Wirtschaft und Menschenrechte

Unternehmen weltweit in die Pflicht nehmen

Hier können Sie die Studie "Unternehmen und Menschenrechte" von Robert Grabosch herunterladen.

Unfaire Arbeitsbedingungen führen dazu, dass weltweit Menschenrechte verletzt werden. Um das zu verhindern sollten Staaten Unternehmen dazu verpflichten über Grenzen hinweg, Menschenrechte einzuhalten. Nicht zuletzt müssen Menschen, deren Rechte durch global agierende Konzerne verletzt werden, die Möglichkeit haben, diese Rechte auch vor Gericht geltend zu machen. Dafür setzt sich die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) mit ihrer Arbeit zur Unternehmensverantwortung ein.

Im Dezember 2016 hat die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verabschiedet. Dieser geht auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zurück, die 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen entwickelt wurden. Darin werden Unternehmen explizit aufgefordert, menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in ihre Geschäftsabläufe zu integrieren. Um die Verbindlichkeit zu erhöhen, wird die Bundesregierung bis Ende 2020 überprüfen, ob mindestens 50 Prozent der Unternehmen ab 500 Beschäftigten der Aufforderung nachgekommen sind. Ist dies nicht der Fall, behält sie sich vor, gesetzlich tätig zu werden. Dabei steht die Bundesregierung in besonderer Weise in globaler Verantwortung, denn in der zweiten Jahreshälfte 2020 wird sie die EU- Ratspräsidentschaft innehaben und nachhaltige Lieferketten auf die politische Agenda setzen.

Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft diskutieren fortwährend die Frage, ob freiwillige oder verbindliche Spielregeln helfen können, Menschenrechtsverletzungen in globalen Produktionsnetzwerken zu verhindern. In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass immer mehr Länder regulativ tätig werden und ihren Geltungsbereich auf global agierende Unternehmen ausweiten.

Die FES hat dazu in einer Studie elf Regulierungsansätze weltweit untersucht und festgestellt, dass die Regierungen der entsprechenden Länder weitgehend unabhängig voneinander agieren und im Detail sehr unterschiedliche Wege gehen. Einige Staaten konzentrieren sich auf die unterschiedlichen Formen von Menschenrechtsverletzungen, wie dem Verbot von Kinderarbeit oder der modernen Sklaverei, andere dagegen auf einzelne Regionen oder Produktionsländer. In Einem jedoch ähneln sich die Ansätze der untersuchten Länder: Die Regularien gelten häufig auch für ausländische Unternehmen, die in einem Staat ansässig sind, Geschäfte treiben oder an der Börse notiert sind. Es zeichnet sich also ein Trend ab, in dem nationale rechtliche Maßnahmen überregionale Anwendung finden.

Für eine bessere Übersicht hat die FES eine interaktive Karte erstellt, auf der alle Regularien schnell gefunden und geographisch eingeordnet werden können. Außerdem liefert sie erste vorsichtige Hinweise, in welche Richtung sich die Debatte um nachhaltige Lieferketten entwickelt könnte.

Lieferkettengesetze und -verordnungen weltweit

Cloropleth World Map CSR

Im Jahr 2018 trat in Australien der Modern Slavery Act 2018 in Kraft. Das Gesetz fordert von australischen Unternehmen mit mehr als 100 Millionen AUD Umsatz regelmäßige Berichte zu den Themen Sklaverei, sklavenähnliche Taten, Menschenhandel und Kinderarbeit (Vergl. UK und Kalifornien). Darüber hinaus gilt der Slavery Act auch für staatliche Einrichtungen, Universitäten, NGOs und für die australischen Bundesstaaten. Die Berichte müssen in einem öffentlich zugänglichen Register eingesehen werden können. Von einem mit weiten Kompetenzen ausgestatteten Antisklavereibeauftragten des Bundes wird im Gesetz abgesehen. Lediglich das Land New South Wales verankert dies in ihrem Landesrecht und ermöglicht die Verhängung von Bußgeldern an Unternehmen, welche gegen das Gesetz verstoßen. Straf- oder Bußgeldvorschriften gibt es vorerst nicht.

