Der Gipfel der Zwanzig im arbeits- und sozialpolitischen Blindflug?

Labour 20 fordert einen neuen Multilateralismus und eine Gestaltung der Arbeit der Zukunft.

Bild: v. l. n. r. Sharan Burrow (IGB), Rikio Kozu (RENGo), Pierre Habbard (TUAC), Reiner Hoffmann (DGB), Gerardo Alberto Martinez (CGT-RA) von FES Berlin

Seit dem ersten Gipfel der Zwanzig (G20) in Washington in 2008 versuchen die Gewerkschaften der G20-Länder mit der Gründung der Gewerkschaftsgruppierung Labour 20 (L20) Einfluss auf die Themenschwerpunkte und Erklärungen der G20-Agenda zu nehmen. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) und der Gewerkschaftliche Beratungsausschuss (TUAC) koordinieren die L20, die erst 2011 durch die G20 anerkannt wurde.

Von Beginn an unterstützte die FES die Aktivitäten und Strategien vieler Gewerkschafter_innen, um Positionen und Kernbotschaften der internationalen Gewerkschaftsbewegung an Regierungsvertreter_innen oder Arbeitsminister_innen zu vermitteln.

Zeitpunkt des L20-Gipfels: Taktik oder Kalkül?

Die diesjährige japanische G20-Präsidentschaft sah allerdings die Zusammenkunft der Arbeitsminister_innen erst nach dem G20-Gipfel vor – eine inhaltliche Nachlässigkeit, die sich prompt in einer unbefriedigenden Gipfelerklärung widerspiegelt - ohne klare Positionen zur Arbeit der Zukunft, zu den Herausforderungen auf den Arbeitsmärkten, zu nicht-standardisierten Formen der Beschäftigung oder zu den beschäftigungsrelevanten Auswirkungen der Nutzung von künstlicher Intelligenz, wie der IGB kritisiert.

So konnte sich der L20-Gipfel der Gewerkschaften in ihrer Abschlusserklärung nur an die Arbeitsminister_innen wenden. Darin fordert die L20 klare Aktionspläne zur Umsetzung der ILO Jahrhunderterklärung zur Zukunft der Arbeit anlässlich der Hundertjahrfeier in diesem Jahr. Weitere Forderungen waren die nach mehr Kohärenz der globalen Politik, nach einer progressiven Wirtschaftspolitik zur Reduzierung von Ungleichheit, für einen sozial gerechten Übergang (Just Transition) hin zu einer kohlenstoff-freien Wirtschaft. Die Ergebnisse der Lobby-Bemühungen blieb aber hinter den Erwartungen zurück, außer generellen Bekenntnissen zu einer „Human-Centered Future of Work“, Bezügen zu den G20-Oberthemen „demographischer Wandel“ und „Gleichstellung von Frauen“ gab es nur einen dünnen Verweis darauf, dass Antworten auf die Herausforderungen neuer Formen von Arbeit gefunden werden müssen.

Neuer Multilaterismus für mehr soziale Gerechtigkeit

Um gewerkschaftlichen Forderung prägnant zu formulieren, wählte der diesjährige, vom Globalen Gewerkschaftsprojekt der FES unterstützte L20-Gipfel das Motto der gleichnamigen IGB-Kampagne „Realising the New Social Contract“. Damit ist die Aufforderung verbunden, dass sich Wirtschaft und Politik im Angesicht von sozialen und ökologischen Krisen in einen neuen Gesellschaftsvertrag mit den Beschäftigten treten. Dazu passt auch die Zielvorstellung, dass ein neuer Multilateralismus nötig ist, um auf internationaler Bühne wieder mehr soziale Gerechtigkeit, Arbeitnehmerrechte und bestehende internationale Standards durchzusetzen.

Richard Kozul Wright, Direktor der Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), stellte hierzu auch die „Geneva Principles for a Global Green New Deal“ vor. Sie formulieren eine Agenda für einen „Neuen Multilateralismus“ der die Regeln für die Weltwirtschaft auf die Ziele koordinierte Stabilität, geteilter Wohlstand und ökologische Nachhaltigkeit auszurichten versucht.

Somit stehen gewerkschaftliche und progressive Konzepte zur Verfügung – nur der Einfluss auf die Politik der G20 scheint zu schwinden. Den L20 Gewerkschaften wird nichts anderes übrig bleiben, als neue Wege zu gehen, um die Perspektive der arbeitenden Menschen in der Gestaltung globaler Politik zu verankern.


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