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Erhard Eppler (1926-2019), SPD-Politiker und Vordenker, prägte maßgeblich die thematischen Diskussionen in den Bereichen Frieden, Entwicklungszusammenarbeit und Ökologie. Als Autor und Redner setzte er sich für einen handlungsfähigen Staat, Umweltschutz und globale Gerechtigkeit ein, wobei er stets für einen Dialog auf Augenhöhe plädierte. Obwohl er mitunter als "angelernter Sozialdemokrat" bezeichnet wurde, beeinflusste er wesentlich die Parteiprogrammatik der SPD, insbesondere das Berliner Programm von 1989. Innerhalb der SPD wurde er als kritische und zugleich loyale Stimme geschätzt.
Hören Sie den Eintrag zu Erhard Eppler auch als Hörbuch. (Hörzeit 11:02 Minuten)
Als Erhard Eppler (* 9.12.1926 · † 19.10.2019) 2009 seine Rede auf dem SPD-Parteitag in Dresden beendet, schlägt die gespannte Stille des Saals in begeisterten Applaus um. Mit klaren Worten hat der 82-Jährige den Bogen vom Godesberger Programm ins Heute geschlagen. In verständlicher Sprache hat er das besondere Verhältnis der sozialdemokratischen Grundwerte zueinander beschrieben. Mit anschaulichen Bildern hat er eine sozialdemokratische Antwort auf den Marktradikalismus gezeichnet.
Klare Worte, verständliche Sprache, anschauliche Bilder – dafür hatte Erhard Eppler schon immer ein Gespür. Der Schwabe hat Politik aus dem Amt heraus gestaltet, aber fast noch mehr mit seinen Büchern, Artikeln und Reden. Er steht für Frieden, Entwicklungszusammenarbeit und Ökologie. In Dresden sprach er so vielen Sozialdemokrat_innen aus dem Herzen. Wieso bezeichnete er sich selbst als »angelernter« Sozialdemokrat?
Erhard Eppler wird am 9. Dezember 1926 als viertes von sieben Geschwistern geboren. Er wächst in Schwäbisch Hall in einem liberalen Umfeld auf. Seine Eltern stehen den christlich-sozialen Thesen des Liberalen Friedrich Naumann nahe. Der Vater ist in Schwäbisch Hall Schulleiter. (Vgl. hier u. i. F. Eppler 1994, 1996) Im Juni 1944 wird Erhard Eppler als Panzerjäger einberufen.
Nach Krieg und Abitur beginnt der 19-jährige Heimkehrer 1946 ein von Not geprägtes Studium in Frankfurt: Germanistik und Anglistik. Dank eines Stipendiums erlebt er in der Schweiz dann erstmals, dass Demokratie mit Wohlstand Hand in Hand gehen kann. Er wird vom Diskurs über die Thesen des Theologen Karl Barth politisiert.
Eppler beendete sein Studium 1951 mit Staatsexamen und Promotion in Tübingen, wird Gymnasiallehrer und lässt sich mit seiner Frau Irene 1953 in Schwenningen nieder. Er engagiert sich gegen die Wiederbewaffnung und gründet 1952 gemeinsam mit Gustav Heinemann und anderen die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP).
Die GVP erreicht bei der Bundestagswahl 1953 nur 1,2 % und Eppler kommt zu der Überzeugung:
»Gegen Millionäre helfen nur Millionen. Wer gegen Adenauers Bündnis mit dem großen Geld irgendetwas erreichen wollte, musste sich mit der anderen Seite verbünden, mit Arbeitnehmern, mit Gewerkschaften und Sozialdemokratie. Dazwischen war kein Platz für eine Partei.« (Eppler 1996: 54)
Er tritt 1956 der SPD bei und wird 1961 in den Bundestag gewählt. 1967 wird Eppler außenpolitischer Sprecher der Fraktion und 1969 Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Im Juli 1974 tritt er im Streit mit Helmut Schmidt über Kürzungen im Etat seines Ministeriums zurück.