Die EU-Holzhandelsverordnung verbietet es Holz oder Holzerzeugnisse aus illegalem Einschlag auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr zu bringen. Unternehmen, die diese Produkte erstmalig bereitstellen, unterliegen einer Sorgfaltspflichtregelung. Das Einfuhrverbot ermöglicht damit erstmals eine ordnungs- und strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen, die Holz oder Holzerzeugnisse in die EU in Verkehr bringen. Der weiterführende Holzhandel muss Informationen über Lieferanten und Kunden für fünf Jahre aufbewahren, um eine lückenlose Rückverfolgung zu gewährleisten. Den jeweiligen EU-Mitgliedsländern unterstehende Landesbehörden überprüfen, ob die Verordnung von den Unternehmen eingehalten wird. Im Verdachtsfall können sie auch Stichproben und Kontrollen durchführen. Bei Verfehlungen drohen Beschlagnahme und Ordnungsgelder.

Die CSR-Berichtspflichtenrichtlinie der EU gilt für große Unternehmen mit mindestens 500 Angestellten. Sie greift Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmer_innenbelange auf und nimmt die Bekämpfung von Korruption und Bestechung sowie die Achtung der Menschenrechte in den Fokus. Die Berichte sollen eine detaillierte Informationsgrundlage für die verschiedenen Anspruchsgruppen sein, die ihre geschäftlichen Entscheidungen zunehmend an nichtfinanziellen Aspekten der Unternehmensführung ausrichten. Eine Vielzahl möglicher Einschränkungen eröffnet jedoch den einzelnen Mitgliedsländern große Spielräume in der Umsetzung der Richtlinie. Beispielsweise sind in Deutschland durch die Begrenzung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen, statt 4000 nur 500 Unternehmen betroffen. Bei Nichterfüllung der Berichtspflicht können Bußgelder verhängt werden.

Die Konfliktmineralien-Verordnung soll die Lieferketten von Unternehmen, die bestimmte Rohstoffe in die EU importieren, transparenter machen. Gerade im Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft mit erneuerbaren Energien hängt viel von Mineralien wie Zinn, Tantal und Wolfram ab. Rohstoffreiche Gebiete sind aber häufig von gewaltsamen Konflikten betroffen, in denen staatliche Institutionen nur wenig Steuermacht ausüben können. Mit der Richtlinie verpflichtet die EU die Importunternehmen zu einer Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten. Davon sind indirekt auch Minen-, Hütten- und Raffineriebetreiber_innen betroffen. Zur Unterstützung wird die Europäische Kommission ein Handbuch und Listen veröffentlichen, die es Unternehmen erleichtern, Konflikt- und Hochrisikogebiete zu identifizieren.

 

In Frankreich gilt seit 2017 das sogenannte Loi de Vigilance Gesetz, welches eine Sorgfaltspflicht für französische Unternehmen mit mehr als 5.000 Angestellten vorsieht. Das Gesetz greift im Kern die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflicht auf. Es wird eine Pflicht zur Erarbeitung und wirksamen Umsetzung eines Überwachungsplans gefordert. In einem jährlichen Bericht müssen Unternehmen Risiken ihrer eigenen Tätigkeiten, ihrer Tochterunternehmen sowie Subunternehmen und Lieferanten veröffentlichen. Es gilt eine zivilrechtliche Haftung auf Zahlung von Schadensersatz.

Mit dem Gesetz Wet Zorgplicht Kinderarbeid sollen alle in- und ausländischen Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen an niederländische Verbraucher_innen erbringen, Informationen über ihre Sorgfalt gegenüber Kinderarbeit in weltweiten Lieferketten zur Verfügung stellen. Damit sind auch ausländische Unternehmen betroffen, die nicht ihren Sitz in den Niederlanden haben. Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen gegenüber einer noch zu bestimmenden Behörde erklären, dass sie die Sorgfalt gegen Kinderarbeit erfüllen.
Bußgelder können dann verhängt werden, wenn ein Unternehmen Kinderarbeit in seiner Lieferkette zulässt. Wenn wiederholte Verstöße bekannt werden, können sogar Gefängnisstrafen verhängt werden. Das Gesetz tritt frühestens 2020 in Kraft.

