktuell müssen sich viele Organisationen in kürzester Zeit neu organisieren, um die Zusammenarbeit auch im Homeoffice zu gewährleisten. Was bleibt davon, wenn die Krise überstanden ist? Denken Sie, dass sich Entwicklungen rund um Digitalisierung und kollaboratives Arbeiten beschleunigen werden?

Mosene: Ich würde es in jedem Fall für wünschenswert halten, nicht, weil wir damit echte soziale Interaktion ersetzen können, sondern weil wir an geeigneten Stellen sinnvoll ergänzen und vielleicht sogar erweitern können. Selbstverständlich gilt: Digitalisierung ist kein Selbstzweck und wo es nicht dient, machen wir es nicht. Trotzdem halte ich digitale Tools, sinnvoll eingesetzt, für effizient und zukunftsfähig. Vor allem ist es nachhaltig! Gerade im ländlichen Raum kommt es in Vereinen und Organisationen vielfach dazu, dass sich Menschen für 60 Minuten Fahrtweg ins Auto setzen, um dann eine Stunde an einer Sitzung teilzunehmen. Um einen Menschen von 80 Kilo zu bewegen, werden so ein bis zwei Tonnen Fahrzeug bewegt, das allein sollte schon ein Grund sein diesen Modus zu überdenken, ungeachtet der aufgewendeten Zeit, die eigentlich niemand hat, der berufstätig ist, eine Familie versorgt und sich noch zivilgesellschaftlich engagiert. Das geht doch besser! Und so bemerken wir vielleicht auch gerade im Moment, dass es doch Vorteile hat sich zwar physisch, aber doch eben nicht sozial isolieren zu müssen.

Trotzdem habe ich den Eindruck, dass immer noch viele glaube „Das geht schon wieder vorbei!“ und damit nicht nur die Corona-Krise meinen (das hoffen wir ja alle!), sondern auch die Digitalisierung. Wer mich gut kennt weiß, dass ich mich grundsätzlich ungerne festlege, was dazu führt, dass ich keine Versprechen mache, aber an dieser Stelle muss ich sagen: Die Digitalisierung, das Internet, das geht nicht wieder weg, das verspreche ich euch! Aber bitte lasst uns das nicht als Drohung verstehen; wir haben die Möglichkeit es uns zunutze zu machen und zu gestalten, nutzen wir diese Chance!


Wir bedanken uns für das Interview!
Hinweis: Die Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder.

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