Zum politischen Kontext
Südafrika ist mit ungefähr 5,7 Millionen HIV-infizierten Menschen eines der von der Pandemie HIV/Aids am stärksten betroffenen Länder weltweit. Da das Thema Aids in Südafrika lange Zeit öffentlich tabuisiert wurde, fehlte es jahrelang an einer vernünftigen Aufklärungsarbeit und medizinischen Versorgung der Betroffenen. Heute sind etwa 20 Prozent der Bevölkerung mit dem HI-Virus infiziert, besonders Frauen sind in hohem Maße betroffen. Auch die Infektionsrate bei Neugeborenen ist erschreckend hoch und die Zahl der Aids-Waisen wächst täglich.
Menschenrechte spielen im Kampf gegen HIV/Aids eine maßgebliche Rolle. Die Ausbreitung der Pandemie ist häufig Ergebnis vielfältiger Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen, aber auch der bürgerlichen und politischen Menschenrechte. Die Immunschwächekrankheit kann sich im Umfeld einer schwachen Ökonomie, hohen Unterernährungsraten oder eines unzureichenden Gesundheits- und Bildungssystem sehr schnell ausbreiten. Personengruppen, die in einer Gesellschaft stigmatisiert oder marginalisiert werden, sind besonders anfällig für HIV/Aids. Zugleich bereitet die Krankheit oft den Boden für weitere Menschenrechtsverletzungen, so beispielsweise durch die Ausgrenzung und Diskriminierung Infizierter und ihrer Angehörigen oder durch die unzureichende Bereitstellung medizinischer Versorgung.
Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte schreibt das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, der jedem Einzelnen Gesundheit und Wohlbefinden gewährleistet, fest. Auch in Artikel 12 des UN-Sozialpakts ist das Recht auf höchstmögliche körperliche und geistige Gesundheit sowie das Recht auf medizinische Versorgung für jeden Menschen verankert. Das bedeutet u. a. das Recht auf ärztliche Beratung, das Recht auf Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt im Rahmen von Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung, Diagnose und Behandlung sowie das Recht auf Informationen über Krankheitsverlauf und medizinische Behandlungsmöglichkeiten.
Für die Gewährleistung und Einklage eben dieser Rechte für Menschen mit HIV/Aids in Südafrika setzt sich die am 10. Dezember 1998 in Kapstadt gegründete Nichtregierungsorganisation TAC (Treatment Action Campaign) ein.
Die Preisträgerin
Mit der Verleihung des Menschenrechtspreises der Friedrich-Ebert-Stiftung an die Nichtregierungsorganisation TAC (Treatment Action Campaign) wird eine Organisation gewürdigt, die sich in besonderem Maße für die Wahrung des Menschenrechts auf Gesundheit in ihrem Land Südafrika engagiert.
Seit nunmehr über zehn Jahren setzt sich TAC mit ungefähr 16.000 ehrenamtlichen und 72 hauptamtlichen Mitarbeitern sowie 267 Niederlassungen in Südafrika für HIV-infizierte Menschen ein, berät, informiert, klärt auf und kämpft mit besonderer Kraft für einen gleichberechtigten Zugang zu einem leistungsfähigen Gesundheitssystem. Die Organisation hat sich den Herausforderungen in ihrem Kampf gegen die Immunschwächekrankheit stets mutig gestellt und dabei mit aller Deutlichkeit – auch gegen die damalige offizielle Politik der ANC-Regierung – das allgemeine Menschenrecht auf Gesundheit und Wohl eingeklagt.
TAC steht so nicht nur stellvertretend für das Selbsthilfepotential der Zivilgesellschaft, sondern auch für eine gelebte demokratische Kultur durch Einmischung in die Politik. Die Initiative ist Ausdruck einer wachen, lebendigen Zivilgesellschaft in Südafrika, die einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung leistet.