Referat Demokratie, Gesellschaft & Innovation

Progressive Männlichkeit!? - 16. November 2023, 18 Uhr

Wann ist ein Mann ein Mann? fragte Herbert Grönemeyer bereits 1984. Seitdem wurde viel debattiert über toxische Männlichkeit und über strukturelle Ungleichheit. Welche alternativen Konzepte gibt es? Gemeinsam möchten wir über „progressive Männlichkeit“ sprechen.

Progressive Männlichkeit - Reflexion und Ehrlichkeit

Den Beginn der Fishbowl-Diskussion am 16. November 2023 zu „Progressiver Männlichkeit“ läutete Prof. Michael Tunç (Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin) mit einer wissenschaftlichen Einführung ein. Dabei definierte er progressive Männlichkeit als eine Orientierung, mit der sich Männer von dominanten Leitbildern von Männlichkeit abzugrenzen versuchen. Eine progressive Einstellung bedeute demnach, dass Männer eigene Privilegien reflektieren und „mit möglichst wenig Macht über andere Menschen auskommen“.

Ein solches Verständnis von Männlichkeit wird auch in der Arbeit des feministischen Projekts HEROES vermittelt, welches mit Jugendlichen Gespräche zu Ehre, Männlichkeit und Sexualität anstößt. Eldem Kurnaz, seit über 10 Jahren als Gruppenleiterin tätig, betonte, dass der Wille zur Selbstreflexion bereits bei vielen Jugendlichen bestehe. Es fehle lediglich an Räumen für einen vorurteilsfreien Austausch unter Männern, um sich öffnen zu können: Gemeinsam diskutieren wir Themen, bei denen die Jugendlichen Bauchschmerzen bekommen, wo es an die eigene Identität geht, wo sie manchmal schlaflose Nächte haben, wo auch Tränen fließen. (…) Viele dieser jungen Männer suchen Alternativen. Und daher bieten wir diese Spaces an.“

Diese konsequente Selbstreflexion und emotionale Öffnung forderte auch Christian Dittloff, Autor des Buches „Prägung – Nachdenken über Männlichkeit“, von Männern ein. Besonders wichtig sei dabei ein ehrlicher „Rückblick in die eigene Erziehung, Schulzeit, Freundschaften und Popkultur, sowie ein Wille zur Veränderung“.Popkulturelle progressive Vorbilder böten dabei wichtige Anstöße und seien heute, so Dittloff, erfreulicherweise bereits stärker in den Mainstreammedien vertreten.

Vaterschaft

Themen wie Vaterschaft und Erziehung müssen dabei Teil dieses Reflexionsprozesses sein. Vor allem junge Männer, betonte Eldem Kurnaz, definieren oftmals in Auseinandersetzung und Abgrenzung gegenüber dem eigenen Vater ihre Männlichkeit. Die Geburt des eigenen Kindes bietet dann die Chance, eine andere, progressive Männlichkeit vorzuleben: mit geteilter Sorgearbeit und emotionaler Zuwendung. Eine solche „fürsorgliche Väterlichkeit oder Caring Masculinity“, so Michael Tunç, könne helfen, Entwicklungen progressiver Männlichkeiten voranzutreiben.

Auch Mehmed König, Landesvorsitzender SPDqueer Berlin, unterstrich aus eigener Erfahrung diegroße Relevanz der Vaterfigur: „Aufgrund von Krieg und Flucht bin ich in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem es vor allem um Stärke ging. (..) Ich habe mich immer gefragt: ist das jetzt wirklich die Antwort, wie ein Mann sein muss.“ Diese Prägung, sowie queerfeindliche und rassistische Erfahrungen in Deutschland, motivierten ihn zu seinem Engagement in der SPD.

Aus dem Publikum kamen viele unterschiedliche Stimmen zu Wort, schließlich ging es um einen gemeinsamen Suchprozess nach Vorstellungen und Beispielen progressiver Männlichkeit. Die Moderation und die Gesamtverantwortung für die Veranstaltung lag bei Philipp Kauppert, aus dem Referat Demokratie, Gesellschaft & Innovation der FES.

 


Impressionen aus der Diskussion

 

 


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