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Viele Unternehmen verzichten heute auf politische Positionierungen. Volksbank-Vorständin Sabine Hermsdorf erklärt, warum sie demokratisches Engagement in der Wirtschaft für unverzichtbar hält.
2. Oktober 2025 | Interview von Michael Kraske | Lesezeit: 5 Minuten
Frau Hermsdorf, Sie sind Vorstandsmitglied bei der Volksbank Alzey-Worms. Gemeinsam mit rund 60Unternehmen engagiert sich Ihre Bank beim Wormser Wirtschaftsbündnis für Demokratie. Warum?
Sabine Hermsdorf: Als Genossenschaftsbank ist uns das Thema Demokratie sehr wichtig. Das Genossenschaftsprinzip setzt ja auf dem Demokratieprinzip auf und ist davon nicht zu trennen. Demokratie liegt also quasi in unserer DNA und ist Grundlage für unsere Arbeit. Die Genossenschaftsidee lässt sich auf die Formel bringen: Ein Mensch, eine Stimme. In der Mitglieder- sowie in der von den Mitgliedern gewählten Vertreterversammlung entscheiden diese über unsere Geschäftspolitik mit. Da liegt es nahe, dass wir ein Bündnis für Demokratie hier in unserer Region aktiv unterstützen. (Mehr dazu lesen Sie im VORAN-Bericht „Geballte Wirtschaftskraft für demokratische Stabilität“.)
Wie sind denn die Rückmeldungen von Kund:innen und Geschäftspartner:innen auf das Engagement?
Die Positionierung für Parteien der politischen Mitte war für uns schon immer wichtig, wir haben nur nicht bewusst darüber gesprochen. Im Wormser Bündnis haben nun Unternehmen aus ganz verschiedenen Branchen diese Botschaft in die Öffentlichkeit getragen. Daraufhin wurde ich von Kunden angesprochen, die sagten: Stark, dass ihr da mitmacht. Einige haben sogar nachgefragt, ob sie selbst dem Bündnis beitreten können. Darüber hinaus gab es aber auch viel Zuspruch von Mitarbeitenden und aus meinem privaten Umfeld.
Politiker:innen und Parteien der extremen Rechten fordern ja ständig Neutralität von allen gesellschaftlichen Akteuren ein. Warum war Raushalten keine Option für die Volksbank?
Weil wir als großer Arbeitgeber in der Region davon überzeugt sind, dass wir eine Verpflichtung haben, uns einzubringen. Wir sagen ganz klar, dass demokratische Parteien der politischen Mitte für Stabilität stehen und damit die Wirtschaftskraft und auch Arbeitsplätze erhalten. Als Genossenschaftsbank sind wir nicht nur unseren Mitgliedern und Kunden verpflichtet, sondern übernehmen auch gesellschaftliche Verantwortung. Unser Motto ist: Was einer nicht schafft, das schaffen viele. Wir betonen ganz bewusst gemeinschaftliche Leistungen und wir betonen das Verbindende. Auf diese Weise tragen wir dazu bei, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.
Was hat das Bündnis denn bisher erreicht?
Zunächst einmal eine positive Wahrnehmung. Das gab es bisher noch nie hier in der Region, dass sich so viele Unternehmen zusammentun und für die Demokratie eintreten. Aber es geht nicht nur um die Signalwirkung, sondern wir haben in den Unternehmen auch entsprechende Aktivitäten entfaltet. Die Geschäftsleitungen setzen sich dafür ein, dass diese demokratischen Werte in den Betrieben täglich erlebbar sind. Wir ermutigen unsere Belegschaften, dass in den Pausen, am Kaffeeautomaten oder bei gemeinsamen Fahrten über politische Themen gesprochen wird. Die Belegschaften sind ein Querschnitt der Gesellschaft. Und es fängt damit an, offen darüber zu sprechen, was die Gesellschaft bewegt, und in diesen Gesprächen demokratische Werte hochzuhalten.
Wie kann das gelingen? Bei Reizthemen wie Migration grassieren doch immer auch Desinformation und Vorurteile.
Wir haben damit begonnen, sogenannte Demokratiebotschafterinnen und -botschafter in Seminaren und Infoveranstaltungen auszubilden. Das sind Mitarbeitende, die sagen: Ich stehe privat, aber auch hier in der Bank, für das Thema ein. Diese Personen sind Ansprechpartner für alle, die sich austauschen oder informieren möchten. Wir haben in den Unternehmen verschiedene Aufklärungsformate angeboten. Ich beobachte etwa bei unseren Azubis, dass es unter diesen jungen, motivierten Nachwuchskräften noch viele Fragen und Unsicherheiten gibt, was Politik und Demokratie angeht. Also haben wir zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Landtag einen Azubi-Workshop angeboten.
Was haben die Auszubildenden da gelernt?
Zunächst haben sie den Landtag besucht und erfahren, wie da überhaupt gearbeitet wird. Viele wussten das gar nicht so genau. In einem Workshop haben sie sich im Detail angeschaut, wie Demokratie im Parlament praktisch funktioniert. Nach einigen Wochen kamen dann Mitarbeiter des Landtags zu uns in die Bank und haben hier in einem weiteren Workshop Azubis und Führungskräfte geschult. Ein Schwerpunkt dieser Workshops besteht darin, offen über das Thema Demokratie zu diskutieren und zu trainieren, Argumente und Positionen, sachlich auszutauschen. Eine solche Diskussionskultur ist für viele Unternehmen neu.