 

2018 fand im Nationalrat in Österreich die erste Lesung des Sozialverantwortungsgesetzes statt. Mit dem geplanten Gesetz soll der Verkauf von Bekleidungsartikeln unterbunden werden, bei denen es entlang der Produktions- und Lieferkette zu Zwangs- und Kinderarbeit kommt. Der Geltungsbereich bezieht sich auf mittelständische und große Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung oder eine Niederlassung in Österreich haben und die Textilien und Schuhe importieren und handeln. Das Gesetz soll die Unternehmen verpflichten, eine Risikoanalyse, ggf. Folgemaßnahmen und eine Dokumentation anzufertigen. Eine Dokumentation soll von Verbraucherschutzverbänden verlangt werden können, die darüber hinaus auch Unternehmen verklagen können.

Die Volksinitiative Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt möchte international anerkannte Menschenrechte und internationale Umweltstandards weltweit schützen. Sie fordert den Gesetzgeber auf, gesetzliche Verpflichtungen großer Schweizer Unternehmen in Hinblick auf nachhaltige Lieferketten durchzusetzen. Sie richtet sich an Unternehmen mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz. In öffentlichen Berichten sollen Risikoidentifizierung, Vorsorge und Abhilfe dargestellt werden. Im Zuge dessen, hat der Nationalrat einen Gegenentwurf verabschiedet, der das Anliegen der Volksinitiative weitgehend, wenn auch nicht vollumfassend aufnimmt. Im Jahr 2020 wird entschieden, ob die beiden Kammern in der Schweiz sich auf ein Gesetz einigen können, oder, ob es zu einer Volksabstimmung kommen wird.

Der Modern Slavery Act 2015 adressiert in- und ausländische Unternehmen, die im Vereinigten Königreich Geschäfte tätigen und selbst oder durch Tochterunternehmen weltweit einen Umsatz von 36.000.000 Pfund erreichen. Diese Unternehmen müssen darüber berichten, welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um Sklaverei, Leibeigenschaft, Zwangs- und Pflichtarbeit sowie Menschenhandel in ihren Lieferketten zu verhindern. Die Berichte müssen leicht auffindbar auf der Unternehmenswebseite zur Verfügung gestellt werden. In Hinblick auf Sklaverei und Menschenhandel gilt die Berichtspflicht weltweit. Wer nicht berichtet, dem droht ein Ordnungsgeld. Der Wahrheitsgehalt der Berichte wird jedoch nicht überprüft.

Mit der Section 1502 Dodd-Frank Act (seit 2010 in Kraft) soll die Finanzierung gewaltsamer Konflikte in der Gegend der Großen Seen (Afrika) eingedämmt werden. Alle an einer US- Börse gelisteten Unternehmen müssen prüfen, ob Zinn, Wolfram, Coltan oder Gold in der Lieferkette verwendet werden. Bei Verdacht muss anhand eines anerkannten Rahmenwerks vertieft geprüft werden, ob die Mineralien von gewaltsamen Gruppierungen stammen. Bußgelder sowie Klagen von Anteilseignern bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten sind möglich.

Der California Transparency in Supply Chains Act of 2010 verpflichtet Unternehmen seit 2010 ihre Bemühungen um die Bekämpfung der Sklaverei und des Menschenhandels in ihren Lieferketten offenzulegen. Verbraucher_innen sollen sich verlässlich informieren können, welche Produkte unter welchen Bedingungen hergestellt werden. Unternehmen mit einem weltweiten Bruttojahresumsatz von mehr als 100 Mio. US-Dollar, die in Kalifornien tätig sind, müssen der Berichtspflicht nachkommen und diesen auf ihrer Website leicht auffindbar zur Verfügung stellen.
Eine Liste aller berichtspflichtigen Unternehmen wird bei der Oberstaatsanwaltschaft gesammelt. Wer nicht berichtet, kann gerichtlich dazu verpflichtet werden. Bei Falschinformationen können z.B. auch Verbraucher_innen gegen die Unternehmen klagen.


