Polen: Guter Wandel, schlechter Wandel

Die Außenpolitik der polnischen PiS-Regierung tritt in offenen Konflikt mit der EU. Wirkung entfalten möchte die Politik in Warschau damit vor allem nach innen. Doch die Folgen könnten schwerwiegend sein.

Bild: Bild: Sejm i Senat Urheber: Lukas Plewnia Lizenz: CC BY-SA 2.0

Für die polnische Regierung könnten es angenehme Tage Ende Juli sein: In dem katholischen Land werden die Weltjugendtage eröffnet, mehr als 1,5 Millionen junge Katholik_innen besuchen das Land; Papst Franziskus wird fünf Tage dort verbringen und auch die politische Führung treffen. Schöne Bilder für Ministerpräsidentin Beata Szydło, die seit Ende 2015 die nationalkonservative Regierung unter der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) führt.

Doch just am Tage der Eröffnung der Weltjugendspiele erreichten Polen überraschende Nachrichten aus Brüssel: Es bestünden „systematische Risiken“ für den Rechtsstaat in Polen, teilte die EU-Kommission mit. Warschau befindet sich schon seit Jahresbeginn mit Brüssel im Streit: Die Europäische Kommission hatte damals ein Verfahren wegen eines vermuteten Verstoßes gegen die Rechtsstaatlichkeit eingeleitet. Der Hintergrund: Warschau verweigere rechtswidrig die Vereidigung mehrerer Verfassungsrichter, die noch von der Vorgängerregierung ernannt wurden. Zudem hat die Regierung der rechtskonservativen PiS eine Justizreform angestoßen, welche das Verfassungsgericht beeinträchtigt. Das Gericht selbst hatte die Reform im März für verfassungswidrig erklärt - doch die Regierung erkennt das Urteil nicht an. Die Entwicklung ist mehr als eine politische Posse zwischen Warschau und Brüssel: Tatsächlich zeigt sie einiges über die neue polnische Außenpolitik unter der PiS-Regierung.

Guter Wandel

Eine Politik des „guten Wandels“ - wie sie es nennt - forciert die nationalekonservativ Regierung: Mehr Souveränität gegenüber der EU und mehr politischen Einfluss, mehr Kontrolle über Medien und Schulen. Im Mittelpunkt dieser Politik stehe letztlich ein Kulturwandel, wie Joanna Andrychowicz-Skrzeba und Roland Feicht vom Warschauer Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung analysieren: „Die polnische Nation, die heroischen Seiten ihrer Geschichte, das katholische Christentum sowie die klassische Familie sind dabei zentrale gesellschaftliche Werte, die den liberalen gesellschaftlichen Werten mit ihren vermeintlich schädlichen Einflüssen entgegengesetzt werden.“ „Goodbye Europe?“ – das ist die Frage, die sich die beiden Politikwissenschaftler_innen mit Blick auf die Außenpolitik der Regierung stellen.

Die jüngste Eskalation in den europäisch-polnischen Beziehungen ist dabei in vielerlei Hinsicht sinnbildlich: Geht es hier nicht vorrangig um genuin außenpolitische Themen, sondern um Entwicklungen in Polen selbst, die zu innereuropäischen Spannungen führen: die Lähmung des Verfassungsgerichts, der Austausch der Eliten auf breiter Ebene sowie zahlreiche Gesetzesänderungen. Die Reaktion der regierenden PiS bestätigt dabei den Trend der vergangenen Monate: Vor allem rhetorisch versucht sich die neue polnische Regierung in Konfrontation.

Schlechter Wandel

"Das ist nichts als ein fröhliches Schaffen zum Vergnügen der EU-Kommission und ihrer Beamten“, verkündete der ehemalige Staatspräsident und mächtige PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński nach der Intervention der EU-Kommission. Solche konfrontativen Aussagen zielten vor allem nach innen, schreiben Feicht und Andrychowicz-Skrzeba von der FES in Warschau: „Die Regierung verfolgt mit dieser Rhetorik vorrangig innenpolitische Ziele.“ Tatsächlich erfreut sich die Europäische Union übergroßer Beliebtheit in der polnischen Bevölkerung:  In ihrer Studie zitieren die Autor_innen eine aktuelle Umfrage vom Mai 2016 nach welcher bei einer Abstimmung 84,5 Prozent der Befragten für einen Verbleib Polens in der EU stimmen würden, dagegen waren gerade einmal 15,5 Prozent. Das ist eines der eindeutigsten Ergebnisse dieser Art in ganz Europa. Gleichzeitig baut Polens Regierung durchaus auf ein starkes Europa an seiner Seite: Als Vermittler für die Länder der östlichen Partnerschaft (Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau, Ukraine) sind sich verschlechternde Beziehung zu Europa aber auch zu einzelnen Nachbarländern wie Deutschland strategisch nachteilig. Gleiches gilt für die Wünsche Polens, stärker vor möglichen Aggressionen Russlands geschützt zu werden.

Sanktionen? Lieber nicht!

Eine Außenpolitik zwischen Kontinuität und Konfrontation - so beschreiben Joanna Andrychowicz-Skrzeba und Roland Feicht das Wirken der polnischen Regierung letztlich und warnen: „Eine solche Politik zwischen konfrontativer Rhetorik und realem Kooperationsbedarf könnte sich letztendlich als Sackgasse für die polnischen Interessen erweisen.“ Wie sich dieses Changieren in den kommenden Monaten entwickelt - darüber wird auch maßgeblich die Politik der europäischen Institutionen entscheiden. Die beiden Autor_innen halten Sanktionen gegenüber Warschau für den falschen Weg: Eine unnötige Aufheizung der Atmosphäre mit unüberlegten und übertriebenen Aussagen aus dem Ausland und könnte zu einer Trotzreaktion der polnischen Gesellschaft führen. Und würde letztlich mehr Konfrontation und weniger Kontinuität bedeuten - und damit weniger Europa.

Joanna Andrychowicz-Skrzeba und Roland Feicht: Goodbye Europe? Die Außenpolitik der polnischen PiS-Regierung, FES 2016

Weiterführende Links:

Fundacja Batorego, Friedrich-Ebert-Stiftung: Eastern Partnership Revisited, FES-Warschau 2015.

Michał Polakowski: 2015 Annual review of labour relations and social dialogue: Poland, FES Bratislava 2016

nach oben