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Otto Wels
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Kurzinfo

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Spielend leichte Europapolitik

Dank des Siegeszuges von C64, Amiga 500 und Atari ST erhielt der Computer in den 1980er-Jahren allmählich einen festen Platz auf heimischen Schreibtischen. Zu Beginn der 1990er-Jahre verfügten bereits etwa 30% der deutschen Haushalte über einen Heim- oder Personalcomputer. Vor allem für junge Menschen eröffnete sich eine imposante und magische Welt. Die Zahl der verfügbaren Computerspiele stieg rasant an, was eifrigen Werbefachleuten nicht verborgen blieb. Immer mehr Unternehmen bewarben ihre Produkte und Dienstleistungen mit kostenlosen Werbespielen, die sich bis heute einer großen Beliebtheit erfreuen.

In einschlägigen Internetforen schwelgen Retrogamer in ihren Erinnerungen und über kurz oder lang trifft man so beim Klicken durch die nostalgischen Aufzeichnungen auch auf das rote Parteisignum der SPD, das den Leser_innen auf dem Etikett eines Spiels mit dem Titel „Abenteuer Europa – Fred Beck jagt Hardy Krunk“ entgegenspringt.

Um jüngere Wähler_innen zu erreichen, ließ die SPD im Vorfeld der Europawahl 1994 das klassische Point-and-Click-Adventure um den eifrigen Journalisten Fred Beck herstellen. Auch wenn sein Boss in der Redaktion des Frankfurter Anzeigers vehement darauf pocht, eine Story über die Mutter von Arnold Schwarzenegger zu schreiben, folgt Fred lieber dem Tipp seines Informanten Dreifinger-Piet aus der Szene des organisierten Verbrechens. Der bringt ihn auf die Spur des Mafiosi Hardy Krunk, seines Zeichens Urheber einer weitreichenden Verschwörung um Drogenhandel und illegale Entsorgung von Giftmüll. Der Held jagt den Ganoven quer durch Europa, trifft unterwegs auf allerhand skurrile Charaktere in verschiedensten Szenerien. Ausgehend von den Redaktionsräumen im Frankfurter Bankenviertel geht es zu Schauplätzen in allen zwölf Mitgliederstaaten der EU im Jahre 1994. So überlistet er etwa auf einer Mülldeponie mit dem passenden Namen Bel Air bei Berlin zwei Schurken, indem er ihnen eine an einem rostigen alten Kran hängende Holzkiste überstülpt. In der Pizzeria Dellamorta in Hamburg trifft er neben einem verdeckten Ermittler, den er beinahe auffliegen lässt, auf die Prostituierte Sandy, die sich im Verlauf des Spiels als Star-Reporterin entpuppt. Im Mailänder Friseursalon Stiletto kann er den Mafiosi nur entkommen, indem er durch einen beherzten Wurf eines Föns in ein Waschbecken einen Kurzschluss auslöst. Zahlreiche derartige Abenteuer durchlebt unser Held, bis er am Ende des Spiels den Gangsterboss in flagranti dabei ertappt, wie dieser Fässer voller Kokain im Bornholmer Becken zu versenken versucht. Mithilfe der Polizei wird der Verbrecher dingfest gemacht und landet letzten Endes hinter Schloss und Riegel.

Unterwegs trifft Fred auf prominente Gesichter. So bekommt er in Brüssel Schützenhilfe von der „roten Dagmar“, der SPD-Europaabgeordneten Dagmar Roth-Behrendt, die unter anderem von 1989 bis 2004 Sprecherin der SPE-Fraktion für Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitspolitik war. Auf einem Fahndungscomputer versucht Fred verzweifelt ein Phantombild von Hardy Krunk zu erstellen, es lässt sich jedoch nur ein Bild des SPD-Kanzlerkandidaten zur Bundestagswahl 1994 Rudolf Scharping zusammensetzen.

Außer allerlei Humor und Ironie bleibt im Werbespiel selbstverständlich auch Raum für Wahlkampfkommunikation. Neben den Gastauftritten der beiden SPD-Spitzenpolitiker_innen macht Fred zwischen den Szenen immer wieder Aufzeichnungen auf seinem Laptop, in denen sich unter anderem umweltpolitische Positionen der SPD und ihr Forderungen zur Verbesserung der europäischen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität widerspiegeln.

Von den ursprünglich 40.000 produzierten Exemplaren des Spiels fand schließlich auch eine Ausfertigung ihren Weg in das Archiv der sozialen Demokratie. Das Spiel ist auf zwei 3,5-Zoll-Disketten überliefert und benötigt das Betriebssystem MS-DOS. Um es wieder lauffähig zu machen, stehen die Archivarinnen und Archivare gleich zwei Herausforderungen gegenüber. Zum einen muss zunächst ein passendes Diskettenlaufwerk gefunden werden, um die Disketten auslesen zu können. Zum anderen benötigt es einen PC mit dem entsprechenden Betriebssystem. Letztere finden sich vielleicht noch in dem ein oder anderen Computermuseum, jedoch wird hier in der Regel auf Emulatoren zurückgegriffen, die das alte System auf einem modernen Rechner nachbilden.

Von Retrogamern wird das Spiel bisweilen hochgelobt. Dies mag nicht zuletzt an der Tatsache liegen, dass an der Entwicklung einige in der Szene durchaus bekannte Köpfe beteiligt waren. Hersteller des Spiels ist das Unternehmen Ego Software (später EgoSoft), das mit seiner Ende der 1990er-Jahre beginnenden X-Spieleserie großen Erfolg haben sollte. Programmiert wurde es von der Kölner Firma Tevox. Autor war der Firmengründer Stefan Lichter, der vielen als Produzent der Puppensatire „Hurra Deutschland“ vertraut sein dürfte. Die Grafik geht auf Tobias Richter zurück, der für seine Arbeit an Star Wars- und Star Trek-Computerspielen bekannt ist. Die Musik stammt aus der Feder von Rudolf Stember, der auch am Sound Design von großen Adventureklassikern wie „The Secret of Monkey Island“ oder Actionspielen wie „Star Wars: X-Wing vs. TIE Fighter“ beteiligt war.

Nicht nur das Spiel war von Erfolg gekrönt, auch die Wahlergebnisse der Sozialdemokrat_innen bei der Europawahl 1994 konnten sich sehen lassen. Die SPD konnte 40 der insgesamt 99 deutschen Sitze im Europäischen Parlament für sich beanspruchen. Zudem bildete die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) die stärkste Fraktion. Und wer weiß, vielleicht hat ja das kurzweilige und zugleich aufklärende Spiel dazu beigetragen, dass sich die ein oder andere Wählerin oder der ein oder andere Wähler für die Sozialdemokratie entschieden hat.

 

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