FES Bayern

Ausstellung

Passt Scho

Bayerische Wirklichkeiten und Wahrnehmungen

„Wie nehmen Sie die Lebensqualität in Bayern wahr?“ Das haben wir im Herbst 2020 die Menschen in Bayern gefragt.[1]

„Alles soll so bleiben wie es ist“, „passt scho!“, waren häufige Antworten, die wir erhielten. Denn: Bayern geht’s gut. Wer in Bayern daheim ist, nimmt sein Leben sicher und behütet wahr und fühlt sich wohl. Besonders geschätzt wird die bayerische Natur, die Berge und Seen, welche maßgeblich zur Lebensqualität beitragen. Sicherheit und Stabilität, auch damit verknüpfen die Menschen in Bayern ihr Lebensgefühl. Hier lässt es sich so gut leben, wie sonst nirgendwo in Deutschland. Das Gefühl wirtschaftlicher Stärke und davon abgeleitet von Wohlstand oder sogar Überlegenheit ist weit verbreitet. Man ist stolz auf Bayern.

Aber Bayern ist sehr viel mehr: Bayern ist ein heterogenes Land im Wandel, mit regionalen Prägungen und einem starken Stadt-Land-Gefälle. Die Ungleichheit der Lebensverhältnisse ist hoch und zieht sich durch alle Lebensbereiche: Arbeitsmarkt, Mobilität, digitale Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildung. Bayern fällt regelrecht auseinander - in boomende Regionen und abgehängte Landstriche. Passt also wirklich alles?

Wahrnehmung und Realität klaffen in Bayern weit auseinander: Neben einem starken bayerischen Heimatgefühl, das alles zu überstrahlen scheint, stehen die realen Lebensbedingungen mit all ihren Herausforderungen an Politik und Gesellschaft.

Die Fotoausstellung "Passt Scho" wirft einen liebevollen, aber auch kritischen Blick auf unsere bayerische Heimat und beleuchtet die Zukunftsthemen Naturschutz, bezahlbarer Wohnraum, Arbeit, Tourismus und Gesundheit. Denn es gibt durchaus Kritikpunkte an der bayerischen Wirklichkeit und Änderungswünsche an die Politik. Zur Diskussion darüber soll diese Ausstellung anregen.

Auch in Zukunft sollen die Bayerinnen und Bayern sagen können: „Alles soll so bleiben wie es ist – passt scho!“ Aber nicht, weil die Augen vor Veränderungen und Weiterentwicklung verschlossen wurden, sondern weil Bayern durch soziale und gerechte Politik zukunftsfest bleibt.

Eine Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung Bayern

Kuration & Konzeption: Magdalena Jooss, Franziska Schrödinger
Ausstellungsarchitektur: Leila Unland von P.O.N.R
Ausstellungsbau: Holzkonzept Schrödinger 

[1] "Das Bundesland der Superlative? Wie die Bayer_innen regionale Ungleichheiten wahrnehmen"

Die Ausstellung beinhaltet Fotoserien und ein Video:

Wie im Himmel so auf Erden

Bayrische Nutzlandschaften

Simon Sola Holischka

Zu sehen sind: ein Steinbruch, ein Stahlwerk, ein Speichersee und eine landwirtschaftliche Fläche im ehemaligen Moorgebiet – allesamt Orte, vom Menschen genutzt und geformt. Diese Nutzlandschaften, wie Simon Sola Holischka sie nennt, fotografiert er bei Nacht. Die Sterne am Himmel leuchten, die elektrischen Lichter am Horizont tun es auch – wie im Himmel so auf Erden. Im Licht der Sterne sind diese Orte eingebettet in einen anderen, größeren Kontext.  Holischkas Fotografien laden ein, sich zu beziehen: Zum Beispiel auf die Weite des Alls, und gleichzeitig auf die ganz konkreten Orte unserer Lebenswirklichkeit, an denen unterschiedliche Interessen koexistieren und voneinander abhängen. So etwa, wenn der Schriftzug „Grundlage für Arbeitsplätze und Umweltschutz“ in großen Buchstaben auf einer Stützmauer der Lechstahlwerke Augsburg zu sehen ist, und ebenso der angrenzende Lohwald, von dem 40 Prozent für die Erweiterung des Stahlwerks abgeholzt werden sollen. Die großformatigen Langzeitaufnahmen bezeugen, ohne zu verurteilen. In der Langsamkeit der Nacht ist Raum und Zeit vorhanden, unsere Beziehung zur Welt zu reflektieren. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir die Welt verändern können, sondern ob wir sie so verändern, wie wir das wirklich wollen.

Text von Simon Sola Holischka

Genau hier

Videoinstallation

Magdalena Jooss

Magdalena Jooss zeigt in ihrer Arbeit Genau hier verschiedene Facetten des frustrierenden und ambivalenten Kampfes um Wohnraum auf, der nicht allein in München immer problematischer wird. Im Kapitel „Stimmung in Bayern“ der Studie „Das Bundesland der Superlative?“ (Friedrich-Ebert-Stiftung, 2021) wird betont, dass Menschen, die in Bayern leben, die Sicherheit, den Wohlstand und die Verlässlichkeit im Freistaat schätzen. Diese Faktoren spielen eine besondere Rolle, wenn es um das eigene Zuhause geht. Durch die prekäre Entwicklung des Wohnungsmarktes werden diese Parameter jedoch nicht nur gefährdet, sondern zu Teilen gänzlich aufgehoben.

