Der moderne Freiheitsbegriff ist widersprüchlicher als wir denken. Wir sind zwar in arbeitsteilig organisierten Marktwirtschaften rechtlich frei, dennoch können wir oft nicht frei über uns selbst bestimmen. Wie bereits Theodor Adorno argumentierte, sind unsere Emanzipationsräume durch monopolistische Großunternehmen, Bürokratie und soziale Normierung und Kontrolle eingeschränkt. Freiheit wird eindimensional auf das Lustprinzip reduziert. Zwar wurden das Warenangebot und damit die Möglichkeiten des Konsums erweitert und auch die Sexualmoral wurde befreit, doch genau diese Entfesselung des Lustprinzips wird in Kombination mit einer auf Konkurrenz aufgebauten Gesellschaftsordnung problematisch. In dieser Situation kann das Individuum nur dann bestehen, wenn es den sozialen Normen folgt, z. B. in Form eines standardisierten Konsums. Sozialpsychologisch betrachtet sind Menschen aber nicht nur als materialistische Wesen zu sehen. So ist z. B. die von Erich Fromm beschriebene Spontaneität menschlichen Handelns nicht mit einer rein materialistischen Ordnung vereinbar. Ganz unabhängig von der rein materialistischen Absicherung fürchten sich Menschen vor Konkurrenzsituationen, denen sie nicht gewachsen sind. Wer im Rennen um gesellschaftlich definierten Erfolg den Kürzeren zieht, erfährt Ohnmacht und Isolation. Genau dazu führen jedoch auch individuelle Versuche, sich den Gepflogenheiten gesellschaftlicher Konkurrenz zu entziehen.
Der Autoritarismus – ob mit Bezug zu einer Führerfigur oder, wie im libertären Autoritarismus, mit Bezug zu einem verabsolutierten eigenen Ich – stellt den Versuch dar, sich genau dieser Konkurrenzsituation und der damit einhergehenden Isolation und Ohnmacht zu entziehen:
„Je unkontrollierbarer die gesellschaftliche Lage, desto stärker wird laut Fromm die autoritäre Charakterstruktur im Individuum aktiviert.“
Über lange Zeit hinweg wirkte die Mitgliedschaft in Parteien, Gewerkschaften oder anderen Kollektivorganisationen dieser Problematik dadurch entgegen, dass individuelle Probleme als Erscheinungsformen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen begriffen wurden, die entsprechend im Rahmen politischer Prozesse bearbeitet werden können. Heute jedoch wird die Abwägung zwischen pragmatischem Karrierestreben und Selbstverwirklichung primär als individuelles Problem verstanden. Immer mehr Menschen fühlen sich von den konfligierenden Ansprüchen an Karriere und individuelle Selbstverwirklichung überfordert und finden keinen Weg, beiden Idealen gleichermaßen gerecht zu werden. Dies resultiert in einer größeren Zahl an Burnouts und anderen psychischen Problemen, aber auch in gesellschaftlichen Spannungen. Diese werden jedoch wiederum individualisiert und in das Selbst verlagert und kommen in der Folge in Bewegungen wie dem libertären Autoritarismus zum Ausdruck.
Trotz der unbestreitbaren Bedeutung von Herkunft und materiellen Voraussetzungen wird der Erfolg eines Menschen in unserer Gesellschaft auf die individuellen Leistungen zurückgeführt. Diese Art der Individualisierung und die Gleichsetzung von größerer Freiheit mit mehr Konsum haben den sozialen Freiheitsbegriff auf eine verdinglichte Freiheit reduziert. Dass Freiheit aber niemals nur eine individuelle Angelegenheit ist, sondern immer gesellschaftliche Bedingungen voraussetzt, wird im Freiheitsverständnis des libertären Autoritarismus also ausgeblendet:
„Es ist eine verdinglichte Freiheit, die radikalisierte Ansprüche in Bezug auf individuelle Freiheitsräume hervorruft. […] Die verdinglichte Freiheit gehört dem einzelnen Individuum, sie ist nicht länger eine Beziehung zu anderen. […] Ihr Gegenstück ist die soziale Freiheit, in der die Individuen sich in ihrer Abhängigkeit wechselseitig anerkennen.“