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Urbane Datenplattformen und digitale Zwillinge sind der Schlüssel zu nachhaltiger Stadtentwicklung, sagt Nora Reinecke. Ein Gespräch darüber, wie zukunftsfähige Stadtplanung aussieht und welche Rolle interkommunale Zusammenarbeit dabei spielt.
Digitalisierung | 3. November 2025 | Interview von Carolin Rückl | Lesezeit: 5 Minuten
Frau Reinecke, Sie sind promovierte Geographin und für das Projekt „Connected Urban Twins“ (CUT) in die Hamburger Senatskanzlei gewechselt. Was hat Sie daran überzeugt?
Das Projekt vereint das Beste aus allen Welten: Wir arbeiten als Team sehr dynamisch, betreiben interdisziplinäre und ergebnisoffene Forschung, erstellen mit Hilfe von Daten fundiertere Entscheidungsgrundlagen für die Verwaltung und arbeiten eng mit anderen Städten zusammen.
Wie ist die Idee dazu entstanden?
Es gab Beziehungen zwischen Kolleg:innen aus den Bereichen Stadtentwicklung und Geodaten in den drei Städten. Dann war es wie so oft im Leben: Man ist im richtigen Moment im richtigen Gespräch und denkt sich: Wir zusammen, könnte das nicht funktionieren?
Connected Urban Twins lässt sich grob als „verbundene urbane Zwillinge“ übersetzen. Was genau ist das?
Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild – von einer Flugzeugturbine, einem Haus oder eben einer Stadt. Die Grundidee ist, darin Dinge zu veranschaulichen und zu analysieren. In Hamburg haben wir zum Beispiel eine Anwendung entwickelt, mit der man sichtbar machen kann, wie Menschen mit geringeren Einkommen aus Quartieren verdrängt werden, weil die Mieten steigen. Eine gute Datenbasis und passende digitale Werkzeuge ermöglichen, frühzeitig auf solche Entwicklungen zu reagieren. Man kann mit digitalen Zwillingen darüber hinaus simulieren, wie sich eine Stadt entwickeln wird. (Siehe auch den VORAN-Bericht „Connected Urban Twins: Wie digitale Zwillinge die Stadtplanung revolutionieren“)
Haben Sie ein Beispiel?
Bevor ich irgendwo einen Betonklotz hinsetze, kann ich mir im digitalen Zwilling ansehen, welche Auswirkungen das hätte: Wird der Park daneben verschattet? Entsteht vielleicht eine Windschneise, die einen vom Fahrrad weht? Ist das überhaupt ästhetisch ansprechend?
Wie kann ein digitaler Zwilling bei der nachhaltigen Stadtentwicklung unterstützen?
Wir können damit konkrete Fragen der Verwaltung beantworten: Wenn wir mit einem Temperaturanstieg rechnen, welche Hitzeinseln entstehen dann in der Stadt? Wenn es mehr E-Mobilität geben wird, haben wir dann genug dezentrale Energieversorgung? In Leipzig haben die Kolleg:innen beispielsweise Bevölkerungsdaten mit Informationen dazu verknüpft, wie viele Kitas es wo gibt. Daran konnte man sehen, ob die Kita-Verfügbarkeit zur Bevölkerungsprognose passt und wo es noch Bedarf gibt.
Dr. Nora Reinecke ist Gesamtprojektleiterin des Kooperationsprojekts „Connected Urban Twins“. Für die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg koordiniert sie das städte- und ressortübergreifende Projektteam, das im Rahmen des CUT-Projekts die Weiterentwicklung von urbanen Datenplattformen und digitalen Zwillingen in den drei Partnerstädten Hamburg, Leipzig und München vorantreibt. Nora Reinecke ist promovierte Geographin und hat zuvor Projekte in Wirtschaft und Wissenschaft geleitet.
Verschwendet man nicht Zeit und Geld, wenn man Veränderung simuliert, statt sie umzusetzen?
Es ist genau umgekehrt: Wenn man frühzeitig im virtuellen Abbild Fehler erkennt, vermeidet man sie in der Umsetzung.
Dann spart man sogar Ressourcen?
Ja. Wollte man früher wissen, wie die Lärmbelastung bei einem Neubau ist, musste ein Lärmgutachterbüro ein sehr solides, aber eben auch teures Gutachten erstellen. Anschließend wusste man: Neun von zehn Optionen fallen weg. Dasselbe Ergebnis können wir jetzt in kürzester Zeit sehr niedrigschwellig und mit viel mehr Verantwortung innerhalb der Verwaltung generieren.
Welche Vorteile haben digitale Zwillinge gegenüber herkömmlichen Tools der Stadtentwicklung?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir in allen drei Projektstädten haptische Pläne hatten, in die die Fachbereiche mit bunten Stiften gemalt haben. Die hat man dann eingescannt, ans Nachbarreferat geschickt, dort wieder ausgedruckt und wieder reingemalt. Das war wahnsinnig ineffizient. Wenn man die Daten der verschiedenen Bereiche direkt auf einer Karte anzeigen kann, lässt sich viel leichter gemeinsam und unabhängiger von einzelnen Wissenseigentümer:innen arbeiten.
