Wie geht es weiter nach Paris?

Das Klimaabkommen von Paris wird als historisch bezeichnet. 195 Staaten und die EU haben darin zugestimmt, die Erderwärmung deutlich zu begrenzen. In welchem Ausmaß sich Klimapolitik jetzt ändern wird, war Thema der Podiumsdiskussion der FES am 28.01.2016.

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Welche Erwartungen entstehen nach diesem Klimagipfel und wie wird das die Klimapolitik verändern? Darüber diskutierten auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen mit der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Publikum. Für Hendricks, die in Paris aktiv am Gelingen des Vertrages mitgewirkt hat, ist das Ergebnis des Vertrags die Neuarchitektur der internationalen Klimaschutzpolitik. „Wir haben ein eindeutiges Langfristziel und damit auch ein eindeutiges Signal an die Wirtschaft, an die Investoren und natürlich auch an die Politik weltweit“, sagte sie bilanzierend.

Die Staatengemeinschaft habe in Paris die 2-Grad-Obergrenze völkerrechtlich verbindlich gemacht. Für viele Staaten mache das einen echten Unterschied, ob man unter 2 Grad wolle oder bei 1,5 Grad bleibe, so die Bundesumweltministerin. Besonders Länder wie Bangladesch, die Karibischen Staaten, aber natürlich auch die pazifischen Inseln müssten sich mit dieser Frage sehr konkret auseinandersetzen, so die Ministerin.

Das Ende des fossilen Zeitalters in Sicht

Die Förderung Erneuerbarer Energien und Frühwarnsysteme für Naturereignisse für die vom Klimawandel betroffenen Länder sind fester Bestandteil des Vertrags von Paris. Die Bundesumweltministerin sieht in dem Pariser Abkommen auch großen Rückenwind für die Wirtschaft und hofft dadurch auf Beschleunigungseffekte.

Ihrer Ansicht nach gibt es handfeste Gründe dafür, dass das fossile Zeitalter dem Ende entgegen geht. „Die erneuerbaren Energien werden wettbewerbsfähig“, ist sich Hendricks sicher. Die Nutzung der fossilen Energieträger würde dagegen weltweit zunehmend unter ökonomischen Druck geraten. Es werde sich einfach nicht mehr lohnen, in Kohlestrom zu investieren. Außerdem entscheide nicht allein der Staat über die Struktur des Energiesektors, sondern nicht zuletzt private Investoren. „Ich bin mir sicher, dass das Pariser Abkommen den Geldabzug aus dem fossilen Bereich in die erneuerbaren Energien beschleunigen wird. Möglicherweise geht alles noch viel schneller als wir uns das jetzt ausgedacht haben“, so die Bundesumweltministerin wörtlich.

Ob die Wirtschaft da mitgeht, ist allerdings noch nicht vollends geklärt. Nach wie vor sind Kohlekraftwerke geplant, nach wie vor wird die Kohleindustrie subventioniert – und zwar in nicht geringem Maße. Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI, blickt dennoch positiv in die Zukunft, fordert aber auch eine vernünftige Balance bei den Transformationsprozessen.

„Just Transition“ als Weg

Jeder müsse das einhalten, was er versprochen hat, wenn nicht sogar mehr, sagte Lösch auf dem Podium. Das werde die entscheidende Herausforderung sein – auch für die Politik. „Wir werden sehr genau unterscheiden müssen, welche Länder Hilfe brauchen. Aber auch denen wird man erklären müssen, dass sie gewisse Chancen, die sie im Boden oder vor der Küste liegen haben, eben nicht mehr nutzen können“, sagte das BDI-Mitglied. Zunächst müsse für ihn aber die Frage beantwortet werden, was die tatsächliche politische Überzeugung im Kreise der großen Emittenten sei. „Wenn wir das nicht in den Griff kriegen, wird es sehr schwer werden“, prognostizierte Lösch.

