Ziele von Energiepolitik
Energiepolitik verfolgt drei große Ziele, die auch als energiepolitisches Zieldreieck bezeichnet werden: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und ökologische Verträglichkeit. (4)
1. Versorgungssicherheit
Versorgungssicherheit stellt mit Blick auf Volkswirtschaften eines der wichtigsten Ziele der Energiepolitik dar: Die Energieversorgung aller Industriezweige, Institutionen und Bewohner eines Landes sollte zu jedem Zeitpunkt sichergestellt sein. Das bedeutet, dass flächendeckend stets ausreichend Energie zur Verfügung steht. Anderenfalls könnte es im Falle einer Unterversorgung des Elektrizitätsnetzes beispielsweise zu temporären Blackouts kommen.
Die Energieversorgung ist daher in Bezug auf zwei Aspekte sicherzustellen: Sowohl die technische als auch die politische Versorgungssicherheit müssen gegeben sein. (5) Technische Versorgungssicherheit garantiert, dass alle Energiequellen und ihre Komponenten – zum Beispiel Anlagen, Leitungen und Steuerungssysteme – voll funktionsfähig und einsatzbereit sind.
Politische Versorgungssicherheit bezieht sich auch auf außen- und wirtschaftspolitische Fragestellungen der Energieversorgung. Viele Länder verlassen sich für ihre Energieversorgung auf Energie-Importe – zum Beispiel aus Staaten mit großen Erdöl-Vorkommen wie den USA, Saudi-Arabien oder Russland. Übermäßige energiepolitische Abhängigkeiten von anderen Staaten stellen jedoch eine Gefahr für die Versorgungssicherheit dar und bieten eine Angriffsfläche, sollte es zu außenpolitischen Spannungen kommen.
2. Wirtschaftlichkeit
Eng mit der Versorgungssicherheit verknüpft ist das Ziel der Wirtschaftlichkeit. Hier kommt auch eine soziale Komponente zum Tragen (6): Hohe Preise und Unruhen auf den Energiemärkten können zu einem starken Preisanstieg aufseiten der Endverbraucher_innen führen. Können diese sich Energie in Form von Strom, Gas oder Benzin nicht mehr leisten, ist eine flächendeckende Energieversorgung nicht mehr gewährleistet. Energiepolitik sollte daher auf Kosteneffizienz achten und, sofern nötig und sinnvoll, Instrumente zur Beeinflussung der Energiemärkte wie zum Beispiel Steuern oder Subventionen nutzen. Hinzu kommt gegebenenfalls auch die Liberalisierung oder Regulierung der Energiemärkte.
Eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung der energiepolitischen Wirtschaftlichkeit stellen im Bereich Elektrizität darüber hinaus die Stromgestehungskosten dar. Sie geben an, welche Kosten für die Erzeugung von Strom anfallen, und setzen dazu die Kosten für den Bau sowie den Betrieb einer Anlage und die Menge des über den gesamten Lebenszyklus der Anlage erzeugten Stroms ins Verhältnis. Bei einem Vergleich der Energiequellen anhand der Stromgestehungskosten werden Faktoren wie z. B. Umweltverträglichkeit oder technische Voraussetzungen außer Acht gelassen. Je nach Rechenmethode und zugrunde liegenden Annahmen werden die Stromgestehungskosten teilweise unterschiedlich berechnet und sind somit nicht immer vergleichbar. (7)
3. Ökologische Verträglichkeit
Das Ziel der ökologischen Verträglichkeit soll sicherstellen, dass die Energiepolitik Rücksicht auf die Umwelt nimmt und mit Blick auf die Energieversorgung Schutzmaßnahmen ergreift. Zu den Risikofaktoren für ökologische Verträglichkeit zählen zum Beispiel folgende:
- Schadstoff- oder Treibhausgasemissionen durch die Förderung und Nutzung von Erdöl, Erdgas und Treibstoffen
- erhöhte Erdbebengefahr und Verschmutzung des Grundwassers durch Fracking
- radioaktive Abfälle aus Atomkraft
- Störfälle in Atomkraftwerken (Gefahr eines Super-GAUs)
Die energiepolitischen Ziele Deutschlands sind im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) folgendermaßen festgehalten:
„Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente, umweltverträgliche und treibhausgasneutrale leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität, Gas und Wasserstoff, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.“ (EnWG § 1 (1))
Während sich innerhalb des energiepolitischen Zieldreiecks zahlreiche Schnittstellen und gegenseitige Abhängigkeiten ergeben – so stützt zum Beispiel eine hohe Kosteneffizienz auch die Versorgungssicherheit –, bewegen sich andere Ziele in einem Spannungsfeld: Maßnahmen zum Schutz der Umwelt sowie umweltverträglichere Energiequellen können häufig kurzfristig nur zulasten der Wirtschaftlichkeit umgesetzt oder in Gang gesetzt werden, da die wahren Kosten fossiler Energieerzeugung wie z.B. die Klimaerhitzung erst später sichtbar werden. So schätzt zum Beispiel die Bundesnetzagentur (8), dass für den Ausbau der Übertragungs- und Verteilernetze bis 2030 rund 102 Milliarden Euro investiert werden müssen. Notwendig sind diese kostenintensiven Maßnahmen für einen Umstieg auf erneuerbare Energien.
In diese Rechnung fehlen häufig jedoch Kosten, die durch diese Maßnahmen in Zukunft vermieden oder gesenkt werden können. So leistet die Abkehr von der fossilen Energieerzeugung beispielsweise einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Die Erderwärmung und ihre Folgen fordern bereits heute einen hohen Preis: Seit dem Jahr 2000 verursachten Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse infolge des Klimawandels in Deutschland Kosten in Höhe von mindestens 145 Milliarden Euro, was jährlich 6,6 Milliarden Euro entspricht. (9) Hinzu kommen Schäden aufgrund von Landübernutzung und dem Verlust der Artenvielfalt, die schwer zu beziffern sind. Die energiepolitische Wirtschaftlichkeit sollte daher nicht nur anfängliche Investitionen betrachten, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf das Zieldreieck miteinbeziehen.
Somit ist oftmals abzuwägen, welche Ziele in welcher Form verfolgt und an welchen Punkten energiepolitische Kompromisse oder Abstriche getätigt werden.