JournalistenAkademie

Berichterstatter-Interviews

Hier finden Sie die Interviews der BerichterstatterInnen der Jungen Presse NRW mit Teilnehmern der Podiumsdiskussion sowie mit Carla Schulte-Reckert, Leiterin der JournalistenAkademie.

Ein Klinkenputzer unter den Journalisten

Interview mit Hans Leyendecker
Sabrina Greifenhofer

Mindestens drei Nachwuchsjournalisten umkreisen ihn hartnäckig nach dem Panel, um Fragen oder Arbeitsproben loszuwerden, eine Traube von Jungreportern löst sich während des ganzen Abendsnacks nicht von seiner Seite. Sein Name, Hans Leyendecker, steht für den deutschen investigativen Journalismus unserer Zeit wie kein zweiter. Von ihm Ratschläge zu erhalten, von ihm als Journalist wahrgenommen zu werden, ist für den Nachwuchs ein Gewinn. Deshalb lässt er nach dem Panel zum Thema "Politischer Journalismus – Wofür stehst du?", bei dem auch Leyendecker diskutierte, nicht von ihm ab.

Als investigativer Journalist bekannt machte ihn eine Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" im Jahre 1982. In der sogenannten Flick-Affäre deckte Leyendecker mit seinen Kollegen Schmiergeldzahlungen des Flick-Konzerns an hochrangige Politiker wie den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff oder CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl auf.

Durch Kontaktversuche wurde er auf die Geschichte aufmerksam. Eines Tages hat eine Person ihm dann geholfen und erzählt. Aber nicht nur das psychologische Abschätzen führt zu einer erfolgreichen Recherche. "Investigativer Journalismus ist viel Klinkenputzen, dass Sie wie ein Vertreter immer wieder kommen. Sie werden rausgeschmissen, aber dann kommen Sie wieder."

"Wohin flossen die Flick-Millionen?" war sein Durchbruch, das schreibt nicht nur der Munzinger, sondern das sagt Hans Leyendecker selbst. Von allen seinen Arbeiten erfüllt ihn diese am meisten mit Stolz, "weil sie die erste große Affäre war, das ist wie mit der ersten Liebe, die vergisst man nicht".

Dabei wollte Leyendecker ursprünglich nicht in die Politikredaktion. Das Feuilleton reizte ihn, Theater und Oper. "Aber ich fand dafür habe ich nicht gut genug geschrieben und darum bin ich dann bei der investigativen Geschichte gelandet."

Seine Laufbahn schreibt sich herunter, wie ein Beispiellebenslauf aus Ratgebern für Journalisten: Bereits in der Schule schrieb Hans Leyendecker gerne, nach seinem Geschichtsstudium arbeitete der Rheinländer, der sich selbst als 68er (diejenigen vor Fischer) bezeichnet, für die Westfälische Rundschau, eine gute Lernstation, wie er sich gerne erinnert. 1979 wurde er Landeskorrespondent bei "Der Spiegel".

""Der Spiegel" war immer mein Lieblingsblatt, ich wollte immer zum Spiegel. Ich habe Rudolf Augstein noch kennengelernt, habe mit dem Chefredakteur Stefan Aust gebrochen. Ich bin dann zur Süddeutschen gegangen, ein ganz anderes Blatt, hat aber wie der Spiegel auch, hervorragende Journalisten. Es ist eine andere Kultur, es wird mehr Wert auf andere Dinge gelegt. Und ich habe Journalisten kennengelernt, die es so beim Spiegel nicht gab, die eine ganz andere Begabung hatten."

Nach Leyendeckers Empfinden zerstörte Aust die "Seele des Blattes", umging notwendige Themen und räumte den unbedeutenderen Vorrang ein. Heute ist Leyendecker leitender politischer Redakteur und ist für die Abteilung "Investigative Recherche" bei der Süddeutschen Zeitung verantwortlich. Investigativer Journalismus finde im poltischen Raum statt. Er untersuche Vorgänge von gesellschaftlicher Bedeutung. Das könnten politische, soziale auch solche aus dem Sportbereich sein.

