Ein wichtiger Anhaltspunkt stellt die Ausbildung dar. Tode aus Verzweiflung treten häufiger unter den Menschen in den USA auf, die über keinen Universitätsabschluss verfügen. Allerdings sind in dieser Gruppe Männer deutlich stärker betroffen als Frauen. Außerdem trifft die Epidemie, also der starke Anstieg der Tode aus Verzweiflung, vor allem weiße Männer. Während es im Vergleich zu weißen Männern mit Universitätsabschluss keinen Anstieg gab, verzeichnet die Gruppe ohne diesen Abschluss ab den Jahrgängen 1955 und jünger eine kontinuierlich steigende Rate der Verzweiflungstode. Schwarze Menschen ohne Universitätsabschluss haben lange Zeit keinen vergleichbaren Anstieg dieser Tode erlebt, auch wenn die Raten deutlich höher gegenüber den Vergleichsgruppen weißer Menschen lagen. Allerdings steigen seit Beginn der 2010er-Jahre die Verzweiflungstode in dieser Gruppe ebenfalls deutlich an, sodass künftig auch schwarze und andere Gruppen jenseits der weißen Arbeiterklasse von der Epidemie der Tode aus Verzweiflung getroffen werden können.
Blickt man auf die gesundheitliche Situation, erkennt man erste Ursachen für die Epidemie der Verzweiflungstode. Bei weißen Männern ohne Universitätsabschluss im Alter zwischen 20 und 60 Jahren stiegen die gesundheitlichen Probleme deutlich an. Bei der Gruppe mit diesem Abschluss kommen gesundheitliche Probleme nicht nur deutlich seltener vor, sie steigen auch nicht. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Entwicklung mentalen Stresses, von dem ebenfalls vor allem weiße Männer mittleren Alters und ohne Universitätsabschluss betroffen sind. Warum führen Krankheiten zu Toden aus Verzweiflung? Körperliche und mentale Probleme hindern Menschen daran, ihrer Arbeit nachzugehen und sich mit anderen Menschen in ihrer Freizeit zu treffen.
„Etwas macht das Leben schlechter, gerade für weniger gebildete Weiße. Wichtige Fähigkeiten, die das Leben lebenswert machen, wurden entwertet, einschließlich der Fähigkeit zu arbeiten oder der Fähigkeit, das Leben mit anderen zu genießen. Schwerer mentaler Stress steigt. Natürlich erleben viel mehr Menschen diese Verschlechterung ihrer Lebensqualität als jene, die dann sterben. Aber die Verschlechterung ist mit Sicherheit der Hintergrund für die Tode.“
Körperliche Schmerzen stellen einen weiteren Indikator des Wohlbefindens dar. In einer Befragung zwischen 2008 und 2017 traten Schmerzen unter weißen Amerikanern ohne Universitätsabschluss deutlich häufiger auf im Vergleich zur gebildeteren Gruppe. Während für die Gebildeten und Vergleichsgruppen aus dem Ausland die Schmerzkurve mit zunehmendem Alter ansteigt, erfährt die Schmerzkurve in der Gruppe der Weißen ohne Universitätsabschluss einen Höhepunkt bei der Häufigkeit von Schmerzen etwa im 60. Lebensjahr. Ältere in dieser Gruppe erfahren Schmerzen im Vergleich wieder seltener, obwohl eigentlich mit dem Alter Schmerzen steigen sollten, selbst wenn durch die Rente körperlich harte Arbeit wegfällt.
Es hat offensichtlich einen starken Anstieg der Schmerzen in der Gruppe der 30- bis 60-jährigen weniger gebildeten Weißen gegeben. Eine Erklärung hierfür könnte die Zunahme von Fettleibigkeit und den damit verbundenen körperlichen Beschwerden sein, aber diese reicht für die Stärke des Befundes nicht aus. Vielmehr spielt der Arbeitsmarkt eine Rolle, allerdings weniger durch die Zunahme körperlich anstrengender Arbeit in dieser Gruppe. Lohneinbußen und Verlust des sozialen Status in dieser Gruppe werden statistisch als Ursache für Schmerzen erfasst.
Dieser Zusammenhang kann auch mit der Zunahme von Selbstmorden, Drogen- und Alkoholkonsum begründet werden. Weiße Amerikaner mittleren Alters und ohne Universitätsabschluss sind nicht nur prinzipiell stärker suizidgefährdet, auch die Selbstmordrate ist seit dem Jahr 2000 nochmals deutlich angestiegen. Alkoholkonsum ist zwar häufiger in der Gruppe der Gebildeten zu beobachten, aber starkes Trinken tritt wesentlich mehr in der Gruppe ohne Universitätsabschluss auf und hat im Zeitverlauf deutlich zugenommen. Schließlich stellt der Missbrauch von Medikamenten und Drogen die größte und am stärksten wachsende Ursache der Tode aus Verzweiflung dar.