Der globale Kapitalismus hat sich einerseits als sehr leistungsfähig erwiesen: So sind beispielsweise in Asien Hunderte Millionen Menschen der absoluten Armut entkommen. Andererseits stagnierte im globalen Maßstab das Einkommen der ärmsten Menschen bei unter einem Dollar am Tag, während die „Superreichen“ weiter an Vermögen zulegen konnten. Diese Befunde haben auch Auswirkungen auf die Demokratie: „Die materielle Basis für die Unterstützung der Demokratie weicht auf.“ Die Attraktivität der politischen Systeme Europas, Nordamerikas und Japans nach dem Zweiten Weltkrieg basierte nicht nur auf der „normativen Logik der Freiheit und Selbstbestimmung“, sondern auch auf der empirischen Beobachtung, „dass individuelle Wohlfahrt und die Bereitstellung wichtiger Kollektivgüter langfristig am besten im Rahmen einer liberalen Demokratie erreicht werden“ könnten.
Die demokratische Fortschrittsgeschichte verlief nicht linear, sondern ist geprägt durch politische Kämpfe und Konflikte um die Ausweitung sozialer und demokratischer Rechte. Ein dauerhafter Weg des Fortschritts ist nicht garantiert – wie sich etwa am Aufkommen und an den Auswirkungen des neuen Populismus zeigt. Der neue Populismus tritt dabei mit dem Anspruch an, die Demokratie retten zu wollen, indem „dem Volk“ wieder eine Stimme gegeben wird. Populismus ist dabei keine „leere Form“, die beliebig mit Inhalten gefüllt werden kann. Bei der aktuellen Ausprägung des Populismus als „autoritärer Populismus“ handelt es sich um eine eigenständige Ideologie, die auf eine unvermittelte Form der Mehrheitsrepräsentation baut und sich nationalistisch gegen vermeintlich liberale kosmopolitische Eliten wendet. Wichtig ist die Vorstellung, dass es einen erkennbaren Volkswillen gibt, der ohne weitere Diskussion repräsentiert werden kann. Andere Ansichten oder die Vorstellung, dass sich politische Meinungen weiterentwickeln und durch die Teilnahme am öffentlichen Diskurs verändern können, sind nicht vorgesehen. Demokratischer Streit ist in diesem Sinne nicht nötig, weil „das Richtige“ bereits feststeht und nur erkannt und vertreten werden muss.
Erklärungsbedürftig mit Blick auf den Populismus ist insbesondere, warum bei schlechter wirtschaftlicher Lage beziehungsweise befürchtetem sozialen Abstieg eine Hinwendung zu populistischen Politikern und nicht etwa zu linken Parteien erfolgt. Sozioökonomische Ansätze allein reichen für eine Erklärung des Phänomens daher nicht aus. Ergänzt werden muss die Erklärung unter anderem um die politische Frage der Repräsentation: „Wer Populismus erklären möchte, darf die Augen vor den Schwächen der Demokratie nicht verschließen.“
Den Autoren ist ein hoch lesenswertes Buch gelungen. Dabei besticht insbesondere der Ansatz, autoritärem Populismus nicht rein moralische Wertungen entgegenzuhalten. Sie bergen die Gefahr, real existierende Defizite demokratischer Handlungsfähigkeit zu verbergen, und scheinen damit ungewollt die Unterstellungen der autoritären Populisten zu bestätigen. Insbesondere die Frage nach der Übertragung von Entscheidungen an „nichtmajoritäre Institutionen“ ist beachtenswert.
Eine interessante Diskussionsgrundlage bietet das vorgeschlagene analytisch-theoretische Paradigma der „demokratischen Regression“. Es lässt sich vor allem als pointierte These für den empirisch nicht völlig belegten Zusammenhang zwischen demokratischen Defiziten und dem Aufkommen eines „autoritären Populismus“ lesen. Schließlich erscheint zumindest ein Teil von dessen Anhängerschaft materiell durchaus von der Globalisierung zu profitieren und dies auch zu wissen.
Die Tendenz zu „nichtmajoritären“ Expertenkommissionen könnte zudem gut konform gehen mit dem Kernmerkmal des autoritären Populismus: der festgestellten Maxime, dass die richtige politische Entscheidung einfach erkennbar sei und nicht Teil politischer Debatten sein sollte.
So lässt sich die Grundthese der Autoren vielleicht besser als Plädoyer dafür fassen, dass eine auf Diskussionen, Kontroverse und Kompromiss ausgerichtete Demokratie nur bestehen kann, wenn sie ihre eigenen Defizite zu lösen versucht – und so mit der Stärkung der Demokratie den autoritären Populisten gesellschaftlichen Resonanzraum entzieht.
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