Die Skandale, die Leyendecker aufdeckte, entschärften seinen Empörungswillen: "Eigentlich lernt man, wenn man älter wird, dass Menschen so sind wie sie sind. Ich war in jungen Jahren viel empörter als ich heute bin. Man lernt ja am meisten an dem Beruf, wenn man in Ausnahmesituationen ist, wenn man Fehler gemacht hat.

Der Glaube, dass man die Welt verändern kann, ist verloren gegangen. Aber es gibt die Gewissheit, dass die dritte Stelle hinterm Komma auch eine sehr wichtige ist, dass man nicht schaut, dass man den ganz großen Wurf haben muss, sondern dass auch minimale Veränderungen zu schätzen sind."

Warten auf die Palastrevolte

Interview mit Tom Schimmeck
Christina Quast

Größenwahn bei der "taz" und Trauma beim "Spiegel" erlebte der Journalist Tom Schimmeck. In den 1980er Jahren ist er Politikredakteur bei taz, Tempo und Spiegel gewesen, danach arbeitete er als Auslandsreporter und seit 2002 berichtet Schimmeck als freier Journalist aus dem niedersächsischen Küsten und der Welt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

In welchem Zustand ist der deutsche Politikjournalismus?

Die große tägliche Meinungsmache finde ich immer grottenschlecht, der deutsche Politikjournalismus in den klassischen Medien ist wirklich beratungsresistent. Es ist alles der gleiche recycelte Kram, weil die Gruppendynamik und die Marktkräfte dieses Hauptstadtjournalismus so stark sind.

Was müsste passieren?

So eine kleine Palastrevolte. Es müssten Leute sagen, ihr macht das falsch, ihr müsst anders über Politik schreiben - abseits der inszenierten Events , der hoch- und runtergeschriebenen Figuren. Das ist ganz schlecht, weil die Wahrnehmung der Politik über diesen Journalismus stattfindet. Wenn die Medien schlecht sind, ist das Image der Politik unter Umständen sehr viel schlechter als die Politik real ist - was ich tatsächlich glaube.

Was ist am hinderlichsten, um im Journalismus eine Haltung zu entwickeln? Geringe Honorare, fehlende Zeit oder reine Bequemlichkeit?

Bequemlichkeit ist natürlich ganz schlecht für Haltung. Es wird ja kein Schwein Journalist, weil die Millionen locken. Dazu gibt es wirklich andere Wege.

Aber können sich Nachwuchsjournalisten überhaupt noch eine Haltung leisten?

Unbedingt! Es wäre ein fataler Irrtum, wenn man denkt: Okay, ich habe meine sieben Praktika hinter mir, habe studiert, ein Volontariat gemacht und immer noch keinen Job, also mache ich nur, was gefragt ist. Das ist für das eigene Selbstwertgefühl, für die eigene Schreibe und auch für die Leser auf Dauer nicht zuträglich. Man muss das machen, was man will und dazu gehört eine Haltung. Es muss ja nicht sein, dass man die Welt morgen gerecht und friedlich haben will - man kann auch ein bisschen tiefer stapeln.

Wie kommen speziell Nachwuchsjournalisten zu einer Haltung?

In Sachen Haltung fängt man ja nie bei Null an: Man kommt aus einer gewissen Sozialisation - Elternhaus, Schule und vielleicht hat man sich in einer Partei oder bei einem Verein engagiert. Man hat viel gelesen von Gedichten bis zur Lokalzeitung, sich unheimlich viel ins Hirn gepackt und viel erlebt mit Menschen.

Was würden Sie aus dieser Aufzählung am meisten zu empfehlen?

Das ist alles nicht zu empfehlen. Das ist alles vorhanden. Ich glaube, guter Journalismus - wie überhaupt Charakter - entsteht durch Reibung. Das man sich einfach reibt an Wirklichkeit, an Leuten, an Dingen. Dass man sich darüber aufregt und sagt: So kann es nicht sein! Das ist gemein! Man muss diese Reibung suchen, wenn man eine Haltung entwickeln will. Und man muss sie auch verfechten lernen.