Eppler ist seit 1973 SPD-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg und wird 1976 Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Diese Wahl geht nach einer CDU-Kampagne, die von persönlichen Angriffen auf Eppler geprägt ist, verloren. Nach einer erneuten Niederlage 1980 tritt Eppler vom Fraktionsvorsitz, 1981 auch vom Landesvorsitz und 1982 als Landtagsabgeordneter zurück.
Eppler ist sechsundfünfzig Jahre alt und gesundheitlich angeschlagen, als seine politische Karriere beendet scheint. Nach längerem Nachdenken entscheidet er sich für Politik ohne Amt. Zwar bleibt er Mitglied im Vorstand (1970–1991) und Präsidium der SPD (1973–82 und 1984–1991). Er leitet u. a. von 1975 bis 1991 die SPD-Grundwertekommission und übernimmt bis 1997 hochrangige Ämter in der Evangelischen Kirche. Aber er ist von nun an in besonderer Weise auf das Wort angewiesen.
Eppler hat die Programmatik der Sozialen Demokratie vielfältig bereichert. Oft wahrlich als Vordenker und gegen den allgemeinen Trend: Nach anfänglicher Zustimmung sprach er sich bereits gegen Atomkraftwerke aus, als dies die Mehrheit der Sozialdemokratie noch für eine fortschrittliche Zukunftstechnologie hielt.
Als Vorsitzender der Grundwertekommission prägte Eppler vor allem den Irseer Entwurf und damit das darauf basierende Berliner Grundsatzprogramm der SPD von 1989; besonders in den Themenfeldern Frieden, Entwicklungszusammenarbeit und Ökologie.
Spätestens mit seiner Rede 1981 im Bonner Hofgarten wurde Erhard Eppler zur Symbolfigur der Friedensbewegung. Im Berliner Programm der SPD schlug sich die von vielen geteilte Kritik am Nato-Doppelbeschluss nieder: »Wir wollen die Dynamik der Aufrüstung brechen und eine Dynamik der Abrüstung in Gang setzen.« (SPD 1989: 15)
Dabei sah sich Eppler selbst nie als Pazifist. Er wehrte sich dagegen, als Moralist bezeichnet zu werden. »Ich bestritt auch nicht die Notwendigkeit eines Gleichgewichtes, ich rechnete nur anders.« (Eppler 1996: 115) Auf dem SPD-Parteitag 1999 sprach er sich für den Kriegseinsatz im Kosovo aus: »Natürlich wird man schuldig, wenn man Bomben wirft. Die Frage ist doch nur, wie man noch schuldiger wird« (Eppler 1999: 112-113).
Eppler plädierte für eine Stärkung der Vereinten Nationen im Sinne einer Weltinnenpolitik und für die Bekämpfung von Kriegsursachen (vgl. Eppler 2002: 98-104). Diesen Punkt griff auch das Berliner Programm auf und betonte zugleich das Verständnis gemeinsamer Sicherheit. »Die Menschheit kann nur noch gemeinsam überlegen oder gemeinsam untergehen.« (SPD 1989: 15)
Mit fast der gleichen Formulierung hatte 1987 das umstrittene gemeinsame SPD-SED-Papier eröffnet. Es war aus Gesprächen zwischen Mitgliedern der Grundwertekommission der SPD und Vertreter_innen der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED entstanden. Die SPD wurde in der Bundesrepublik für diese Gespräche kritisiert, unter Druck geriet aber auch die SED: Wie konnte ein offener Dialog mit dem Ausland möglich, im eigenen Land aber unerwünscht sein? Viele Bürgerrechtsgruppen beriefen sich später auf das von Eppler wesentlich geprägte Papier (vgl. Faerber-Husemann 2010: 163-182). Eppler half die Erfahrung 1989 für seine berühmte Rede zum 17. Juni 1953.