Veranstaltungen in Deutschland

Freitag, 26.04.24 – Ferrotel Duisburg, Duisburg

Der Geist des Digitalen Kapitalismus: Wie verändert die Digitalisierung Wirtschaft und Gesellschaft?

Die Digitalisierung verändert unser Wirtschaftssystem. Neben der Transformation von Wertschöpfungsquellen und Geschäftsmodellen wirkt sie sich auch auf Märkte sowie auf wirtschaftliche und politische…


Samstag, 04.05.24 – Freie Akademie der Künste in Hamburg e.V., Hamburg

“The Events of the War are With Me All the Time“

Generation Talk with Survivor Barbara Piotrowska and Her DaughterBarbara Piotrowska, née Stachowicz, was born in Lviv in 1935. The family moved to Warsaw in 1939. After the invasion of the German…


Montag, 13.05.24 – Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn

Das Europäische Parlament 2024: Wir haben die Wahl - Das EP zwischen Rechtsruck und geordneten Verhältnissen

Im Juni 2024 wählen wir das Europaparlament neu. Die neuen Abgeordneten nehmen Stellung und entscheiden mit, wie die EU zu den anstehenden politischen Herausforderungen steht. Daher müssen die zur…


Publikationen

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Initiative Lieferkettengesetz

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Zum Weiterlesen

Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)

Nähere Informationen zum NAP gibt es auf den Seiten des Bundesministerium für Arbeit und Soziales. weiter

Hintergrund unserer Arbeit

Global handelnde Unternehmen sind heute die Antreiber einer global vernetzten Welt, was sich u.a.  darin zeigt, dass Wirtschaftsakteure für einige der größten Umweltkatastrophen unserer Zeit mitverantwortlich sind. So z.B. für die Verschmutzung von weiten Teilen des Amazonas-Gebietes in Ecuador durch das US Ölunternehmen Chevron .

Transnationale Konzerne verfügen über erhebliche ökonomische und politische Macht und  verfügen über riesige globale Wertschöpfungsnetzwerke. Weltweit arbeiten etwa 450 Millionen Menschen in diesen Netzwerken. Im Kampf um lukrative Produktionsbedingungen, Abbaurechte und billige Rohstoffe bleiben nicht selten Menschenrechts- und Umweltstandards auf der Strecke. Dazu kommt, dass die Betroffenen von Katastrophen und Menschenrechtsverletzungen zumeist keine Möglichkeiten haben, gegen die verantwortlichen Unternehmen vorzugehen. Vor Ort sind die staatlichen Strukturen oft zu schwach oder die Regierungen nicht willens, Umweltschutz und Menschenrechte adäquat durchzusetzen und zu schützen. Währenddessen gilt die Achtung von Standards im Ausland in den Heimatländern der Konzerne meist als freiwillige Angelegenheit.

Eine Katastrophe von vielen: Ein Großbrand in Pakistan und der Textilriese KiK

Eines der zahlreichen, drastischen Beispiele dafür, wie große Unternehmen Verantwortung für Katastrophen im globalen Süden tragen zeigt der Brand einer Fabrik von Ali Enterprises im Jahr 2012 in Pakistan: 260 Menschen erstickten oder verbrannten, weil sie das Gebäude nicht verlassen konnten, 32 wurden verletzt. Hauptkunde der Fabrik war der deutsche Textilhändler KiK. Die Überlebenden und Hinterbliebenen kämpfen seit Jahren dafür, dass KiK seine Mitverantwortung anerkennt – gemeinsam mit internationalen Gewerkschaftsverbänden und Anwälten aus Deutschland und bis vor das Landgericht Dortmund. Den Kläger_innen ging es um Gerechtigkeit und um die grundsätzliche Frage nach der Verantwortung transnationaler Unternehmen für ihre Tochterfirmen und Zulieferer in den Produktionsländern. Die Entscheidung des Dortmunder Gerichts zeigt vor allem, wie dringend es rechtlich verbindlicher Mechanismen dafür bedarf, Großkonzerne zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie die Rechte und die Sicherheit von Arbeitnehmer_innen in ihrer Zulieferkette verletzen.

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