Sie haben die "taz" mitgegründet - welche Möglichkeiten haben Nachwuchsjournalisten heute, um die eigene Haltung zu verfechten?

Ich glaube, eine Zeitung zu gründen, kommt nicht so oft vor. Das war wirklich Zufall: Ich bin wohl der jüngste von den 200 Leuten gewesen, hatte absolut keine Ahnung und war wahrscheinlich größenwahnsinnig. Genau dieser jugendliche Größenwahn ist auch wichtig, um die Frechheit zu entwickeln, Dinge zu tun. Man ist nicht der Topschreiber, man kann nicht wirklich recherchieren, man hat auch nicht viel Ahnung, aber man ist aufgrund dieses jugendlichen Größenwahns so todesmutig, es trotzdem zu tun. Heute gibt es das Internet. Damit kann man wirklich tolle Sachen machen und auch Haltung entwickeln.

Wo fehlt im politischen Journalismus die Haltung – bei den Politikern oder den Journalisten?

Eindeutig bei beiden, das ist fast eine Abwärtsspirale. In der Tat gibt es wenig beeindruckende Politiker. So ein Typ wie Heiner Geißler, der vom wadenbeißenden CDU-Generalsekretär zu einem in vielen Fragen geläuterten Gesellschaftskritiker geworden ist - das ist eine spannende Figur. Der hat Charakter und eine Haltung. Das ist unheimlich gefragt, Haltung zu haben. Typen, die für etwas stehen, brauchen wir auf beiden Seiten und wir hätten gerne mehr. Im Journalismus sind es Leute, die eine eigene Fragestellung und einen eigenen Blickwinkel entwickeln, statt wie die Lemminge hinter diesen Ereignissen herzustürmen.

Wie fällt das Fazit aus?

Zu sagen, der deutsche Journalismus ist ganz furchtbar oder ganz toll - davon bin ich weit weg. Es ist schwierig, aber nicht finster.

Journalisten sind Beschützer der Demokratie

Interview mit Carla Schulte-Reckert
Julian Heck

Zum dritten Mal lud die JournalistenAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung Nachwuchsjournalisten aus der ganzen Republik zur "MedienSommerAkademie" nach Bonn ein. An zwei Tagen im Juli 2011 hatten sie die Möglichkeit, inhaltliche und praktische journalistische Kenntnisse zu erwerben. Im folgenden Interview spricht Carla Schulte-Reckert, Leiterin der JournalistenAkademie, über Motivation, Chancen und Haltung.

Julian Heck:
Beschreiben Sie bitte mit drei Worten die MedienSommerAkademie 2011!

Carla Schulte-Reckert:
professionell, informativ, Freude.

Was ist Ihre persönliche Motivation, eine Veranstaltung für junge Nachwuchsjournalisten zu machen?

Persönliche Motivation? Das ist mein Job (lacht). Aber ich mache meinen Job gerne und bin dadurch auch motiviert, ein Event zu schaffen, das viel journalistische, berufliche Kompetenzen für ein großes Publikum bietet. Wichtig ist mir hier der Begriff "Haltung". Nur wer eine eigene Haltung entwickelt, kann selbstbewusst und sicher Position beziehen und sich auf einen erfolgreichen journalistischen Weg begeben.

Das Motto der diesjährigen, insgesamt dritten MedienSommerAkademie lautet "Politischer Journalismus: Wofür stehst du?". Wofür stehen Sie?

Ich stehe für die Unabhängigkeit des Journalismus, für Freiheit und den Frieden. Ich stehe dafür, die schwachen Wesen, sowohl Menschen als auch Tiere, zu schützen und dafür, die Welt lebenswert zu machen. Ich bin sehr glücklich mit meinem Job und damit, meine politische Haltung als Beruf leben zu können.

Für die MedienSommerAkademie werden hochkarätige Journalisten eingeladen, speziell für junge Medienmacher. Was hat die Friedrich-Ebert-Stiftung davon?

