Mapping der Plattformökonomie

FES-Projekt bietet Überblick zur Plattformökonomie in über 30 Ländern und beantwortet grundlegende Fragen, u.a. zu Definition, Register sowie Schutz der Arbeiter_innen.


FES-Projekt beleuchtet die Plattformökonomie in über 30 Ländern

Das

Kompetenzzentrum Zukunft der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung

hat eine neue Studie zu Online-Plattformen und Plattformarbeit veröffentlicht. Die Studie „Online Platforms & Platform Work“ hebt drei Bereiche innerhalb der Plattformökonomie hervor, die bis jetzt zu wenig Beachtung in der aktuellen Debatte finden, insbesondere von Seiten der Politik und Gewerkschaften.

Die drei wichtigsten, in der Studie identifizierten Bereiche, sind:

Bedeutung nationaler Register: Bis dato führen nur wenige EU-Mitgliedstaaten ein offizielles Register für Online-Plattformen. Dies hat zur Konsequenz, dass in vielen EU-Mitgliedstaaten nicht bekannt ist, wie viele Online-Plattformen es gibt und wie viele Menschen, mit welchem Beschäftigungsstatus, für sie arbeiten. Dabei wären diese Informationen wichtig, im Hinblick auf die rechtliche Verantwortung von Plattformunternehmen, insbesondere bezüglich fairer Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten.

Einsatz automatisierter Systeme: Durch den Einsatz automatisierter Systeme, insbesondere in der plattformvermittelnden Arbeit, entstehen neue Formen der Überwachung und Kontrolle von Plattformbeschäftigten, die mehr Aufmerksamkeit bedürfen.

Bedeutung der Intersektionalität: Bei der Auseinandersetzung mit der Prekarität der Plattformarbeit und der Entwicklung erfolgreicher Strategien zur Stärkung des sozialen Dialogs sollten die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und/oder Migrant_innen berücksichtigt werden, indem die Plattformarbeit mit einem intersektionellen Ansatz betrachtet wird.

Die aktuelle Studie ist Teil des durch das Kompetenzzentrum Zukunft der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung initiierte Projekte „Mapping Platform Economy“.

Mehr Infos zur Studie

Einordnung der Plattformökonomie
 

Die Plattformökonomie entstand ab Mitte der 2000er Jahre in Europa und hat sich im letzten Jahrzehnt rasant weiterentwickelt. Heutzutage unterstützen so genannte Online-Plattformen viele unserer täglichen Aktivitäten im privaten und beruflichen Leben. So bestellen die Menschen zum Beispiel Essen über Lieferando, fahren mit Uber zum nächsten Meeting oder mieten einen E-Scooter über die Anwendung Bolt.

Rund 43 Millionen Arbeitnehmer_innen in der Plattformökonomie bis 2030
 

Hochrechnungen der aktuellen Beschäftigungstrends legen nahe, dass bis 2030 42,7 Millionen Menschen in der EU-27 in der Plattformökonomie arbeiten werden. Obwohl die Plattformökonomie einen enormen Einfluss auf unser Leben und unsere Gesellschaft hat, ist noch nicht viel über Online-Plattformen und Plattformarbeit bekannt. Zum Beispiel über die Anzahl und den finanziellen Umsatz von Online-Plattformen, die Anzahl der Nutzer/Konsumenten und die soziodemografischen Merkmale. Und auch die Plattformarbeiter_innen und ihre Arbeitsbedingungen rücken erst seit kurzem stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Definition von Plattformökonomie


"Plattformökonomie sind wirtschaftliche Aktivitäten, an denen ein Online-Vermittler beteiligt ist, der eine Plattform bereitstellt, über die unabhängige Arbeitnehmer_innen oder Verkäufer_innen eine diskrete Dienstleistung oder Ware an Kunden verkaufen können. Arbeitsplattformen wie Uber oder TaskRabbit bringen Kunden mit freiberuflichen oder befristet beschäftigten Arbeitnehmer_innen zusammen, die diskrete Projekte oder Aufträge ausführen. Kapitalplattformen wie eBay oder Airbnb bringen Kunden mit Einzelpersonen zusammen, die Vermögenswerte vermieten oder Waren in einer Peer-to-Peer-Umgebung verkaufen. "