Um diese Transformationsdebatte auch in Entwicklungs- und Schwellenländern anzustoßen, muss vor allem in den Industrieländern ein Umdenken stattfinden. Darüber herrschte in der Debatte Einigkeit, ebenso darüber, dass auch diejenigen mitgenommen werden müssen, die vom Abbau fossiler Brennstoffe leben. Sharon Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes, ist überzeugt davon, dass dieser Wandel andernfalls weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich funktioniert.

Sie forderte zudem Respekt ein für die Arbeiter in der Branche fossiler Brennstoffe. „Sie haben uns den heutigen Wohlstand gebracht und wir brauchen eine Übergangsphase, die gerecht ist und uns in die richtige Richtung führt“, argumentierte sie. Dabei müsse man auch zwischen Kohle und anderen fossilen Brennstoffen differenzieren, nicht im Hinblick auf das Ergebnis, aber auf den Zeitplan. „Ob wir es hören wollen oder nicht, und besonders diese Arbeiter wollen es nicht, Kohle ist hinsichtlich der Emissionen das größte Problem und muss zügig ersetzt werden“, so Burrow.

Wirksame CO2-Bepreisung ist überfällig

Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist unumkehrbar. Die Zukunft liegt bei den erneuerbaren Energien. Der Zeitplan, in dem dieser Ausstieg umgesetzt werden kann, und die Kompensation der Kosten, die damit verbunden sind, sind jedoch Kern des Problems. Prof. Dr. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der TU Berlin fordert daher eindringlich einen Einstieg in die Bepreisung von CO2. „Wir müssen mit den Einnahmen, die wir aus der CO2-Bepreisung bekommen, vernünftige Dinge tun“, so Edenhofer. Als vernünftig erachtet er etwa sustainable development goals (Ziele für nachhaltige Entwicklung) zu finanzieren. Auch diejenigen müssten finanzielle Unterstützung bekommen, die die Verlierer dieses Wandels sein werden.

Es brauche eine Bewegung, zumindest in der G20, die eine Strategie dafür entwickele, wie das zu schaffen sei. „Denn wenn wir den Einstieg in eine CO2-Bepreisung nicht schaffen, dann werden uns auch die unbestreitbar großen Fortschritte bei den erneuerbaren Energien nicht helfen, den Ausstieg aus der Kohlewirtschaft zu finden“, sagte der Wissenschaftler weiter.

Für Edenhofer ist die Dekarbonisierung des Stromsektors der entscheidende Weg, das wurde in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum deutlich. Danach könne man auch über verwandte Themenbereiche wie Wohnungsbau und Verkehrspolitik sprechen. Thomas Hirsch, Geschäftsführer von Climate und Development Advice, fehlt in der Post-Paris-Debatte allerdings der internationale Blick.

Bild: Bilder: FES/Mark Bollhorst

Für den Süden geht es um mehr als nur um Klimaschutz

„Wir reden über Klimawandel, und am Ende haben wir über Klimaschutz und Emmissionsminderung gesprochen“, sagte Hirsch. In vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas seien die Ergebnisse von Paris  auch deshalb positiv wahrgenommen worden, weil es nicht nur um ein Klimaschutzabkommen ging, sondern auch um kluge Lösungen im Klimarisikomanagement.“ Die 1,5 Grad seien als Option im Abkommen enthalten. Für mehr als hundert Staaten dieser Erde sei dies eine zentrale Forderung von höchster symbolischer und natürlich auch realpolitischer Bedeutung. „Dieses Abkommen ist das erste Klimaabkommen, dass die Frage des Umgangs mit Klimarisiken auf Augenhöhe verhandelt mit der Frage von Klimaschutz“, bilanziert Hirsch. Das Abkommen habe zudem eine Sprache von Solidarität, weil es sehr viel Hilfe in unterschiedlicher Form an Entwicklungsländer bereitstelle.

Am 22. April 2016 soll der Weltklimavertrag in New York unterzeichnet werden. Mindestens 55 Staaten, die für mindestens 55 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich sind, müssen zustimmen. Dass dies auch geschieht, daran zweifelt zur Zeit niemand.

Ansprechpartner in der FES: Dr. Philipp Fink und Manuela Matthess


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