Welche Rolle können die Demokratiebotschafter:innen dabei spielen?
Wir haben ganz bewusst keine strikten Vorgaben gemacht, auf welche Weise diese Engagierten tätig werden sollen. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass es ihnen gelingt, viele Anregungen in das eigene Unternehmen zu holen. Immer, wenn sie im Austausch mit Demokratiebotschafterinnen und -botschaftern aus anderen Betrieben stehen oder eine Veranstaltung besucht haben, teilen sie ihre Erfahrungen über unser internes Kommunikationssystem. Sie stehen den Mitarbeitenden außerdem für bilaterale Gespräche zur Verfügung. Auch bei uns wurde lange nicht offen über Politik und Demokratie gesprochen. Wichtig ist, politische Bildung und Aufklärung nicht von oben zu verordnen. Damit es funktioniert, braucht es spannende Angebote und Impulse. Und es ist auch okay, wenn nicht alle darüber sprechen möchten.
Beobachten Sie denn positive Effekte in Ihrer Bank?
Dass sich regelmäßig Interessierte für diese Angebote anmelden, zeigt ja, dass ein großes Interesse besteht. Langfristig bin ich davon überzeugt, dass all diese Formate und Bemühungen auf eine positive Unternehmenskultur einzahlen. Ich werde nach entsprechenden Veranstaltungen oft von Mitarbeitenden angesprochen, die sagen: Ich habe da wirklich viel über den Umgang mit Problemen in der Demokratie gelernt.
In der Gründungsphase war davon die Rede, bundesweit Vorbild sein zu wollen. Was können andere vom Wormser Bündnis lernen?
Vernetzung ist wichtig. Wir haben uns ja dem Landes-Bündnis „Demokratie gewinnt“ angeschlossen. Das verfügt über eine komplette Infrastruktur und ein noch größeres Angebot an Formaten. Man muss also nicht alles neu erfinden oder selbst stemmen. Aus den vielen positiven Rückmeldungen, die uns erreichen, können wir sagen, dass es für die Unternehmen wichtig ist, gerade auch für junge Mitarbeitende, die sich noch nicht intensiv mit Politik und demokratischen Prozessen beschäftigen konnten, entsprechende Angebote zu machen.
Was ist denn die Kernbotschaft, die Sie vermitteln möchten?
Eine ganz wichtige Botschaft ist: Demokratie ist nicht einfach so da, sondern wir müssen etwas dafür tun, dass sie erhalten bleibt. Diese Erfahrung wollen wir vermitteln.
Welche konkreten Projekte sind geplant?
Demnächst findet beispielsweise ein Seminar zum Thema „Wut und Fake-News am Arbeitsplatz“ statt. Da wird ein gesellschaftliches Problem so behandelt, dass es um die ganz konkreten Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten am eigenen Arbeitsplatz geht. In verschiedenen webbasierten Seminaren wird thematisiert, wie man sich einbringen kann, wenn man in seinem Arbeitsumfeld von Hass oder Diskriminierung erfährt. Solche themenbezogenen Seminare sollen künftig permanent angeboten werden.
Wie kann es gelingen, mit dem Wormser Bündnis aktiv zu bleiben, damit es auf lange Sicht nicht nur ein PR-Label ist?
Nichtstun ist keine Option. Die Profis vom Landesbündnis helfen uns dabei, das Thema mit immer neuen Angeboten zu bespielen. Darüber hinaus gibt es inzwischen einen guten Spirit bei den beteiligten Unternehmen. Uns ist klar, dass wir es mit einem Marathon zu tun haben. Wir haben bewusst keine straff organisierte Agenda, sondern wollen abwechslungsreich und niederschwellig an dem Thema dranbleiben.
Welche Wirkung erhoffen sie sich langfristig von dem Bündnis?
Wir wollen unseren Beitrag dafür leisten, dass wir auch weiterhin in einem Land leben können, das offen und tolerant ist, mit stabilen Arbeitsplätzen und Rechtssicherheit. Wie wichtig das ist, zeigt allein ein Blick in unsere Mitarbeiterstruktur. Wir beschäftigen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, darunter sind auch diverse Nationalitäten. Wir brauchen jede und jeden, der sich für das Thema Genossenschaftsbank interessiert und mit uns arbeiten möchte. Wir müssen dafür sorgen, dass sich all diese Menschen frei entfalten und sicher leben können.
Sabine Hermsdorf ist seit sechs Jahren Vorstandsmitglied bei der Volksbank Alzey-Worms. Die gebürtige Münsterländerin hat eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Sparkasse absolviert und anschließend Wirtschaftswissenschaften an der Universität Münster studiert. Zwanzig Jahre arbeitete sie bei der Deutschen Bank in Hamburg und Frankfurt am Main im Firmenkundengeschäft. Seit 15 Jahren lebt Sabine Hermsdorf in Worms, wo sie sich neben dem Wormser Wirtschaftsbündnis für Demokratie auch ehrenamtlich im Dombauverein als Vorständin engagiert.
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