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Bonn will bis 2035 klimaneutral sein. Im großen Mitwirkungsverfahren „Bonn4Future – Wir fürs Klima“ haben sich 280 Bürger:innen ehrenamtlich engagiert.
Mitbestimmung | 10. März 2025 | Bericht von Hanna Fath | Lesezeit: 5 Minuten
Gesa Maschkowski erinnert sich an das Jahr 2019 und spricht von einem besonderen Momentum in Bonn: „Das verdanken wir im Wesentlichen Fridays for Future, die das Thema Klimawandel wie in vielen anderen Städten auch nach oben gebracht haben.“
Der damalige CDU-Bürgermeister griff den Antrag der SPD nach einem klimaneutralen Bonn bis spätestens 2035 auf und der Bonner Stadtrat stellte sich mit großer Mehrheit hinter dieses Ziel. Die Initiative „Bonn im Wandel“ initiierte mit Unterstützung eines großen zivilgesellschaftlichen Bündnisses umgehend einen Bürgerantrag auf Bürgerbeteiligung. „Denn wenn eine Stadt klimaneutral werden will, dann sind alle betroffen“, sagt Maschkowski. Die promovierte Transformationswissenschaftlerin ist Vorstandsmitglied von „Bonn im Wandel“ und verantwortete die Gesamtkonzeption des Beteiligungsprozesses.
Der Ausschuss für Bürgerbeteiligung befürwortete den Antrag, „Bonn im Wandel“ übernahm in Absprache mit der Stadtverwaltung die Umsetzung des Beteiligungsverfahrens und stemmte die Konzeptentwicklung in ehrenamtlicher Arbeit. Es entwickelte sich das bisher umfangreichste Bonner Mitwirkungsverfahren. Mehr als 20 Referent:innen aus Wissenschaft und Praxis haben Wissen aufbereitet: Was bedeutet eigentlich klimaneutrales Wohnen, Essen oder Wirtschaften? Welche guten Beispiele gibt es?
Und vor allem – wie lassen sich die Bonner Klimaziele konkret für die unterschiedlichen Handlungsfelder aufbereiten? Auch Vertreter:innen der Bonner Stadtverwaltung und der städtischen Betriebe waren mit Fachimpulsen in den Klimaforen präsent. Insgesamt haben an vier Klimaforen 280 zufällig geloste Bürger:innen aus der Stadtgesellschaft mitgewirkt.
Zukunftsbilder einer klimaneutralen Stadt
Am Anfang des Beteiligungsprozesses stand Visionsarbeit und die Frage, wo man überhaupt hinwolle in der Stadtentwicklung. Gesa Maschkowski hat die Zukunftsbilder der Bürger:innen ausgewertet: „Was wir in Bonn gefunden haben, war das, was man in vielen anderen Städten auch findet: Da ist eine Sehnsucht nach einer grünen, ruhigen, aber gemeinschaftlichen Stadt, nach dem grünen Dorf in der Stadt.“
Schnell wurde im Beteiligungsprozess allen aber auch klar, dass so ein großes Ziel auch großes Engagement erfordert. Im Dilemma zwischen dem, was für einen effektiven Klimaschutz dringend notwendig wäre und der eigenen Überforderung angesichts dieser Aufgabe, identifizierten die Beteiligten eine zentrale Forderung: nach einem Aufbruch und einem Kulturwandel. Sie erinnert sich an eine Szene auf einem der Foren, als eine junge Mutter nach einem Wissensinput verzweifelt entgegnete: „Ich tue schon alles, ich kann nicht mehr.“ Die Kleingruppe ließ sich auf diesen Gedanken ein und entwickelte das Zielbild: Klimawandel ist einfach und normal. Dies unterstreiche alle Ergebnisse der Transformationsforschung, erläutert Maschkowski: „Die einfache Wahl muss die klimafreundliche und nachhaltige Wahl sein – nicht die komplizierte.“
Vor Ort Vertrauen aufbauen
Eine Überraschung für Gesa Maschkowski: Das Thema soziale Gerechtigkeit war den Bürger:innen enorm wichtig, obwohl es in keinem der Vorträge explizit angesprochen wurde. Anhand vieler Themen diskutierten sie, was soziale Gerechtigkeit im Klimaschutz bedeuten kann. Ob es um die energetische Sanierung von Mietwohnungen, bezahlbare klimafreundliche Lebensmittel oder Mobilität geht – Maschkowski ist sich sicher: Wer soziale Gerechtigkeit wolle, müsse versuchen, vor Ort Vertrauen aufzubauen. Auch zu Menschen, die nicht mehr zur Wahl gehen, beispielweise weil sie arm und frustriert sind. Dafür sei die aufsuchende Arbeit direkt in den Quartieren so wichtig.
Der Sozialwissenschaftler Michael Lobeck wurde zusammen mit Wissenschaftler:innen vom Geografischen Institut der Universität Bonn von „Bonn im Wandel“ beauftragt, den Prozess zu evaluieren. Im Vorfeld wurden Ziele für die Beteiligung formuliert: informieren, ermutigen, sich austauschen, Verständnis schaffen. Lobecks Hauptfazit lautet: Für alle, die am Prozess direkt beteiligt waren, seien diese Ziele gut erreicht worden. Lobeck ist allerdings skeptischer, was die Bonner Stadtbevölkerung in der Breite betrifft – die sei kaum erreicht worden: „Um letztendlich Wirkung zu erzielen, ist es notwendig die Stadtgesellschaft mitzunehmen. Auch um in Verwaltung und Politik den nötigen Nachdruck zu erzielen.“ Nach Ansicht von Lobeck fehlte hier ein Budget für eine systematische Öffentlichkeitsarbeit.
