Wie entsteht Stagflation und welche Gefahren birgt sie?
Eine Stagflation wird in der Regel durch einen so genannten Angebotsschock ausgelöst. Damit sind Situationen gemeint, in denen das gewohnte Angebot bestimmter Güter durch ein bestimmtes Ereignis entscheidend herabgesetzt bzw. sein Preis stark erhöht wird. Der Angebotsschock entsteht also, wenn zum Beispiel ein wichtiger Rohstoff nicht mehr in der gleichen Menge wie zuvor zur Verfügung steht. In den 1970ern führte dieses Szenario zum besagten Ölpreisschock, der die Stagflation auslöste.
Durch den daraus resultierenden Mangel steigen zunächst die Preise für besagten Rohstoff, was bei den Unternehmen in der Folge zu erhöhten Produktionskosten sowie zu höheren Verkaufspreisen für die Verbraucher_innen führt. Diese führen in der Regel zu weiteren Preiserhöhungen bei anderen Produkten und Dienstleistungen, deren Vorprodukte teurer geworden sind (Inflation). Darüber hinaus schmälern Unternehmen potenziell ihre Angebotspalette und konzentrieren sich auf die Produktion ausgewählter Produkte. Außerdem sind wir heutzutage zunehmend mit dem Problem einer sogenannten Schrinkflation konfrontiert. Die Unternehmen reduzieren die Menge ihrer Produkte in einzelnen Verpackungen. Die Schokolade wiegt plötzlich nur noch 80 Gramm statt wie zuvor 100 Gramm. Oder die Qualität der Produkte nimmt ab. In Müslipackungen finden sich z.B. vermehrt preiswerte Haferflocken statt der teureren Nüsse.
Es ist im Grundsatz ein Verteilungsproblem entstanden: Es werden sowohl auf Produzent_innen- als auch auf Konsument_innenseite Einschränkungen vorgenommen, um die aufgrund des Preisschocks gestiegenen Produktionskosten bzw. zurückgegangene Kaufkraft zu kompensieren.
Diese Aktionen führen zu einem Ausbremsen des Wirtschaftswachstums (Stagnation). Dadurch werden die Auswahl und die Qualität der Produkte für die Konsument_innen reduziert. Mit sinkender Kaufkraft geht der Konsum zurück, weil sich die Verbraucher_innen nicht mehr so viel leisten können.
Angesichts des inflationsbedingt geringeren verfügbaren Einkommens werden die Verbraucher_innen daher über kurz oder lang Lohnerhöhungen fordern, welche – wenn Sie über dem Produktivitätsfortschritt liegen – zu noch höheren Produktionskosten und damit ebenfalls zu höheren Preisen führen, während der Umsatz aber eher stagniert oder abnimmt.
Hinzu kommt, dass vermehrt Mitarbeitende entlassen werden, weil es angesichts der schwindenden Produktion ohnehin weniger zu tun gibt. Die erhöhte Arbeitslosigkeit senkt das Durchschnitteinkommen und damit nimmt die Kaufkraft noch weiter ab.
Die sich gegenseitig hochschaukelnden Löhne und Preise führen dann zu einer Lohn-Preis-Spirale. Sie ist eine der größten Gefahren der Stagflation und kann im Extremfall zu einer Hyperinflation führen. In einem solchen Fall versuchen die Zentralbanken, mithilfe von Zinserhöhungen der Inflation entgegenzusteuern, um die Spiralwirkung zu verlangsamen oder zu stoppen. Allerdings können Zinserhöhungen die Inflationsrate nicht immer positiv beeinflussen, sondern teilweise sogar genau das Gegenteil bewirken: Zu starke Zinserhöhungen können die Wirtschaft sogar bremsen. Reagiert die Zentralbank zu spät mit einer Zinserhöhung, wird sie umso energischer eingreifen müssen, was wiederum die Rezession verstärkt.
Ein Paradebeispiel für den Verlauf einer Stagflation sind übrigens die bereits erwähnten Ölpreiskrisen in den 1970er Jahren. Der Angebotsschock wurde damals durch ein Öl-Embargo der OPEC ausgelöst, wodurch sich der Ölpreis innerhalb kürzester Zeit vervierfachte. Das beeinflusste die ganze Wirtschaft und hatte Preiserhöhungen, eine höhere Arbeitslosigkeit und damit eine Steigerung der Inflationsrate zur Folge. Die mit Stagnation gepaarte Inflation dauerte in dem Fall in Deutschland insgesamt acht Jahre. Heute stehen wir anlässlich des Ukraine-Krieges vor einer vergleichbaren Situation.