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Kurzinfo

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Sozialdemokratischer Wohnungsbau in Berlin

Die Fotografie zeigt die Grundsteinlegung der Wohnsiedlung „Friedrich Ebert“ im Berliner Stadtteil Wedding am 5. Juli 1929. Zu sehen sind Louise Ebert (1873–1955), die Witwe Friedrich Eberts, und links hinter ihr stehend der ehemalige sozialdemokratische Reichskanzler Gustav Bauer (1870–1944). Auf dem Foto führt Louise Ebert an diesem sonnigen  Freitag die zur Grundsteinlegung gehörigen Hammerschläge aus. Sie legte der Urkunde einen Strauß Rosen bei und sprach den Wunsch aus, so der Vorwärts einen Tag später, „daß die neue Siedlung dem Wohle des Volkes dienen möge“.

Das ausgewählte Foto ist nicht nur ein Beispiel für die zahlreichen Errungenschaften Friedrich Eberts und der deutschen Sozialdemokratie, sondern auch für unsere Fotosammlung, deren Bestand online auf unserem iServer durchsucht werden kann. Ein echter Nachlass Friedrich Eberts ist leider nicht überliefert.

Nach dem Tod Friedrich Eberts 1925 wurde in Deutschland und Österreich eine Reihe von Wohnsiedlungen nach dem ehemaligen Reichspräsidenten benannt. Bei diesen Siedlungen handelte es sich entweder um von der Sozialdemokratie angeregte kommunale Wohnungsbauprogramme oder um Wohnanlagen von Genossenschaften. Mit der Benennung erschwinglicher und für ihre Zeit moderner Mietswohnungen nach Friedrich Ebert brachten die Gründer ihr Bekenntnis zu den Zielen der Arbeiterbewegung und zur Republik zum Ausdruck.

1925/1926 wurde beispielsweise der Ebert-Hof im XV. Wiener Bezirk im Zuge des kommunalen Wohnungsprogramms des „Roten Wien“ gebaut. Mit der Schaffung von Gemeindebauten begegnete die von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei geführte Stadtregierung der Wohnungsnot und dem Wohnungselend. In Frankfurt am Main entstand im Rahmen des Stadtentwicklungsprogramms „Neues Frankfurt“ in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre im Stadtteil Gallus eine Friedrich-Ebert-Siedlung. Dieser Wohnungsbau war gar in ein umfassendes Modernisierungsprogramm eingebettet, das bis zur Entwicklung neuer Schriftarten reichte.

In Berlin wurde das rund 100.000 Quadratmeter große Gelände im Jahr 1928 von dem erst kurz zuvor gegründeten Bau- und Sparverein „Eintracht“ erworben. Gustav Bauer war einer der beiden Vorsitzenden. Mit dem architektonischen und städtebaulichen Konzept wurden die beiden Architekten Paul Mebes und Paul Emmerich sowie der Stadtplaner Bruno Taut beauftragt. Die drei- und fünfgeschossigen Wohnhäuser wurden in der Zeilenbauweise errichtet, das heißt, dass die kurzen und fensterlosen Seiten der langgestreckten Gebäude zur Straße gerichtet und die Hauseingänge durch kleine Fußwege zu erreichen sind. Stilbildend für die Gebäude und die vorgeschlagenen Inneneinrichtungen war die „Neue Sachlichkeit“ mit ihrer eigenen Formensprache: Die Hausformen sind kubisch, die Dächer flach und die Fassaden glatt und ohne schmückende Ornamente.

Den offiziellen Schluss der Bauphase stellte die Errichtung des Gedenksteins für Friedrich Ebert am 25. September 1932 dar. In den späten 1930er-Jahren entstand ein dritter Siedlungsabschnitt, wobei hier wieder traditionellere Bauformen verwirklicht wurden. Die Nationalsozialisten entfernten selbstverständlich auch den Namen des Reichspräsidenten und benannten die Siedlung in „Eintracht“ um. 1949 erhielt die Siedlung ihren ursprünglichen Namen zurück.

Die etwa 1400 Wohnungen des Siedlungskomplexes bestehen überwiegend aus kleinen Eineinhalb- bis Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen zwischen 44 und 62 Quadratmetern, die bereits über ein eigenes Bad und einen Balkon beziehungsweise eine kleine Glasloggia verfügten. Die Siedlung wurde über Kokszentralheizungen mit Wärme versorgt. Im Siedlungskomplex verteilt befanden sich modern eingerichtete Waschküchen.

In Wien, Frankfurt und vielen anderen Städten in der Weimarer Republik wurden im kommunalen Wohnungsbau moderne städtebauliche Trends umgesetzt. Eine junge Generation von Architekten sah sich nun in die Lage versetzt, Sozialreformen auch im Wohnungsbau zu verwirklichen. Die Zeilenbauweise zählte mit ihrer auf Licht, Luft und Grünanlagen zielenden Anlage ebenso dazu wie eine gute Nutzbarkeit der Wohnungen und eine ökonomische Bauweise. Was heute als gleichförmig wahrgenommen wird galt zu der Zeit als Ausdruck von Gleichheit und Gerechtigkeit. Dennoch gelang es nur zum Teil, die neue Siedlung der armen Weddinger Arbeiterbevölkerung zu Gute kommen zu lassen. Die Mieten waren trotz städtischer Förderung vielfach zu hoch. So lebten dort zu einem Gutteil Angestellte und Beamte, Geschäftsleute, Intellektuelle und Selbständige. Allerdings wurden deren freiwerdende Wohnungen im Wedding vornehmlich mit Arbeiterfamilien belegt. Ein politischer Schwerpunkt war die Friedrich-Ebert-Siedlung aber dennoch: Die dort agierende 23. Abteilung war die zweitstärkste der Berliner SPD.

Die Friedrich-Ebert-Siedlung steht heute unter Denkmalschutz. Sie liegt im „Afrikanischen Viertel“ mit seinen noch aus der Kolonialzeit stammenden Straßennahmen wie Togostraße oder Petersallee. Die Afrikanische Straße mit dem Nachtigalplatz im Zentrum durchschneidet die Friedrich-Ebert-Siedlung. Im April 2018 beschloss die zuständige Bezirksvertretung, einige dieser Straßen nach Aktivistinnen und Aktivisten aus dem antikolonialen Widerstand zu benennen.

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In unserer Bibliothek

Jörg Müller, Die Friedrich-Ebert-Siedlung in Berlin-Wedding. Zur Bau- und Planungsgeschichte eines Wohngebiets der zwanziger Jahre, Reihe Arbeitshefte des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin (52), Berlin 1995.

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