Auf welche Widerstände sind Sie bei der Umsetzung gestoßen?
Eine Angst, die häufiger auftaucht, ist: Wenn ich digital arbeite, wird dann mein Arbeitsplatz irgendwann ersetzt?
Und?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Digitale Tools entlasten Beschäftigte von Routineaufgaben und schaffen moderne Arbeitsbedingungen – das macht die Verwaltung als Arbeitgeber attraktiver. So konnten wir dem Fachkräftemangel sogar entgegenwirken.
Sehen das alle Mitarbeiter:innen so? Man kann Widerstände sehr gut auflösen, indem man die Leute mitnimmt, statt Lösungen vorzugeben. Ich finde total nachvollziehbar, wenn Referent:innen nicht sofort in die Hände klatschen, wenn man mit einem neuen Tool um die Ecke kommt. Die Leute sind ausgelastet, auch ohne dass sie ihre eingespielten Prozesse umwerfen. Deshalb ist es aus meiner Sicht so wichtig, in einem Projekt wie unserem bedarfsorientiert zu arbeiten. Einfach mal in den Fachbereichen Mikroklima, Mobilität oder soziales Monitoring nachzufragen: Welche Daten nutzt ihr, wie geht ihr bisher damit um und was könnte eure Arbeit erleichtern?
Die drei Projektstädte Hamburg, Leipzig und München liegen in sehr unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Wie hat sich das im Projekt bemerkbar gemacht?
Als drei Großstädte haben wir natürlich Ähnlichkeiten, aber auch sehr unterschiedliche Herausforderungen. In Hamburg ist zum Beispiel soziale Verdrängung ein großes Thema, in Leipzig Kitaplätze. Dazu gibt es in unseren drei Städten sehr unterschiedliche Strukturen und Vorgaben zur Weitergabe von Daten.
Der Grundlage Ihres Projekts.
Genau. In Hamburg haben wir seit 2012 das Transparenzgesetz, das, verkürzt gesagt, bedeutet, dass Daten zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn kein höheres Recht dagegenspricht. Personenbezogene Daten müssen zum Beispiel nicht öffentlich zur Verfügung gestellt werden, da greift der persönliche Datenschutz, aber allgemeine Bevölkerungsdaten müssen geteilt werden. Das erleichtert natürlich die Arbeit in einem datengestützten Projekt.
Was ist der Mehrwert einer Kooperation dreier so unterschiedlicher Städte?
Unsere Unterschiede haben das Projekt komplexer gemacht, aber unsere Lösungen anschlussfähiger. Unsere Motivation war: Wenn wir mit unseren Unterschieden einen gemeinsamen Nenner finden, können wir auch als Leuchtturm für andere Städte dienen.
Was empfehlen Sie Kommunen, die ein ähnliches Projekt ins Leben umsetzen wollen?
Dass sie das gar nicht tun brauchen, das ist ja das Tolle! Wir konnten innerhalb von fünf Jahren viel Wissen aufbauen, das andere jetzt nutzen können.
Wie stellen Sie ihr Wissen zur Verfügung?
Wir haben in einem zweijährigen Prozess beispielsweise eine DIN-Spezifikation zu urbanen digitalen Zwillingen initiiert, das ist eine Vorstufe zu einer DIN-Norm. Entstanden ist mit der DIN SPEC 91607 („Digitale Zwillinge für Städte und Kommunen“) eine Art Wegweiser, wie man so etwas aufbauen kann und was zum Beispiel im Bereich Governance oder Organisation wichtig ist. Dazu haben wir auf unserer Website viele Informationen und Tutorials zusammengestellt – dazu gehört die CUT-Akademie.
Worum geht es da?
Zum Beispiel darum, wie man einen Anwendungsfall strukturiert. Alle unsere Codes sind außerdem Open Source und mit den entsprechenden Erklärungen auf opencode.de verfügbar.
Das Projekt läuft noch bis Ende des Jahres. Was passiert dann mit Ihrer Expertise?
Die soll den Städten natürlich erhalten bleiben. Deswegen gibt es in allen drei Städten den Plan, dass Projektmitarbeiter:innen in ihrer normalen Tätigkeit die Tools, Arbeitsweisen und Zugänge aus dem Projekt integrieren, und dass wir befristet Angestellte in anderen Projekten oder auf Linienstellen halten. Und wir wollen natürlich als Städte im Austausch bleiben, auch wenn das nicht in der aktuellen Intensität möglich sein wird.
Durch die Formulierung klarer Ziele hat sich Bochum im Smart-City-Index zur Nummer eins im Ruhrgebiet entwickelt.
Mit einer neuartigen Organisationsform setzt das „Bochumer Modell“ in der Verwaltung bundesweit Maßstäbe.