Gerade solche Journalisten haben eine Vorbildfunktion für den Nachwuchs und damit auch für die Teilnehmer der MedienSommerAkademie. Wir hoffen selbstverständlich, dass der Funke überspringt. Davon abgesehen ist es der Auftrag einer politischen Stiftung, Demokratie zu fördern. Journalisten haben dabei eine wichtige Funktion, sie sind die Beschützer der Demokratie und gleichzeitig Bestandteil der Gesellschaft. Sie müssen sich dieser Verantwortung bewusst sein und sich damit auseinandersetzen. Die JournalistenAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung möchte dazu beitragen, dass dies geschieht.

Nehmen die Journalisten ihre Funktion als "Beschützer der Demokratie" Ihrer Meinung nach genügend wahr?

Ja. Auch, wenn ihnen viel Negatives nachgesagt wird – und es ist ein Kamikaze-Job – gibt es immer wieder große Geschichten mit einer ausgezeichneten Berichterstattung, beispielsweise über Stuttgart 21. Das meiste läuft wirklich gut. Man sollte die Kirche im Dorf lassen.

Dennoch hat der Beruf des Journalisten nicht den besten Ruf. Laut der aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens GfK vertrauen nur 44 Prozent der Deutschen den Journalisten. Was können Sie den Teilnehmern raten, um dem entgegenzuwirken?

Sei authentisch, sei erschütterbar. Ganz wichtig: Vertrau dir und probiere dich aus. Mach deine Geschichte und passe dich nicht dem System an. Höre auf dein Bauchgefühl und bleib immer in Bewegung. Nur wenn du dir selbst treu bleibst, hast du die Chance, das Vertrauen der Menschen genießen zu dürfen.

Sie haben sich sicherlich den einen oder anderen Teilnehmer schon genauer angeschaut. Sind hier potenzielle Referenten für folgende MedienSommerAkademien dabei?

Im vergangenen Jahr war es tatsächlich der Fall, dass ein Teilnehmer später Referent war. Aber das ist eher die Ausnahme. In der Regel sind es erfahrene Kollegen. Das schließt jedoch nicht aus, dass man in einigen Jahren wieder auf ehemalige Teilnehmer trifft und sie auf das Podium bittet oder einen Workshop leiten lässt.

Was haben Sie für einen Eindruck von dieser MedienSommerAkademie? Hat sie sich in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt?

Definitiv! Neu waren in diesem Jahr die Fragerunde vor der Panel-Diskussion sowie die Bestuhlung. Die Teilnehmer haben durch die vorgezogene interne Diskussion ohne die Podiumsgäste gut in das Thema hineingefunden und jede Menge Fragen erarbeitet, welche Gottlob Schober als Grundlage seiner Moderation dienten. Vorteilhaft waren auch die Tischgruppen statt der Stuhlreihen für den Austausch. Das werden wir für die nächsten Male beibehalten.

Gefallen hat mir zudem die schöne Stille während des Literaturprogramms. Großartig! Insgesamt betrachte ich es als eine gute Mischung zwischen fachlichem Input einerseits und aktivem Einbringen der Teilnehmer andererseits. Ich glaube zumindest, dass es ihnen so gefällt. Sie machen auf mich einen sehr engagierten und kommunikativen Eindruck.

Frau Schulte-Reckert, zum Abschluss dürfen Sie jedem Teilnehmer noch eine Tasche mit geballtem Wissen, Informationen, Erfahrungen und Wünschen mitgeben. Worüber dürfen sich die Teilnehmer beim Auspacken freuen?

Über das Buch „Am Besten nichts Neues“ von Tom Schimmeck, eine gute Fee, Möglichkeiten, viele Erfahrungen machen zu dürfen, Erfolg und Misserfolg, denn an beidem wächst man, sowie Freude am Beruf! Zu guter Letzt gebe ich allen den wunderbaren Satz von Peter Rühmkorf auf den Weg: "Bleib erschütterbar und widersteh".

Vielen Dank für das Gespräch!