Quelle: Farrell, D. und Greig, F. (2016), Paychecks, Paydays, and the Online Platform Economy, JPMorgan Chase & Co. Institut

Definition von Online-Plattformen
 

Online-Plattformen können im Allgemeinen mit Bezug auf das Wettbewerbsrecht und den elektronischen Handel als private internetbasierte Unternehmen mit einer Vermittlungsfunktion für eine breite Palette von On-Demand-Diensten definiert werden. Wie im Falle Deutschlands zu beobachten ist, stammt eine Definition aus dem deutschen "Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" (GWB), das ausdrücklich auf digitale Unternehmen abzielt (Bundeskartelamt, 2021). Diese Unternehmen werden definiert als "Unternehmen mit herausragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" (GWB §19a, 2021) und mit "Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten" (GWB §18 3a, 2021). Außerdem wird der Rechtsbegriff der "Vermittlungsmacht" eingeführt, um die Besonderheiten der Plattformen zu erfassen. Darüber hinaus definiert das deutsche "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" (NetzDG) Plattformen und insbesondere Social-Media-Plattformen als "Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben" (NetzDG §1 (1), 2017).

Dieser Mangel an Informationen und die hohe Komplexität der Plattformökonomie machen die Regulierung auf europäischer und nationaler Ebene äußerst schwierig. Die Plattformökonomie hat neue Formen angenommen und Geschäftsmodelle hervorgebracht, die nicht in die bisherigen Kategorien fallen und sich gleichzeitig auf die Arbeitsorganisation und die Arbeitsbedingungen auswirken. Infolgedessen sind Plattformbeschäftigte häufig Opfer von rechtswidrigen Praktiken. Der Schutz ihrer Rechte muss daher stärker von Gewerkschaften, Organisationen der Zivilgesellschaft, öffentlichen Einrichtungen und Arbeitsgerichten unterstützt werden.

Erste Versuche der Regulierung auf europäischer und nationaler Ebene
 

Auf europäischer Ebene hat die Europäische Kommission mit dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit einen ersten Versuch unternommen. Im Frühjahr 2022 einigten sich die europäischen Politiker auf zwei Instrumente - den Digital Services Act und den Digital Markets Act – in denen die Plattformökonomie eher aus der Perspektive der Bereitstellung von Dienstleistungen und der Verbraucher_innen als aus der Perspektive des Schutzes der Arbeitnehmer_innenrechte betrachten.

Auf nationaler Ebene überholt die Fortentwicklung der Plattformökonomie weiterhin ihre Regulierung. Bisher gibt es nur in wenigen Ländern erste Versuche, die Aktivitäten von Plattformen und Plattformarbeit zu regulieren, wie zum Beispiel in Belgien, Spanien, Frankreich, Italien oder Spanien.

Künftige Arbeit: Regulierung von Online-Plattformen und Plattformarbeit
 

Zu den wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Regulierung auf nationaler Ebene gehören jedoch eine rechtsverbindliche Definition und ein offizielles Register für Online-Plattformen, die Arbeitsbeziehungen zwischen Plattformen und Arbeitnehmer_innen sowie die Kontrolle der Plattformarbeiter durch Algorithm Management. Eine gesetzliche Regelung der oben genannten Fragen würde verschiedene Fehlinterpretationen ausräumen und Plattformen daran hindern, rechtliche Schlupflöcher zur Ausweitung unlauterer Geschäftsmodelle zu nutzen.

Drei Denkanstöße

  • Erstens würde eine rechtsverbindliche Definition von Online-Plattformen Klarheit schaffen, insbesondere in Bezug auf den Beschäftigungsstatus von Plattformbeschäftigten, die derzeit in vielen Fällen fälschlicherweise als Selbstständige und unabhängige Auftragnehmer eingestuft werden. Bei dem Versuch, die Beziehung zwischen der rechtlichen Einstufung von Plattformarbeitern und Online-Plattformen zu klären, muss jedoch auch dem Verständnis von Plattform-Ökosystemen mehr Bedeutung beigemessen werden. Bislang gibt es auf nationaler Ebene keine Register, die Informationen über die im jeweiligen Land aktiven Plattformen liefern, und keine nationalen Daten darüber, wie viele Menschen über Plattformen arbeiten und mit welchem Beschäftigungsstatus. Diese Informationen wären allerdings für die Formulierung einer rechtsverbindlichen Definition von Online-Plattform hilfreich.
     
