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Friedrich Engels (1820-1895), Mitbegründer des Marxismus und Weggefährte von Karl Marx, prägte mit Werken wie "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" maßgeblich die sozialistische Theorie und die Entwicklung der Arbeiterbewegung. Als kritischer Denker und Finanzier Marx' unterstützte er dessen Forschungen und setzte sich für revolutionäre Veränderungen ein. Nach Marx' Tod veröffentlichte er dessen Nachlass und beeinflusste die sozialdemokratische Programmatik. Trotz späterer Revisionismus-Vorwürfe blieb Engels ein Verfechter revolutionärer Veränderungen, wobei er pragmatisch unterschiedliche Wege zum Sozialismus anerkannte. Der Einfluss seines Wirkens bleibt immens, auch wenn es heute nicht immer die entsprechende Anerkennung erfährt.
Hören Sie den Eintrag zu Friedrich Engels auch als Hörbuch. (Hörzeit 11:44 Minuten)
Dass er die bestehende ökonomische Ordnung umstürzen wollte, das war dem Fabrikantensohn Friedrich Engels (* 28.11.1820 · † 5.8.1895) nicht in die Wiege gelegt. Und doch war er die treibende Kraft bei der Entstehung dessen, was später als Marxismus beschrieben wurde. Ohne ihn wäre das Werk Marx’ (S. 221-227) zweifellos nicht so umfangreich ausgefallen, es wäre weniger bekannt gewesen und es hätte kaum die Arbeiterbewegung so inspiriert. Zugleich war Engels entgegen seiner Selbstbeschreibung weit mehr als nur »zweite Violine«, sondern auch ein Denker eigenen Ranges.
Als Sohn eines Kaufmanns und Fabrikanten wuchs Friedrich Engels in einem gut situierten, bürgerlichen Umfeld auf, dem die epochalen Umwälzungen seiner Zeit – Industrialisierung, Verstädterung, Verelendung – dennoch nicht verborgen blieben.
Engels emanzipierte sich von den religiös-pietistischen Vorstellungen seines Elternhauses und entdeckte während seiner Aufenthalte in Bremen und Berlin die Philosophie Hegels für sich. Mit der zentralen Idee der Freiheit, die in einem zielgerichteten Verlauf der Geschichte durch Vernunft und Rationalität immer mehr zu Geltung komme, wurde die Philosophie Hegels prägend für das weitere Denken Engels’ und schließlich auch für die im Materialismus entwickelte Vorstellung eines zielgerichteten Verlaufs der Geschichte. Später allerdings wandelte sich sein Blick auf die treibenden Kräfte der Geschichte. Es waren weniger die Ideen im Sinne Hegels, sondern vielmehr materielle Verhältnisse, die den Gang der Dinge prägten.
Schicksalhaft wurde die Begegnung mit Karl Marx. Mit einem Treffen im August 1844 in Paris begann nicht nur eine Freundschaft, sondern eine lebenslang andauernde Produktions- und Ideengemeinschaft.
Nach diesem Treffen kann das Leben der beiden nicht mehr voneinander getrennt beschrieben werden. Gemeinsame Stationen waren Brüssel, Paris, Köln und schließlich England – immer geprägt von dem Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Philosophie in Bezug zu setzen zur entstehenden Arbeiterbewegung.
Das gemeinsam verfasste »Manifest der Kommunistischen Partei« (1848) ist der bekannteste Ausdruck dieses Bemühens, »das europäische und zunächst das deutsche Proletariat für unsere Überzeugungen zu gewinnen« (MEW 21: 12).
Während Engels in Manchester als ökonomisch erfolgreicher und gesellschaftlich anerkannter Kaufmann tätig war, setzte Marx in London seine Studien fort. Engels finanzierte dabei zu großen Teilen den Haushalt der Familie Marx. Später zog auch Engels nach London, um näher bei Marx zu sein.
Engels stand in engem Austausch mit den führenden Köpfen der europäischen – insbesondere der deutschen – Arbeiterbewegung. Er war maßgeblich für die Entstehung und Verbreitung der von und mit Marx entwickelten Ideen und ein Netzwerkknoten der rasch wachsenden europäischen Arbeiterbewegung. Es war nicht überraschend, dass August Bebel (S. 54-59) eine Grabrede hielt, nachdem Engels 1895 in London gestorben war.
