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Das politische Interesse von Jugendlichen schwankt im historischen Vergleich. Nach langen Phasen der Abstinenz erleben wir aktuell eine engagierte junge Generation. Wie sind diese Unterschiede zu erklären?
Bild: Nina Kolleck und Klaus Hurrelmann von Bernd Wannenmacher / Hertie School of Governance
Von Klaus Hurrelmann und Nina Kolleck
Das politische Interesse von Jugendlichen schwankt im historischen Vergleich. Nach langen Phasen der Abstinenz erleben wir aktuell eine engagierte junge Generation. Wie sind diese Unterschiede zu erklären? Warum schwankt das politische Interesse der Jugend im historischen Vergleich? Warum interessieren sich Jugendliche für Politik?
Bis heute sind die politischen Interessen von Jugendlichen nicht eindeutig geklärt. Doch klar ist: Ob und wie sich Jugendliche für Politik interessieren, hängt von ihrer Lebenssituation ab. Entscheidend sind die Umbruchphase nach der Pubertät sowie der soziale Status und individuelle Bildungsgrad.
Folgen wir der Sozialisationstheorie, dann prägen alterstypische „Entwicklungsaufgaben“ das Jugendalter: die produktive Verarbeitung der Veränderung von Körper und Psyche („innere Realität“) und die Anpassung an die soziale und physische Umwelt („äußere Realität“). Werden Entwicklungsaufgaben bewältigt, können Jugendliche eine autonome Identität aufbauen und soziale Integration erlangen. Eine der Entwicklungsaufgaben im Jugendalter ist ihre Partizipation. Die Mitgestaltung des öffentlichen und politischen Lebens ist eng verbunden mit einem individuellen Werte- und Normensystem. Diese Entwicklungsaufgabe ist an gesellschaftliche Rahmenbedingungen gekoppelt und schwankt. Ein Beispiel sind die beiden jüngsten Generationen Y und Z.
Generation Y: Politische Abstinenz
Generation Y, das sind die in den Jahren 1985 bis 2000 Geborenen. Mit dem englischen „Why“ ist eine fragende Grundhaltung und Sinnsuche symbolisiert. Jede Nische des Alltagslebens der „digital Eingeborenen“ wird durch interaktive und digitale Medien erkundet. In ihrer sensiblen Phase Pubertät werden sie mit öffentlicher Unsicherheit und politischen Spannungen durch Terroranschläge und globale Kriege konfrontiert. Nach der Weltwirtschaftskrise 2007/2008 mit hoher Jugendarbeitslosigkeit müssen sie erleben, wie ungewiss der Übergang in den Beruf ist.
Charakteristisch sind eine opportunistische Grundhaltung, ein permanentes Abwägen von Alternativen der Lebensführung, ein Aufschub von Entscheidungen über Bildungswege und der Fokus auf die berufliche Karriere. Überzeugt davon, sich in unsicheren Zeiten nur auf sich selbst verlassen zu können, wird alles von den persönlichen Bedürfnissen her aufgerollt. Das politische Interesse ist schwach.
Generation Z: Politischer Aktivismus
Die nach der Jahrtausendwende geborene Generation Z findet andere Lebensbedingungen vor. Ökologisch und politisch ist die Welt zwar weiterhin unsicher. Ihre berufliche und wirtschaftliche Situation sieht aber deutlich besser aus. Das befreit von Zukunftsunsicherheit und Angst vor sozialem Scheitern. Und: Es setzt ungeahnte Energien für politische Beteiligung frei. So konnten Persönlichkeiten wie Greta Thunberg stark werden.
Der engagierte Teil der jungen Generation, der auch als „Generation Greta“ bezeichnet wird, will aktiv die Zukunft gestalten und hat aus eigener Kraft innerhalb kürzester Zeit eine einflussreiche Umweltbewegung unter dem Namen „Fridays for Future“ (FFF) gegründet. Das Kraftzentrum dieser politischen Bewegung besteht aus etwa fünf Prozent des Jahrgangs. Das erinnert an ehemalige politische Bewegungen wie die Studierendenproteste von 1968. Bei ihnen reichte ebenfalls eine kleine, engagierte junge Gruppe aus, um die gesamte Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Relevant für den Erfolg ist die Strahlkraft.
Auffällig ist die Alterszusammensetzung von Fridays for Future. Bereits 12-Jährige wirken aktiv mit. Offensichtlich setzt ein elementares politisches Interesse für Engagement früh ein. Dieses findet ausdrücklich jenseits der Schule statt.Das Instrument „Schule schwänzen“ wird gezielt eingesetzt, verbunden mit einem radikalen Vorwurf gegenüber Bildungsinstitutionen: „Was ihr uns vermittelt, ist für Zukunft und Realität irrelevant. Wenn wir unsere Zeit in der Schule vergeuden, droht der Weltuntergang.“ Dieser Bruch mit gesellschaftlich etablieren Institutionen war schon in der Vergangenheit typisch für einflussreiche politische Bewegungen.
Bedeutung für Schulen
Die beiden dicht aufeinander folgenden Generationen Y und Z sind ein interessantes Beispiel dafür, wie sich das politische Engagement Jugendlicher innerhalb kurzer Zeit verändert. Zugleich zeigt sich: Das politische Interesse von Jugendlichen bildet sich nicht in Schulen aus; vielmehr werden Schule und Unterricht (Stichwort: Schule schwänzen bei Fridays for Future) entschieden abgelehnt. Ein Ort, an dem Demokratie gelebt und menschenrechtliche Normen und Werte gelernt werden: Von diesem Ziel sind Schulen noch weit entfernt. Das Modell von Schule als geschlossenem System hat sich nicht bewährt. Vielmehr ist es wichtig, schulische und außerschulische Lernorte miteinander systematisch zu vernetzen, Elemente der Demokratiebildung systematisch zu integrieren und ein Leben von Demokratie in Schulen selbst zu ermöglichen.
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann ist Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin.
Prof. Dr. Nina Kolleck ist Professorin für Politische Bildung und Bildungssysteme an der Universität Leipzig.
Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung eines erstmals auf dem Blog von Jan-Martin Wiarda veröffentlichten Artikels: https://www.jmwiarda.de/2021/12/28/wie-das-system-schule-bei-der-politischen-bildung-versagt/