Aktuelle ‚feministische Außenpolitiken’ sind oft nur verwässerte rosa Anstriche des Status Quo. Was getan werden muss um daraus ein tiefes feministisches Lila zu machen, erfahrt ihr in diesem Artikel des Gender and Development Network.
Die Gefahr des ‘Purplewashing’
Da sich immer mehr Regierungen dazu verpflichten, eine ‚feministische Außenpolitik’ zu betreiben, besteht die reale Gefahr, dass der Begriff verwässert wird; ein ‘Purplewashing’, das dem, was Entscheidungsträger*innen ohnehin vorhatten, ein falsches feministisches Etikett aufklebt. Wie können wir also sicherstellen, dass das Konzept einer feministische Außenpolitik zu realem und nachhaltigem Wandel beiträgt?
Vor dem Hintergrund von Black Lives Matter und dem wachsenden Bewusstsein für das fortbestehende Erbe des Schadens, den der europäische Kolonialismus angerichtet hat, muss jede Außenpolitik, die die Bezeichnung feministisch verdient, sowohl eine ehrliche Reflektion über den bereits angerichteten Schaden, als auch über die Art und Weise, in der das koloniale Erbe fortbesteht, beinhalten. Vor allem muss sie sich damit beschäftigen, wie massiv die internationale Wirtschaftspolitik weiterhin von den ehemaligen Kolonialmächten dominiert wird – und das zu Lasten derer, die einst kolonisiert wurden. Außenpolitik wird erst dann feministisch sein, wenn sie Politik und Praxis auf Gebieten wie Entwicklungshilfe, Handel, Investment, Staatsverschuldung und internationalen Finanzinstitutionen dekolonialisiert und die Notwendigkeit von Restorative Justice und Reparationen anerkennt.
Auch ist es an der Zeit, dass diejenigen von uns, die für internationale Entwicklungsorganisationen im Globalen Norden arbeiten, ihre eigenen Rollen und Mandate hinterfragen. Dazu müssen wir die durch Neo-Kolonialismus und White Supremacy geschaffenen Machtverhältnisse, die unseren Sektor prägen und gestalten, besser verstehen lernen.
Einen Beitrag zu diesen Reflektionen liefert ein neues Diskussionspapier des Gender and Development Networks (GADN). Der in Konsultation mit 31 Aktivist*innen und Advocates aus der ganzen Welt verfasste Bericht richtet sich vor allem an jene, die über ‚Macht und Privilegien des Globalen Nordens’ verfügen – ein Begriff, der die Vorteile beschreiben soll, die eine Organisation oder eine Einzelperson unabhängig von ihrem Standort aus ihrer Zugehörigkeit zum Globalen Norden zieht. Damit soll die problematische Binarität von ‚Globalem Süden’ und ‚Globalem Norden’ vermieden werden, die durch die Dezentralisierung von internationalen NGOs noch zusätzlich verkompliziert wird.
NGOs: Verteiler*innen- und Herausforderer*innen-Rollen
Indem sie als Weiterleiter*innen von Geldern oder politischen Zugang hauptsächlich eine Verteiler*innenrolle spielen, laufen viele Organisationen im Globalen Norden Gefahr, koloniale Beziehungen aufrechtzuerhalten und Ressourcen, die direkt in den Globalen Süden hätte fließen können, als Betriebskosten abzuzweigen. Die Publikation untersucht, inwieweit diejenigen, die über ‚Macht und Privilegien des Globalen Nordens’ verfügen, ein Teil des Problems sein können, indem wir Informationen von unseren Partnerorganisationen für unser eigenes Fundraising oder die Herausbildung unserer Marke abschöpfen oder negatives Bildmaterial verwenden, das Schwarze Menschen und People of Colour reviktimisiert.
Das Papier weist daraufhin, dass – wenn wir es ernst meinen mit einem Feminismus, der das Erbe des Kolonialismus anerkennt – jene von uns, die von ‚Macht und Privilegien des Globalen Nordens’ profitieren, eine klare Verantwortung und sogar die Pflicht zur aktiven Wiedergutmachung haben. Unsere Rolle ist dann die eines/einer Herausforder*in: wir müssen unsere Regierungen für vergangenes Leid und gegenwärtigen Schaden zur Verantwortung ziehen. Wie es Theo Sowa, ehemalige CEO des African Women’s Development Fund, ausdrückt: “Organisationen aus dem Globalen Norden dürfen sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen, denn sie haben von diesen ungleichen Systemen profitiert. Und wir sollten nicht erwarten, dass der Globale Süden einfach einspringt und die globalen Missstände beseitigt. Der Globale Norden hat die Pflicht, seinen Teil zur Behebung des von ihm angerichteten Schlamassels beizutragen.“
Das Papier legt dar, dass Entwicklungsorganisationen des Globalen Nordens auch die Machtverhältnisse, innerhalb derer wir arbeiten, erkennen und anfechten müssen, wenn sie feministischer und dekolonialer werden wollen. Ehrliches Nachdenken darüber, was uns zu unserer Arbeit motiviert – ob das nun Nächstenliebe, Solidarität oder die Pflicht zur Wiedergutmachung vergangenen Unrechts ist – und wie wir davon profitieren, könnte ein Anfang sein, solange diese Reflektion zu einem Wandel in unserem Handeln führt. Auch müssen wir uns damit auseinandersetzen, was ‚vom Süden geleitet'’ in der Praxis wirklich bedeutet.
Dies könnte auch die Infragestellung einer ‚Arbeitsteilung’ beinhalten, bei der strategisches Wissen und globale Analyse nur dann anerkannt werden, wenn sie aus dem Globalen Norden kommen, während die Vertreter*innen des Globalen Südens nur die ‚Geschichten’ und Anekdoten dazu liefern sollen. Es könnte auch bedeuten, dass wir in unserer Advocacy mutiger werden und sicherstellen, dass unsere Arbeit in der politischen Analyse und den Forderungen des Globalen Südens verankert ist, auch wenn wir dadurch den Zugang zu Entscheidungsträger*innen verlieren könnten. Wir werden sicher darüber nachdenken müssen, welche Rollen besser vom Globalen Süden übernommen werden können, und wir werden dem Wachstumsimperativ widerstehen müssen, dem so viele internationale Entwicklungsorganisationen nacheifern.
Tiefes feministisches Lila und ökologisches Grün
Wenn wir von unseren Regierungen eine feministische Außenpolitik einfordern, müssen wir sicherstellen, dass diese tatsächlich transformativ ist – kein verwässertes Pink, sondern tiefes feministisches Lila und ökologisches Grün –, dass sie das koloniale Erbe anerkennt und dafür entschädigt und sich mit den internationalen Wirtschaftssystemen auseinandersetzt, die dieses Unrecht aufrechterhalten. Und in diesem Zuge müssen diejenigen von uns, die über ‚Macht und Privilegien des Globalen Nordens‘ verfügen, auch unsere eigenen Rollen überdenken und uns der Herausforderung stellen, uns und unsere Arbeitsweise zu verbessern.
Die in diesem Beitrag zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor*innen spiegeln nicht zwangsläufig die Haltung der Redaktion oder der Friedrich-Ebert-Stiftung wieder.