Engels’ wissenschaftliche Arbeiten waren von konkreter empirischer Beobachtung gestützt und sollten umgekehrt wiederum dazu beitragen, die realen Verhältnisse zu verändern. So leistete er Pioniertaten der empirischen Sozialforschung. Bereits seine »Briefe aus Wuppertal« (1839) zeugen davon.
In der Schrift »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« (1845) wird Engels Fähigkeit zur wortgewaltigen und plastischen Schilderung sozialer Realität noch deutlicher. In seiner Widmung des Buchs für die Arbeiter skizziert er sein Vorgehen: »Ich verzichtete auf die Gesellschaft, die Bankette, den Portwein und den Champagner der Mittelklasse und widmete meine Freistunden fast ausschließlich dem Verkehr mit einfachen Arbeitern.« (MEW 2: 229) Er beschreibt eindrucksvoll die elenden Wohn- und Arbeitsverhältnisse der Arbeiter:
»Diese Arbeiter haben selbst durchaus kein Eigentum und leben von dem Arbeitslohn, der fast immer aus der Hand in den Mund geht; die in lauter Atome aufgelöste Gesellschaft kümmert sich nicht um sie; überlässt es ihnen, für sich und ihre Familien zu sorgen und gibt ihnen dennoch nicht die Mittel an die Hand, dies auf eine wirksame und dauernde Weise tun zu können; […].« (MEW 2: 304)
Engels schöpfte sein Material nicht nur aus eigener Beobachtung, sondern zog verschiedene Quellen heran. Mitunter wurden ihm methodische Mängel vorgeworfen. Für Engels Absicht sind diese Kritiken nebensächlich. Es geht ihm darum, die für diese Zustände Verantwortlichen, die englische Bourgeoise vor aller Öffentlichkeit anzuklagen und damit auch die deutsche Bourgeoise zu treffen. Ferner will er zeigen, dass aus einer Klasse an sich, also aus einer gemeinsamen sozialen Lage, auch eine Klasse für sich entstehen kann, also eine Formation von Menschen, die ihre Interessen bündeln und in politische Aktionen umsetzen. »Die Arbeiter fangen an, sich als Klasse in ihrer Gesamtheit zu fühlen, sie werden gewahr, dass sie, obwohl einzeln schwach, doch zusammen eine Macht sind.« (MEW 2: 349)
Er wendet hier ein Interpretationsmuster für die gegebenen gesellschaftlichen Zustände an, das wegweisend für das weitere Werk Engels’ und auch Marx’ wird (vgl. Euchner 1991: 162). Er zeigt, dass die gesellschaftlichen Umstände immer auch Produkt der vorherrschenden ökonomischen Verhältnisse – vor allem des Privateigentums an Produktionsmitteln – sind. In dieser Hinwendung zur politischen Ökonomie ist er Impulsgeber für Marx und Schöpfer eines der maßgeblichen Bausteine der später als Marxismus beschriebenen sozialistischen Theorie.
Am 17. März 1883 hielt Engels die Grabrede auf seinen Weggefährten. Schon seit einigen Jahren war Marx zunehmend von Krankheiten belastet und immer weniger in der Lage, publizistisch-politisch zu arbeiten. Komplementär dazu wuchs Engels Bedeutung als Stimme seines Freundes. Nach dem Ausscheiden aus der Firma Ermen und Engels 1869/70 verfügte er über Zeit und auch über die stabilere Konstitution.
Er animierte Marx, unbedingt den zweiten und dritten Band des Kapitals weiter zu bearbeiten und vertrat ihn immer mehr im öffentlichen Wirken. In diese Zeit fällt auch die Veröffentlichung des sogenannten Anti-Dühring. Die Schrift »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft« (MEW 20: 16-303), leistet die konzise, kompakte und überwiegend gut lesbare Darstellung des Sozialismus und der wesentlichen Gedanken des Materialismus. Hier werden das dialektische Prinzip, die politische Ökonomie Marx’ und die historische Entwicklung des Sozialismus dargestellt. Der Anti-Dühring war in der Arbeiterbewegung hoch populär, gleichermaßen ein »Lehrbuch des wissenschaftlichen Sozialismus« (Euchner 1991: 168) und trug maßgeblich dazu bei, den Materialismus zu verbreiten.
