Die hohen Emissionen von Treibhausgasen sind eine unmittelbare Folge von billigen fossilen Energien, und einfach verschwinden werden sie nicht. Zum einen sind Filtertechnologien für die Extraktion von CO2 aus der Luft teuer, und zum anderen muss man das CO2 anschließend sicher lagern. Es ist allerdings nicht leicht, geeignete Lagerstätten zu finden. Norwegen zum Beispiel hat seit 1996 mehrere Millionen Tonnen CO2 in den Sleipner gepumpt – eine Struktur, die 1000 Meter unter dem Meeresboden liegt. Ob diese Struktur wirklich dicht ist, weiß allerdings niemand; und selbst wenn ausreichend viele solcher Strukturen gefunden würden, müsste noch die technische Infrastruktur zur Speicherung von CO2 in gasförmiger oder flüssiger Form geschaffen werden. Ohne hohe Subventionen ist das nicht zu machen, und selbst dann ist nicht klar, ob sich die kapitalistische Erfolgs-Story des technischen Fortschritts und der sinkenden Kosten ein weiteres Mal wiederholt, schon öfter hat sie das nicht.
Manche schlagen daher den Ausbau von Atomstrom als emissionsfreie Alternative vor. Als globale Lösung für den Klimawandel scheitert dieser Vorschlag schon daran, dass nicht genügend Material vorhanden ist – vom Problem der Endlagerung ganz zu schweigen. Somit erscheinen Photovoltaik sowie Windenergie an Land und auf See als die größte Chance für die Energiewende. Wenn es gelingt, hinreichend große Kapazitäten aufzubauen, kann nicht nur auf fossile Energieträger zur Stromerzeugung verzichtet werden, sondern es ist dann auch möglich, mittels der Umwandlung von Strom in Wasserstoff die Dekarbonisierung der Chemie-, Zement- und Stahlindustrie zu bewerkstelligen. Die Hoffnung besteht darin, dass Strom infolge des staatlich geförderten Ausbaus von regenerativen Energien bald so günstig sein könnte, dass damit mehr oder weniger alle Probleme gelöst werden können. Hierbei handle es sich jedoch um einen Irrtum, der übersieht, dass unser Bedarf an Strom durch die Digitalisierung immer weiter anwächst und noch weiter ansteigen wird, wenn auch im Wärmebereich und in anderen Industrien Gas durch grünen Wasserstoff ersetzt werden soll. Denn zur Erzeugung und Bereitstellung einer Energieeinheit Wasserstoff ist ein Vielfaches an Stromenergieeinheiten erforderlich.
Hinzu kommt eine ganze Reihe von Herausforderungen beim Aufbau der erforderlichen Energieinfrastruktur. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Für eine flächendeckende Umstellung von Verbrennern auf E-Fahrzeuge wird eine immens große Anzahl von Batterien erforderlich sein, die Ressourcen in Form von seltenen Erden verbrauchen. Darüber hinaus müssen für die Erzeugung erneuerbarer Energien riesige Flächen mobilisiert werden, was angesichts von langwierigen Genehmigungsverfahren nicht nur mit Blick auf die drängende Zeit problematisch ist, sondern auch einen erheblichen Eingriff in die Umwelt darstellt. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen bezüglich der Idee, Wasserstoff zu importieren. Sowohl der Umwandlungsprozess von Strom in Wasserstoff und zurück als auch die Verschiffung von flüssigem Wasserstoff sind umwelt- und klimatechnisch bedenklich. Zuletzt ist zu beobachten, dass bisherige Effizienzgewinne durch Innovationsprozesse nur selten in eine ressourcensparende Richtung gelenkt wurden. Beispielsweise wurden Autos nicht spritsparender, sondern bei gleichem Ressourcenverbrauch schneller und größer. Da wenig dafür spricht, dass sich dies in Zukunft ändert, erscheint es unwahrscheinlich, das 1,5- oder das 2-Grad-Ziel durch technologische Innovationen zu erreichen.
Zusammenfassend kommt Herrmann zu dem Schluss, dass es gewagt wäre, „blind darauf zu vertrauen, dass technische Entwicklungen die Klimakatastrophe garantiert verhindern werden.“ Damit kommen wir zurück zum Kapitalismus: Was passiert, wenn die Energie aufgrund politischen Willens oder schlicht aufgrund schierer Notwendigkeit durch sich verschärfende Umweltprobleme knapper wird? Der Kapitalismus wird seines zentralen Erfolgsfaktors beraubt. Als Wirtschaftssystem, das nicht nur auf Wachstum ausgerichtet, sondern darauf angewiesen ist, wird er dysfunktional. Wenn die Wirtschaft jedoch nicht mehr wächst, wird das Geschäftsmodell von Banken, Lebensversicherern und anderen Branchen unprofitabel, was im worst case dazu führt, dass das gesamte Finanzsystem zusammenbricht. Um den notwendigen Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht im Chaos enden zu lassen, bedarf es also neuer Ideen. Weder die Degrowth-Bewegung noch die Volkswirtschaftslehre bieten hier konkrete Vorschläge. In der Geschichte gibt es jedoch Beispiele dafür, wie ein kontrolliertes Schrumpfen der Wirtschaft gelingen kann.