  • Zweitens ist Klarheit in Bezug auf die Praxis des algorithmischen Managements durch Plattformen mit dem Schwerpunkt auf der Rolle der zwischengeschalteten Unternehmen, die Technologien zur Überwachung der Leistung der Menschen einsetzen, von entscheidender Bedeutung. Es bedarf jedoch weiterer Debatten über die plattformübergreifenden Unterschiede bei der Kontrolle des algorithmischen Managements für beide Arten von Arbeitnehmer_innen: diejenigen, die als Arbeitnehmer_in gelten, und die Selbstständigen.
     
  • Drittens: Wenn es um die Einrichtung eines sozialen Dialogs zwischen Online-Plattformen und Arbeitnehmer_innen geht, gibt es viele erfolgreiche Beispiele für Initiativen, kollektive Aktionen und Gerichtsverfahren, vor allem in den Sektoren Transport und Lebensmittellieferung, obwohl der Einfluss von Tarifverhandlungssystemen in den EU-Ländern begrenzt bleibt. Bei der Auseinandersetzung mit der Prekarität der Plattformarbeit und der Entwicklung erfolgreicher Strategien zur Stärkung des sozialen Dialogs sollten die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und/oder Migrant_innen berücksichtigt werden, indem die Plattformarbeit mit einem intersektionellen Ansatz betrachtet wird.

Methodik


Die Sammlung und Analyse vorhandener Daten über die Plattformökonomie in ganz Europa kann es ermöglichen, die wichtigsten Problembereiche zu organisieren, die eine Regulierung oder andere Maßnahmen zur Wahrung der Grundsätze der fairen Besteuerung und des Wettbewerbs sowie des Schutzes der Arbeitnehmer_innenrechte erfordern würden. Die Methodik der Studie sieht vor, einen Überblick über die auf nationaler Ebene verfügbaren Sekundärquellen zu erstellen, die dann in Form von Länderprofilen präsentiert werden.

Die Sekundärforschung umfasst Rechtsakte in Bezug auf die Funktionsweise von Online-Plattformen und Plattformarbeit, Forschungsliteratur, die die Plattformökonomie in quantitativer und qualitativer Hinsicht beschreibt, sowie eine Übersicht über einschlägige Gerichtsurteile zur Plattformarbeit.

Die Daten wurden durch Recherche von Expert_innen auf dem Gebiet der Plattformökonomie in den jeweiligen Ländern erfasst und zusammengetragen und durch das FES Kompetenzzentrum Zukunft der Arbeit grafisch aufbereitet und präsentiert.

Die auf diese Weise gesammelten Daten sollen dazu beitragen, die Frage zu beantworten, wie die digitale Wirtschaft in den einzelnen europäischen Ländern aussieht, welche Hauptprobleme damit verbunden sind und welche Unterschiede es zwischen den Ländern in Bezug auf Regulierungsfragen, die Achtung der Arbeitnehmer_innenrechte und die Art und Weise, wie die verschiedenen Akteure darauf reagieren, gibt. Der Mehrwert eines solchen Ansatzes liegt in der Strukturierung der gesammelten Daten in thematische Bereiche. Die länderübergreifende Dimension der Studie wird auch bestehende Muster oder länderspezifische Probleme aufzeigen, so dass die Probleme von den politischen Entscheidungsträgern und den Sozialpartnern auf der entsprechenden Ebene präziser angegangen werden können.

Sabanova, Inga; Badoi, Delia

Online platforms and platform work

The complex European landscape
Brussels, 2022

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Ansprechpartnerin

Marie Meier

+49 30 26935-7418
Marie.Meier(at)fes.de

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