In einer langsamen Kamerafahrt tastet die Linse im Film Quadratmeter Rohbauten ab, als würde sie sich nach etwas sehnen, das sie sich zu Eigen machen könnte. Zitate in denen Menschen ihre Erlebnisse bei der Wohnungssuche schildern, die einer unrealistischen Selbstvermarktung gleicht, stehen mit Na und dem zweiten Film, Qualitätsmeter, gegenüber. Hier beschwört der Mann vor der Baustelle mantraartig die Idee von Freiheit, Potenzial und Einzigartigkeit. Doch im Zusammenspiel von Jooss Arbeit wird deutlich, dass dies nichts als Worthülsen aus Luxusbroschüren sind, die er sprachlich mit Leben füllt. Selbstbestimmtheit, Flexibiltät und Optimierung werden hier zu Versprechen, die letztlich auf eine Mauer prallen. Eine Mauer, die überall aus demselben Beton gegossen ist.

Text von Marie-Luise Mayer

24h Bad Füssing

Ort – Jakob Schmitt

Mensch – Regina Recht

„Einmal Bad Füssing, immer Bad Füssing.” Ein Satz, über den sich Menschen vernetzen, die ihre Urlaube und Kuren in dem kleinen Ort in Niederbayern verbringen. Erst in den späten Sechziger Jahren zu einem Kurort avanciert, stellt die Infrastruktur, Lage und Gesundheitsanbindung für Menschen aus ganz Deutschland die idealtypische Wohlfühl-Kombination dar. So auch für Gudrun Bopp, die erst im Alter ihren Lebensmittelpunkt von Hessen nach Bayern verlegte und von der Fotografin Regina Recht 24 Stunden durch ihren Tag begleitet wurde. Weil sie nichts beschönigen und einfach zeigen was ist und was kommt, offenbaren die entstandenen Bilder Nähe und Empathie. Den Betrachter:innen werden Momente aus dem Alltag einer Frau gezeigt, die routiniert darin ist, sich würdevoll dem Älterwerden und der nachlassenden Gesundheit zu stellen.

Auch Jakob Schmitt war 24 Stunden lang in Bad Füssing unterwegs. Während Menschen auf dem Land besorgt zusehen wie immer mehr Arztpraxen schließen und Pflegepersonal knapper wird, genießt man hier beste medizinische Versorgung. In spärlich bevölkerten Stadtansichten zeigt er einen Ort, der sich völlig seiner Funktion als Kurstätte verschrieben hat. Zwischen Thermen und Springbrunnen blitzt auf, was ein wichtiges Standbein der bayrischen Wirtschaft ausmacht – der Tourismus. Wo sprudelndes Leben versprochen wird, zeigen sich in Schmitts Fotografien jedoch Plätze, die sich in einem entspannten Dämmerschlaf zu befinden scheinen. Hier versammelt sich eine Generation, die kurze Wege, Verlässlichkeit und das Gefühl von Gemeinschaft schätzt.

Text von Marie-Luise Mayer

Szenen aus Ostbayern

Arbeitskleidung

Franziska Schrödinger

Gottfried Kellers Romantitel „Kleider machen Leute“ findet in Franziska Schrödingers Alltagsbeobachtungen eine erweiterte Gültigkeit. Nicht um Haute-Couture geht es hier, sondern um die Identifikation mit dem eigenen Arbeitsplatz und die Verschränkung zwischen Beruflichem und Privatem. Ein Phänomen, das sich hier in Kleinstädten und ländlichen Regionen visualisiert. Zum Bild der regional starken Arbeitgeber:innen gehört auch, dass in den Anstellungsverhältnissen prekäre Hierarchien zwischen Stammbelegschaft und Zeitarbeitspersonal herrschen und dass die alte Industrie eine Transformation hin zu zukunftsträchtigeren Branchen schaffen muss, um langfristig die wirtschaftliche Stärke Bayerns zu erhalten. Schrödinger tastet in filmischen Bild-Sequenzen Lebenswelten und -orte ab, deren Protagonist:innen nicht zwischen einem Arbeits- und einem Freizeit-Ich unterscheiden. Mit einer Mischung aus Stolz und Pragmatismus getragen, künden die Firmen-Logos dieser auch nach Feierabend genutzten Funktionskleidung von Zugehörigkeit und Sicherheit. Demgegenüber stehen reduzierte und ästhetisierte Aufnahmen, mit denen die schimmernde Oberfläche der Textilien betont wird. Der Stoff, aus dem der bayrische Wohlstand ist, erzählt von Bürgerlichkeit und Ordnung, aber auch von Natur, Klischees und individuellen Realitäten.

Text von Marie-Luise Mayer

Kuration & Konzeption:
Magdalena Jooss, Franziska Schrödinger
Ausstellungsarchitektur: Leila Unland von P.O.N.R
Ausstellungsbau: Holzkonzept Schrödinger 

Ausstellungskatalog PDF-Download


Alle Ausstellungsorte:

19. Dezember 2021 bis 9. Januar 2022
Pfaffenhofen/Ilm, Bürgerpark

20. März bis 5. April 2022
Würzburg vor dem Burkardushaus

8. April bis 29. April 2022
Vilsbiburg, VHS , Durchgang zum Parkplatz Färberanger

18. Mai bis 1. Juni 2022
Kaufbeuren, Spitalhof

23. Juni bis 5. Juli 2022
München, Werksviertel-Mitte

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Interviews zur Ausstellung Passt Scho!

Die Leiterin der FES Bayern Anna-Lena Koschig und die Kuratorinnen und Fotografinnen Magdalena Jooß und Franziska Schrödinger sprechen über Ziel und Entstehung von Passt Scho!

Warum die Ausstellung „Passt scho“? Interview mit Anna-Lena Koschig

Markus Käser über "Passt scho" und Pfaffenhofen/Ilm

Wie wurde die Ausstellung „Passt scho“ erarbeitet, Magdalena Jooß?

Wie wurde die Ausstellung „Passt scho“ erarbeitet, Franziska Schrödinger?

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