Durchziehen, was man wirklich machen möchte

Interview mit Klaus Brinkbäumer
Felix Winnands

Klaus Brinkbäumer war 17 Jahre lang Reporter und Korrespondent des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Bevor er im Januar 2011 als Textchef in die Chefredaktion nach Hamburg wechselte, berichtete er aus den USA unter anderem über den Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama.

Wozu benötigt der SPIEGEL seit kurzem einen Textchef?

Wie jedes Magazin machen wir Blattkritiken. Dabei wurde im vergangenen Jahr mehrmals darauf hingewiesen, dass der SPIEGEL an manchen Stellen sprachlich nicht so genau, so scharf und mutig sei, wie er sein könnte. Die Chefredaktion hat eine Diskussion über das Handwerk des Schreibens geführt und daraus geschlossen, dass wir noch intensiver als bisher an der Textqualität arbeiten wollen. Das ist der Kern meiner Aufgabe.

Fällt es nicht schwer den Reporter-Job in New York gegen eine Aufgabe am Schreibtisch in Hamburg einzutauschen?

Ich war glücklich in New York und ja, es ist mir schwer gefallen. In der neuen Aufgabe fehlt es mir, zu reisen, Geschichten zu finden, zu recherchieren, zu schreiben. Die Freiheit, die man als SPIEGEL-Reporter jenseits des Leistungsdrucks ja auch genießt, habe ich gegen einen Büroalltag eingetauscht, aber Mitleid müssen Sie deshalb nicht haben: Den SPIEGEL aus der Chefredaktion heraus mitzugestalten ist eine faszinierende Aufgabe.

Sie sprechen von der Freiheit der SPIEGEL-Reporter. Aber bleibt nicht auch dort zu wenig Zeit für tiefgehende Recherche? Müssen Sie dies vielleicht sogar freien Mitarbeitern überlassen?

Der Kern der Aufgabe eines SPIEGEL-Reporters ist die Recherche. Wir haben eine Woche Zeit, Geschichten in aller Gründlichkeit zu recherchieren, für viele Themen nehmen wir uns auch mehrere Wochen. Und Woche für Woche, bis zum späten Freitagabend, brodelt die Redaktion, weil unsere Leute bis zuletzt nachhaken. Natürlich stellen wir eine Überreizung oder Überhitzung fest, alles muss schnell und schneller gehen – im Journalismus, aber auch in der Politik. Ein Blatt wie der SPIEGEL sollte aber so genau und gründlich weiter arbeiten, wie es das immer getan hat, wir dürfen uns nicht mitreißen lassen.

Hat sich denn die Haltung junger Journalisten, die zum SPIEGEL kommen verändert?

Ich finde ja, dass die jungen Kollegen und Kolleginnen heute viel besser ausgebildet sind, als wir es früher waren. Die Qualität des Studiums ist höher, die meisten bringen Auslandsaufenthalte und Praktika mit. Dies verändert vielleicht auch die Erwartungen an den Beruf, das meiste aber ist unverändert: Wir stellen weiterhin viele Begabte und Neugierige ein, die unbedingt beim SPIEGEL arbeiten wollen und es dann mit Leidenschaft tun.

Haben Sie einen Tipp für junge Menschen, die Journalist werden wollen?

Mir ist klar, dass unser Magazin eher eine Luxusposition hat und es bei regionalen Zeitungen anders aussieht. Der Kostendruck ist groß. Ich kann Einsteigern nur zu Mut und Neugierde raten, aber diese Begriffe werden junge Journalisten so oft hören, dass das längst Klischees sind. Wichtig ist vermutlich, dass man das durchzieht, was man wirklich machen möchte. Ich bin zwei Mal in einer beruflichen Sackgasse gelandet und darum gegangen, und es war richtig. Meine Lektion war: Es gibt Pflichtstoffe, die man machen muss, und Geschichten, die man unbedingt schreiben will. Letztere sollte man mit aller Kraft verfolgen – und wenn es nur zwei oder drei pro Jahr sind.

