Wie steht es um die Teilhabe geflüchteter Frauen an Erwerbsarbeit?

Dazu befragten wir Dr. Tanja Fendel, Co-Autorin eines im Mai 2021 erschienenen WISO Direkt und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).



FES: Bis zum Einsetzen der Corona-Pandemie konnte die Integration Geflüchteter alles in allem als eine Erfolgsgeschichte bewertet werden. Galt dies für beide Geschlechter im selben Maße? 

Analysen auf Basis der IAB-BAMF-SOEP Befragung Geflüchteter zeigen, dass es in fast allen für die Integration wichtigen Bereichen auch in der vierten Befragungswelle 2019 noch große Geschlechterunterschiede gibt. Hierbei weisen die Analysen auf einen gewichtigen Einfluss von Kindern im Haushalt, mit denen Frauen zudem deutlich häufiger als Männer zusammenleben. Unter den Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter waren Frauen – trotz hoher Erwerbsabsicht – nur zu 13 Prozent erwerbstätig im Vergleich zu 53 Prozent der Männer. Damit setzt sich das schon vor dem Zuzug existierende Gefälle in der Erwerbspartizipation zwischen den Geschlechtern fort. Während demgegenüber kaum Geschlechterunterschiede in der Bildungserfahrung vor dem Zuzug existieren, partizipieren Männer häufiger als Frauen an Bildung in Deutschland. Dies dürfte auch an einem durchschnittlich niedrigeren Alter der Männer im Vergleich zu dem der Frauen liegen, da jüngere Menschen allgemein häufiger in Bildung investieren. Zudem haben in der Befragung nur ein Drittel der geflüchteten Frauen gegenüber der Hälfte der geflüchteten Männer ihre Deutschkenntnisse – die ein sehr wichtiger Faktor gelingender Arbeitsmarktintegration sind – als mindestens gut eingeschätzt und weniger Frauen als Männer angegeben bereits über ein Sprachzertifikat zu verfügen. 

Sie hatten bereits 2019 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Kurzpapier zur Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen veröffentlicht. Wie hat sich die Situation geflüchteter Frauen mit Blick auf die Teilhabe an Erwerbsarbeit seitdem verändert? 

Die Erwerbsbeteiligung der seit 2013 zugezogenen Frauen hat sich seit 2016 mehr als verdoppelt. Mit 13 Prozent entspricht die Erwerbsquote in 2019 jedoch erst in etwa derjenigen der seit 2013 zugezogenen Männer in 2016. Zudem existieren auch in 2019 weiterhin große Unterschiede zwischen kinderlosen Frauen und Müttern, insbesondere wenn die Kinder noch klein sind, während Unterschiede zwischen kinderlosen Männern und Vätern gering ausfallen. Daher ist es von hoher Bedeutung, Müttern durch ein breites Angebot an Kinderbetreuung eine stärkere Erwerbsbeteiligung zu ermöglichen. Die Teilnahme an Integrationsmaßnahmen kann hierbei eine große Unterstützung darstellen und hier zeigen sich in den letzten Jahren erfreulicherweise für Frauen größere Zuwächse. Das dürfte auch daran liegen, dass die Teilnahme für einen Großteil der Geflüchteten verpflichtend ist. Daher kann die Teilnahme aufgrund von Kinderbetreuung nicht dauerhaft zurückgestellt werden bzw. ist  durch Kinderbeaufsichtigung parallel zu den Kursen oder gar Kinderbetreuung im Regelsystem der Kinderkrippen und Kindergärten möglich. 

Die Daten, die diesen Publikationen zugrunde liegen, stammen aus der so genannten IAB-BAMF-SOEP-Befragung. Was ist das Besondere an diesem Datensatz und wie wird sichergestellt, dass Genderaspekte in der Erhebung ausreichend berücksichtigt werden? 

Die jährlich durchgeführte Wiederholungsbefragung wird seit 2016 vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Kooperation mit dem Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) durchgeführt. Die derzeit aktuellsten vorliegenden Daten sind aus dem Jahr 2019. Es handelt es sich um eine inhaltlich breit angelegte Befragung von insgesamt nun bereits mehr als 8.000 volljährigen in jüngerer Zeit nach Deutschland geflüchteten Frauen und Männern.  Die Befragung erhebt die Migrations-, Bildungs- und Erwerbsbiografien vor und nach dem Zuzug, es existieren Fragen zu Flucht, Asylverfahren und anderen Besonderheiten des Integrationsprozesses von Geflüchteten, Sprachkompetenz, Familienbeziehungen, Netzwerken und vielen weiteren Aspekten. Einerseits ermöglicht die Integration in das SOEP, der größten deutschen Haushaltsbefragung, einen Vergleich zu anderen Migrantengruppen und der deutschen Bevölkerung. Andererseits können durch eine Verknüpfung mit den integrierten Erwerbsbiografien des IAB – sofern die Befragten dem zustimmen – Beschäftigungs-, Lohn-, Leistungsbezieher- und Maßnahmendaten ausgewertet werden. Da unter den Asylerstantragstellenden Frauen seltener vertreten sind als Männer, wurden Frauen für hinreichende Fallzahlen in der Stichprobenziehung überproportional berücksichtigt. Durch eine Gewichtung von Auswertungen können diese Befunde dann als repräsentativ für die von 2013 bis 2016 eingewanderten Geflüchteten, Männer wie Frauen, interpretiert werden.  

Die Corona-Pandemie zeigt bereits starke Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenzahlen steigen. Was bedeutet diese Entwicklung für geflüchtete Frauen und ihre Chancen auf Teilhabe an Erwerbsarbeit? 

Die Pandemie hat starke Auswirkungen auf die Teilhabechancen geflüchteter Frauen. Bereits die Befragungsdaten von 2019, also vor Einsetzen der Pandemie, zeigen, dass weniger als die Hälfte der Frauen im Vergleich zu 70 Prozent der Männer mindestens einmal pro Woche Kontakt zu Personen ohne Migrationshintergrund außerhalb ihres Haushalts haben. Diese Kontakte sind gerade für Frauen von hoher Relevanz, da sie den Erwerb und Ausbau von Deutschkenntnissen fördern und auch den Eintritt in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft allgemein begünstigen können. Kontakte außerhalb des Haushalts haben sich in der Pandemie nun noch weiter reduziert. Auch sind vielfach Integrationsmaßnahmen ausgesetzt worden oder eine Teilnahme war bzw. ist – die technische Ausstattung vorausgesetzt – nur online möglich. Mit Daten aus künftigen Befragungswellen können die Auswirkungen der Pandemie genauer quantifiziert werden. Zu erwarten ist, dass diese Auswertungen gerade für geflüchtete Frauen eine große Isolation sowie eine starke Beeinträchtigung des Deutscherwerbs und Integrationsverlaufs aufzeigen. Ein Pandemie-bedingter Anstieg der Arbeitslosenzahlen wird  die Chancen auf Erwerbsarbeit für geflüchtete Frauen zusätzlich verringern. 

Wir danken für dieses Interview!

 

Hier finden Sie die erwähnten Publikationen

Wirtschaft:
Vera Gohla
030 26935-8331
Vera.Gohla(at)fes.de

Finanzen:
René Bormann
0228 883-8312
Rene.Bormann(at)fes.de

Ökologie:
Max Ostermayer
030 26935-8319
Max.Ostermayer(at)fes.de

Soziales:
Iva Figenwald
0228 883-8309
Iva.Figenwald(at)fes.de

nach oben