Nach dem Tode Marx’ wuchs Engels’ Bedeutung als Verbreiter der Marx’schen Ideen. Er stellte seine eigenen, naturwissenschaftlichen Arbeiten zurück und kümmerte sich um die Herausgabe der von Marx hinterlassenen Schriften, vor allem des zweiten und dritten Bandes des Kapitals.
Zugleich wurde er auch wichtiger Ratgeber der wachsenden sozialdemokratischen Parteien Europas. Aus der deutschen Sozialdemokratie waren es Bebel und Liebknecht (S. 199-205), aber auch Bernstein (S. 60-66) und Kautsky (S. 166-172), die Engels’ Rat suchten und teilweise zu engen Vertrauten wurden. Er beeinflusste erheblich die Programmatik der sozialdemokratischen Parteien, vielleicht am deutlichsten erkennbar im Erfurter Programm der SPD von 1891.
»Seit […] eine Flut von Telegrammen mit den Siegesmeldungen hier eintraf, befinden wir uns in einem ständigen Siegestaumel. […] Der 20. Februar 1890 ist der Tag des Beginns der deutschen Revolution.« (MEW 37: 359) Engels war euphorisiert angesichts des guten Ergebnisses für die SPD bei den Reichstagswahlen 1890. Es schien, als wachse die Sozialdemokratie unaufhörlich weiter und als könne auf demokratisch-parlamentarischem Wege das erreicht werden, was alle Volten und Krisen des Kapitalismus nicht vermochten: eine soziale, ökonomische und politische Revolution!
War der späte Engels damit zu einem Revisionisten geworden? Zu jemandem, der nicht auf den revolutionären Umsturz setzte, sondern auf graduelle Reformen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter? Engels selbst verwahrte sich nachdrücklich gegen diesen Eindruck (vgl. Steger 2003). Eine Revolution werde sich zweifellos vollziehen. Allerdings sei ihm jedes Mittel Recht, das zum Ziel führe. So sei es etwa zweifellos möglich, andere – auch nicht proletarische – Parteien in Maßnahmen zu unterstützen, die »entweder unmittelbar dem Proletariat vorteilhaft oder die Fortschritte im Sinne der ökonomischen Entwicklung oder der politischen Freiheit sind« (MEW 37: 326). Verschiedene Wege können aus der Perspektive Engels’ zum Sozialismus führen. Mit diesem Pragmatismus legte Engels mehr Beweglichkeit an den Tag als viele derjenigen, die sich später auf ihn und seinen Partner beriefen.
Die ungemeine Präsenz des Marx’schen Gedankenguts in der europäischen Arbeiterbewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert wäre ohne Engels nicht zustande gekommen. Er war, so der Austromarxist Max Adler, »der Blitz, der die hochgespannte Gedankenenergie des Marxismus zündend in den naiven Volksboden des Proletariats einschlagen ließ« (Adler 1925: 13). Als produktiver und fähiger Publizist, als großzügiger Unterstützer, als wichtiger Impulsgeber und Verbreiter trug er entscheidend dazu bei, dass die oft gemeinsam mit Marx entwickelten Ideen nicht nur in der Philosophie, sondern auch in der politischen Praxis einflussreich wurden. Für den produktiven Bezug des immensen Marx-Engels’schen Werks auf aktuelle Herausforderungen hat Engels selbst den entscheidenden Hinweis gegeben. Es komme nicht darauf an einzelne Phrasen aus ihren Schriften herauszupicken, sondern zu fragen, wie Marx in dieser Situation gedacht hätte.
Im Unterschied zu dem in Zyklen wieder in den Blick genommenen Marx sind Engels und sein Werk heute kaum präsent in der deutschen Arbeiterbewegung. Zu Unrecht, denn die Lage der arbeitenden Klassen an vielen Orten der Welt würde es rechtfertigen, sich wieder stärker mit Engels auseinanderzusetzen.
Die Werke von Marx und Engels sind in unterschiedlichem Umfang vielfach veröffentlicht worden. Hier wurde verwendet: