Der Sammlungsbereich des AdsD umfasst neben Plakaten, Postkarten, Fotomaterialien und audiovisuellen Medien auch eine umfangreiche Sammlung an Textilien. Seit nunmehr eineinhalb Jahren arbeiten wir daran, die vielfältigen Bestände zu sichten, neu zu verpacken, umzulagern und so die Magazinräume für die geplanten Umbaumaßnahmen zu leeren – und das betrifft auch die Textilsammlung des AdsD. Sie beinhaltet neben Flaggen und Bannern auch T-Shirts, Uniformen und Armbinden, Schärpen, Kranzschleifen und Teppiche sowie den ein oder anderen (Sonnen-)Schirm – da gibt es also so einiges zu entdecken!
Das große Highlight sind jedoch die rund 260 historischen Fahnen unterschiedlicher sozialdemokratischer Organisationen, Gewerkschaften, Landes- und Kreisverbände. Der Bestand reicht von kleineren Wimpeln bis hin zu großformatigen und teils sehr aufwändig gearbeiteten Fahnen, aus dem frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Während von Flaggen mehrere Exemplare existieren können, sind Fahnen in der Regel Einzelstücke und stehen als Ausdruck von Repräsentation, Gemeinschaft und Vereinigung gleicher (politischer) für ein vielschichtiges Zeichen- und Symbolsystem.
Die historischen Fahnen des AdsD bestehen meist aus mehreren Stofflagen und sind mit kunstvollen Stickereien und Aufnähern, Borten und Quasten detailreich ausgearbeitet. Die aufwendige Gestaltung und das Verwenden teils kostspieliger Materialien verdeutlicht den hohen kulturellen und emotionalem Wert, den die Objekte für ihre jeweiligen Organisationen hatten. In Benutzung waren die Fahnen in der Regel im Freien der Witterung ausgesetzt, durch wiederholtes Schwenken oder andere übermäßige Bewegung wurde das Material strapaziert und je nach Objektgeschichte verfolgungsbedingt einigen Tortouren ausgesetzt. Insbesondere ältere Bestände sind teilweise brüchig oder schon beschädigt und verschmutzt.
Für das AdsD ist der Erhalt dieser Unikate innerhalb der breiten Vielfalt des Sammlungsbereichs im Archivalltag eine spannende Herausforderung. Sammlungen mit unterschiedlichen Materialgruppen sind schwieriger zu lagern als homogene Bestände einer Objektgattung, die weitestgehend unter gleichen Bedingungen aufbewahrt werden können. Die historischen Fahnen des AdsD sind aus Stoff und damit letztlich nicht für die Ewigkeit gedacht. Wie alle organischen Materialien unterliegen sie dem natürlichen Verfall. Das macht sie im Archiv zu einem sehr sensiblen Sammlungsgut mit besonderen Bedürfnissen an Lagerung und Klima. Um die natürliche Alterung der Stoffe zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen, wird die Fahnensammlung des AdsD getrennt von den übrigen Beständen des Sammlungsbereichs aufbewahrt. Das derzeitige Fahnenlager des AdsD ist ein abschließbarer, fensterloser und in der Regel abgedunkelter Raum, um Lichtschäden an den Stoffen zu verringern. Neben Feuchtigkeit, die Schimmel verursachen kann, und übermäßiger Wärme, die das Material spröde und brüchig macht, beschleunigt Licht durch Ausbleichen den Alterungsprozess der Stoffe. Die historischen Fahnen liegen in deckenhohen Regalen auf maßangefertigten, ausdünstungsfreien Pressspanplatten. Flach ausgelegt werden die Objekte, um Beschädigungen der Stofffasern, Stickereien und Malereien auf den Fahnenblättern durch das Hängen, Falten oder Drapieren des Stoffes zu vermeiden. Zur Bestandserhaltung gehört es auch, dass der Fahnenraum nicht frei zugänglich ist: Der Schutz der Unikate vor Beanspruchung des Materials durch menschlichen Kontakt ist neben Kontrolle von Licht, Klima und bestmöglicher Lagerung ein wichtiger Baustein der präventiven Konservierung der Sammlung.
Während des Umbaus der Magazinräume steht das AdsD vor der Herausforderung, für eine fachgerechte und konservatorisch sichere Auslagerung des dort verwahrten Sammlungsguts zu sorgen – und das betrifft natürlich auch die Textilien. Das bisschen Stoff umräumen, kein Problem?! Weit gefehlt. Wochenlang haben zwei Mitarbeiterinnen unseres Projektteams am Sichten und Umpacken der Bestände gearbeitet. Die Objekte werden hierzu in alterungsbeständiges Seidenpapier eingeschlagen und in säurefreie Stülpschachteln aus Wellpappe verpackt. Nicht nur sind die Textilien teilweise sehr groß und schwer, denn manche Fahnenblätter messen mehrere Meter und bestehen aus drei oder mehr Stofflagen. Aufgrund ihres Alters und stellenweise fragilen Zustands können die Stoffbahnen zudem nicht einfach aus den Regalen gezogen werden. „Kleintextilien“ wie Aufnäher, Armbinden, Kranzschleifen, Schärpen und auch der ein oder andere sozialdemokratische Kissenbezug passen zwar in handlichere Kartons, die größten Verpackungen für Fahnen und Banner messen jedoch über einen Meter in Länge und Breite. Hier ist Teamarbeit gefragt, denn vom Zusammenfalten der einzelnen Kartons über das vorsichtige Ausheben der Großformate aus den Regalen bis hin zum Ablegen und Einschlagen der Stoffe in den Schachteln – kein Handgriff ist ganz alleine durchführbar, sondern muss in sorgfältiger Partner_innenarbeit abgestimmt werden. Sehr großformatige Objekte dürfen auch für den temporären Transport nicht gefaltet werden. Sie werden vorsichtig um eine gut gepolsterte Rolle aus Seidenpapier gelegt, um das Stauchen des Stoffes möglichst gering zu halten. Fahnenblätter mit Stickereien oder Malereien werden mit den Applikationen nach außen umgeschlagen, um auch hier Stauchungen des Materials zu verringern. Besonders knifflig im Umgang sind jene Fahnenblätter, die sich von der zugehörigen Fahnenstange nicht ohne Eingriff lösen lassen. Die hölzernen oder metallen Applikationen (Fahnenstangen, Aufhängungen oder Ösen) müssen zusätzlich in Seidenpapier gewickelt werden, um kaum mit dem restlichen Stoff in Berührung zu kommen. Jene Objekte, die besonderen Reinigungs- und Restaurierungsbedarf aufzeigen, werden von der restlichen Sammlung getrennt verpackt und markiert.
Die Planungen für das neue Depot des Sammlungsbereichs laufen währenddessen auf Hochtouren. Für die Textilsammlung und insbesondere die historischen Fahnen sind Planschränke mit geschlossenen Schubladen vorgesehen, um die Objekte zukünftig noch besser vor Staub und Licht zu schützen. Zusätzlich können die Schubladen zur Ansicht einfach herausgezogen werden, ohne dass die Stoffe an sich immer wieder aufs Neue bewegt werden müssen. Weitere Kleintextilien finden in inventarisierten Archivkartons in Regalen ihren Platz. Ziel ist es, die Textilsammlung des AdsD im neuen Depot zu bündeln, in Hinblick auf Klima, Verpackung und Lagerung bestmöglich zu verwahren und so präventiv für die Zukunft im Archiv zu sichern. Bis dahin ist die Bearbeitung insbesondere der historischen Sammlungsbestände für uns regelmäßig ein spannendes Abenteuer, bei dem es immer wieder etwas zu Entdecken und Staunen gibt!