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Welche Anpassungen an die "neue Unordnung" sollte Deutschland an seiner Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik vornehmen?
Als Politikbereich scheint die Außen- und Sicherheitspolitik zunächst weniger starken Veränderungen unterworfen zu sein als andere Bereiche, da die Aufgabe der Vertretung nach außen und Gewährleistung von Schutz im Inneren im Kern weiterhin unumstrittene Aufgaben eines souveränen Staates bleiben. Vergleichsweise konstante und eindeutige Rahmenbedingungen sorgten sowohl während des Kalten Kriegs, als auch danach durch Erweiterungen von EU und NATO und Gründung der OSZE und der damit einhergehenden Stärkung von Systemen kooperativer Sicherheit durchweg für ideale Bedingungen für Deutschland: Umgeben von Freunden, umfangreich geschützt und mit umfänglichen Handelsbeziehungen. Ein großer Krieg in Europa war derart unwahrscheinlich, bis er aus strategischen Überlegungen in Gänze verschwand.
Der Arabische Frühling, die Annexion der Krim, der Syrienkrieg und der Beginn der kriegerischen Interventionen im Donbass läuteten eine unruhigere und von Krisen geprägte Zeit ein. Von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist erstmals auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Deutschen selbst betroffen, wodurch die Rückkehr eines großen Krieges in Europa und die Möglichkeit einer nuklear geführten Auseinandersetzung erneut Einzug in strategische Überlegungen nehmen. Für dieses veränderte internationale Umfeld und seine Auswirkungen im Inneren prägte Scholz den Begriff der Zeitenwende. Der Aufstieg Chinas, eine möglicherweise weniger transatlantische Orientierung der USA, globale Herausforderungen wie der Klimawandel und technologische Entwicklungen prägen darüber hinaus die Agenda. Welche Anpassungen an diese „neue Unordnung“ sollte Deutschland nun an seiner Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik vornehmen?
Deutschland sollte seine Rolle in Europa stärken, muss aber gleichzeitig seine Wirtschaft vor globalen Verwerfungen schützen und eine holistische Politik entwickeln, die wirtschaftliche, sicherheitspolitische und ökologische Interessen integriert. Das umfasst die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung von Sicherheit, die sich nicht nur auf militärische Verteidigung, sondern auch auf wirtschaftliche Stabilität, technologische Souveränität und gesellschaftliche Resilienz erstreckt. Dies erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise und die Integration verschiedener Fachbereiche in die politischen Entscheidungsprozesse. Die klassischen Modelle der Außenpolitik, die sich oft überwiegend auf militärische Aspekte konzentrierten, müssen überdacht und erweitert werden. Militärische Maßnahmen allein reichen nicht aus, um den komplexen Herausforderungen zu begegnen.
Die zunehmende Komplexität und vor allem Geschwindigkeit globaler Entwicklungen ist und wird weiterhin von entscheidender Bedeutung sein. In diesem Zusammenhang wird die erhöhte Anpassungsfähigkeit des Staates zentral sein: In einer Welt, die von raschen Veränderungen geprägt ist, muss Deutschland in der Lage sein, schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren. Dies erfordert nicht nur eine Flexibilisierung der Strukturen, sondern auch eine verstärkte Kooperation zwischen verschiedenen Akteur_innen. Der traditionelle Ansatz, der oft von einer klaren Trennung zwischen inneren und äußeren Angelegenheiten ausging, muss überwunden werden. Neben den staatlichen und europäischen Institutionen und Organen, den Bundesländern, parteinahen Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die einen Einfluss ausüben, kann in Demokratien vor allem ohne Gesellschaften keine Außenpolitik mehr gemacht werden. Außenpolitische Handlungen schlagen im Leben der Menschen zu Buche, etwa in Form von höheren Preisen, wie zuletzt bei Energie. Ein moderner Staat muss daher Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik laufend vermitteln, die zugrundeliegenden Überlegungen darlegen und Ziele erklären. Ein demokratischer Staat ist in Summe nur so resilient wie seine Bevölkerung.
In einer vernetzten Welt sind viele der Herausforderungen grenzüberschreitend. Eine isolierte nationale Politik wird den komplexen Realitäten nicht gerecht. Deutschland sollte aktiv Partnerschaften mit anderen Ländern und internationalen Organisationen suchen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Dies erfordert nicht nur diplomatisches Geschick, sondern auch die Bereitschaft, nationale Interessen in einen globalen Kontext zu stellen. Nicht zuletzt muss die Bedeutung von digitaler Souveränität und Innovation ernst genommen werden. In einer Zeit, in der Technologie einen zentralen Einfluss auf alle Lebensbereiche hat, ist es entscheidend, dass Deutschland in der Lage ist, seine technologische Zukunft selbst zu gestalten. Dies erfordert ernsthafte Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen.
Peer Teschendorf und Christos Katsioulis besprechen diese und andere Herausforderungen im Bereich der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im Detail im Sammelband ‚Der Moderne Staat: Was er ist, was er braucht, was er kann‘, erschienen im Dietz Verlag.
Margarete Lengger ist im FES Regionalbüro für internationale Zusammenarbeit in Wien für Kommunikation der beiden ansässigen Kompetenzzentren Demokratie der Zukunft und Frieden und Sicherheit zuständig.
Ansprechpartner
Jochen Dahm
0228 883-7106Jochen.Dahm(at)fes.de
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