Es ist nicht einfach, aber einfach war es nie

Interview mit Gottlob Schober
Jennifer Küppers

Grünblaue Augen blicken durch eine randlose Brille. Hände liegen entspannt ineinandergelegt auf dem Tisch. Gottlob Schober, Redakteur bei Report Mainz, sitzt gelöst und zurückgelehnt auf einem Stuhl im großen Sitzungsraum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Gerade hat er das Eröffnungspanel der dritten MedienSommerAkadmie zum Thema Politischer Journalismus moderiert. Politischer Journalismus, das bedeutet für ihn gut recherchierte Themen, die relevant sind. Relevant ist für ihn besonders das Thema der Altenpflege.

Per Zufall kam er einst in ein Altenheim und sah eine alte Frau, die sich in ihrem Pflegebett derart verkeilt hatte, dass sie sich allein nicht befreien konnte. Das Pflegepersonal kam erst gefühlte Stunden später hinzu, um ihr zu helfen. Eine Situation, die dem Reporter nicht mehr aus dem Kopf ging. Seitdem ist die Gesundheitspolitik, insbesondere das Thema "Altenpflege" sein Steckenpferd. Er drehte eine Vielzahl von Reportagen zu diesem Thema und veröffentlichte 2008 mit Claus Fussek das Buch "Im Netz der Pflegemafia". Darin decken die Autoren gravierende Missstände in der Altenpflege auf, analysieren die wirtschaftlichen Interessen einer boomenden Branche und machen die mafiösen Strukturen eines Systems sichtbar, in dem man um des Profits willen am Personal spart und über eklatante Menschenrechtsverletzungen hinwegsieht.

"Der Fisch stinkt vom Kopf her", beschreibt Gottlob Schober die aktuelle Situation. "Gute Pflege wird bestraft." Seit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 gibt es nach seiner Einschätzung nur einen Wettbewerb über die Preise, nicht über die Qualität. Es gebe mehr alte Menschen und weniger junge Pflegekräfte, die auch nur wenig motiviert seien. "Da werden alte Menschen schlicht in Windeln gewickelt statt auf die Toiletten geführt." Das Argument, welches er ständig hört, lautet: "Unter den gegebenen Rahmenbedingungen leisten wir optimale Pflege – ein Widerspruch in sich", findet Gottlob Schober. Auch wenn ihn das Thema sichtlich bewegt, verändern sich weder seine Stimmlage noch seine Gestik.

Das Thema hat für ihn besondere Bedeutung, da jeder Mensch älter wird und irgendwann auch pflegebedürftig. Jeder sollte sich rechtzeitig Gedanken über sein Alter machen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsvollmachten organisieren. Als gute Alternative zu Pflegeheimen, sieht er die Pflege zuhause. "Das naheliegendste dafür ist natürlich, dass sich erstmal der Familienrat zusammensetzt und genau überprüft, wie die Finanzlage, die Zeit der Familienangehörigen und Vorsorgelage ist." Auch die Variante, sich eine Pflegeperson aus dem Ausland zu organisieren, bleibt zu diskutieren. "Pflegekräfte müssen natürlich legal über die Bundesagentur für Arbeit angefragt werden. Illegale Beschäftigung ist kein Bagatelldelikt!", warnt Gottlob Schober. "Es geht um Sozialversicherungsbetrug und Verstöße gegen das Ausländerrecht.

Als Journalist sieht er sich in der Pflicht, derartige Missstände aufzudecken und appelliert an die Nachwuchsjournalisten: "Es ist nicht einfach, seinen Weg im Journalismus zu machen, aber einfach war es nie. Hartnäckigkeit und Wissen werden sich immer durchsetzen", behauptet er und empfiehlt jungen Journalisten, sich gutes Hintergrundwissen anzueignen und tiefer in Themen, die einem an Herzen liegen, einzusteigen.

Eröffnungsrede

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Programm & Lebensläufe

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Keynotes

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O-Töne

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Workshop-Reportagen

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Stimmungsbilder mit Worten

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Film MSA 2011 von Frank Schnelle

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Fotostrecken von Katrin Heyer

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Auswertung

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Literaturangaben zum Theater

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