Zwei Klimapläne für Bonn
Ein Jahr nach Beginn des Beteiligungsformats entschied die Stadt Bonn, dass parallel zu „Bonn4Future“ auch ein Klimaplan für Bonn von Expert:innen erarbeitet werden sollte. Dies entsprach auch einer Forderung der Bürger:innen, den Transformationsprozess auf einer wissenschaftlichen Datengrundlage zu beschreiten: Ein Gutachter-Konsortium hatte unter Beteiligung aller Dezernate und Ämter sowie städtischer Beteiligungsgesellschaften eine Klimaneutralitätsstrategie für die Gesamtstadt und ein Arbeitsprogramm Klimaschutz für die Verwaltung für zunächst drei Jahre erarbeitet.
Diesen Prozess der beiden parallel entwickelten Klimapläne bewertet Michael Lobeck ambivalent: „Ich finde es nicht falsch, dass man ein Expertengremium auch Dinge erarbeiten lässt, nur muss man die beiden Prozesse verzahnen.“ Dies wurde versucht, indem die Gutachter:innen an den Klimaforen teilnahmen. Dass das Nebeneinander beider Klimapläne im Großen und Ganzen gelungen ist, liegt laut Lobeck an der klaren Kommunikation, dass beide Pläne nicht in Konkurrenz zueinander stünden, sondern sich vielmehr befruchten sollten. Aus Lobecks Sicht fehlte am Ende allerdings die klare Zusage der Stadtverwaltung, die beiden Klimapläne zusammenzufügen.
Dies hat die Initiative „Bonn im Wandel“ in viel ehrenamtlicher Arbeit übernommen. Das Projektteam glich die Ergebnisse der beiden Klimapläne miteinander ab und diskutierte sie mit der Verwaltung und den Gutachter:innen.
Was fehlt im Klimaplan der Stadtverwaltung? Was ist neu aus den Ideen der Bürger:innen? Gesa Maschkowski: „Das ist der entscheidende Schritt, dass man nicht nur Ergebnisse produziert und die irgendwo ablegt oder einreicht.“
Auf dem Weg zur Klimaneutralität
Auch Dr. Giulia Pugnaghi, Leitung Programmbüro Klimaneutrales Bonn 2035, bekräftigt den Wert der Zusammenführung der beiden Pläne: „Die Bonn4Future-Ergebnisse stärken und bereichern den Bonner Klimaplan, weil sie die bürgerschaftliche Perspektive besonders in den Fokus rücken. Es ist wertvoll und richtig, dass beide Dokumente inhaltlich zusammengeführt wurden, so dass eine zentrale und breit getragene Strategie für die Stadt zugrunde liegt“. Seit April 2023 werde diese Strategie systematisch in die Umsetzung gebracht, so Pugnaghi. Einige konkrete Maßnahmen werden aktuell schon realisiert: Die Bonner Energieagentur öffnet Büros in den Quartieren, die Stadt hat eine Wärmeplanung vorgelegt und es wurden 54 Stellen geschaffen, unter anderem für Koordinator:innen in den Klimavierteln.
Diese sind laut Dr. Giulia Pugnaghi dazu da, Menschen zusammenzubringen, die Gelegenheit für Begegnung und Teilhabe in den Mitmachzentren zu bieten und so den Klimaschutz im eigenen Quartier zu ermöglichen. Pugnaghi: „Die Einrichtung der Klimaviertel basiert auf Ideen aus dem Mitwirkungsverfahren „Bonn4Future. Erste Projekte in den Klimavierteln sind bereits gestartet, zum Beispiel die Ausbildung von Bürgersolarberater:innen als Multiplikator:innen oder die Change Clubs, in denen Menschen aus der Nachbarschaft zusammenfinden, um gemeinsam und mit Freude nachhaltige Veränderung in ihren Alltag zu bringen.“
Zusammenarbeit fortführen
Für den weiteren Prozess auf dem Weg zur Klimaneutralität hat Gesa Maschkowski einen Wunsch: Nicht nur die Inhalte, sondern auch die Methodik von „Bonn4Future“ müsse in die Quartiere transferiert werden – und das passiere gerade nicht. „Wir wissen, dass Transformation auch ein sozialer Prozess ist – und der braucht auch Investitionen.“ Im „Bonn4Future“-Prozess seien unterschiedliche Akteur:innen zusammengekommen, um darüber zu sprechen, wie Transformation gelingen kann: Nicht nur zufällig geloste Bürger:innen, sondern auch Beteiligte aus Industrie, zivilgesellschaftlichen Initiativen und der Verwaltung. Diesen Raum gebe es im Moment aber nicht mehr, die Verwaltung mache das alleine, bedauert die Transformationswissenschaftlerin.
30 Innovationen für den Klimaplan
Wie viel es bringen kann, wenn die Zivilgesellschaft beteiligt wird, zeigen die Ergebnisse: „Bonn4Future“ zählt 30 Innovationen aus dem Beteiligungsverfahren, die so vorher nicht im Klimaplan der Stadt enthalten waren. Unter anderem:
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