Epplers Zeit als Minister war vom Aufbau des Ministeriums und dem Kampf um Strukturen, Kompetenzen und Finanzen bestimmt (vgl. Faerber-Husemann 2010: 89). Mit seinem 1971 veröffentlichten Buch »Wenig Zeit für die Dritte Welt« hat er auch die inhaltliche Debatte geprägt. Er machte deutlich, dass Entwicklungszusammenarbeit keine Frage von Almosen ist, sondern »eine Investition in eine gemeinsame Zukunft, weil es nur eine gemeinsame oder gar keine Zukunft geben kann.« (Eppler 1981a: 129)
Eppler sprach sich für eine Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe aus und für Lösungen, die vor Ort passgenau entwickelt werden. Im Berliner Programm der SPD finden sich diese Gedanken wieder: »Ohne einen Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wird die Zukunft der ganzen Menschheit gefährdet. […] Jedes Land hat das Recht auf seinen eigenen Entwicklungsweg. « (SPD 1989: 17-19)
Erhard Eppler beschrieb, dass seine Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit sein ökologisches Bewusstsein geprägt haben (vgl. Eppler 1996: 49-72). Niedergelegt hat er seine Gedanken 1975 in dem Buch »Ende oder Wende«. Eppler spricht von einer Zäsur und von Grenzen, an die die Menschheit gestoßen sei. Er schreibt gegen den Glauben, dass Fortschritt und Lebensqualität nur mit Wachstum möglich seien und von der sich aufdrängenden Frage: »Was hält diese unsere Erde aus?« (Eppler 1975: 9)
Er prägte das Begriffspaar »wertkonservativ« und »strukturkonservativ « und machte deutlich, dass Ökologie eine progressive Frage ist. Wertkonservativ ist, wer die Werte – etwa die Natur – bewahren will. Dafür ist er bereit zu verändern. Wer aber blind die Strukturen bewahrt, wird im Ergebnis die Werte zerstören (vgl. Eppler 1976: 34-45; Grebing 2005: 504-505).
Dank Eppler thematisierte auch das Berliner Programm erstmals ökologische Fragen: »Gesamtwirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist. Ökologie ist kein Zusatz zur Ökonomie. […] Nicht jedes Wachstum ist Fortschritt.« (SPD 1989: 40-41)
Erhard Eppler hat selbst auf die Verbindung von Frieden, Entwicklungszusammenarbeit und Ökologie hingewiesen (vgl. Eppler 2006: 289). Alle drei Begriffe sind wiederum mit dem handlungsfähigen Staat verknüpft, für den Eppler 2006 in seinem Buch »Auslaufmodell Staat« die Lanze brach:
»Die Vorstellung mancher Ökonomen, man könne dem Staat all das wegnehmen, was sie für überflüssig halten, dann bleibe unversehrt und funktionstüchtig übrig, was sie dem Staat als unverlässlich zubilligen, ist reichlich naiv. Oder noch deutlicher: Der demokratische Rechtsstaat dürfte zumindest in Europa nicht ohne Sozialstaat zu haben sein.« (Eppler 2005: 87)
Erhard Eppler starb am 19. Oktober 2019 im Alter von 92 Jahren in Schwäbisch Hall. Seine andauernde Bedeutung für die Soziale Demokratie lässt sich vielleicht mit den Worten von Sigmar Gabriel zu seinem 85. Geburtstag zusammenfassen:
»Es ist unbestreitbar: Die Führung der SPD hat manchmal mit Dir gehadert. Aber immer war sie froh, einen wie Dich in ihren Reihen zu wissen. Deine unermüdliche und zugleich loyale und kritische Begleitung der Sozialdemokratie ist für uns alle unverzichtbar. Es gibt nicht viele in der SPD, die große Linien denken und zugleich tagespolitisch handeln können. Das macht Deinen Rat für mich wie für die ganze Partei so wertvoll.« (Gabriel 2011)