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Wie KI den öffentlichen Dienst smarter macht

Künstliche Intelligenz ist längst in der öffentlichen Verwaltung angekommen – nicht als Zukunftsvision, sondern als effiziente Unterstützung im Arbeitsalltag

Digitalisierung | 15. Mai 2025 | Bericht von Ronny Arnold | Lesezeit: 5 Minuten

Der Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt, westlich von Magdeburg gelegen, erstreckt sich auf einer Fläche von knapp 2400 Quadratkilometern. Die eher ländlich geprägte Region hat insgesamt 600 Kilometer Kreisstraßen, dazu 70 Brücken – und wenn man alle Radwege addiert, kommen noch einmal gut 70 Kilometer dazu. Denis Gruber weiß das so genau, weil er vor Ort der Leiter des Dezernats „Bau, Umwelt und Straßenverkehr“ ist. Und weil er von jedem noch so kleinen Straßenabschnitt und auch den Brücken eine Fotosammlung besitzt. „Wir könnten von jeder Straße einen Film zeigen, wie sie sich in den letzten drei Jahren entwickelt hat, wo sie kaputt ist und welche neuen Schlaglöcher hinzugekommen sind“, sagt Gruber. Möglich macht das eine softwarebasierte KI, die seit 2022 dabei hilft, Risse, Fugen und Löcher zu erkennen, zu dokumentieren und automatisch eine sogenannte Schadensquote zu erstellen.

Effiziente Erfassung mit dem Smartphone

Die dafür notwendige Software ist in einem Smartphone integriert, erklärt der Dezernent, welches an der Frontscheibe des Kontrollfahrzeugs angebracht wird. „Etwa zweimal im Jahr fahren wir die Kreisstraßen im kompletten Netz ab und die Software erstellt dabei automatisch Fotos. Sie erfasst 20 Schadenskategorien der Straßenoberflächen und ermittelt direkt einen Zustandswert.“ Die Skala reicht von 1 bis 5, der Warnwert liegt bei 3,5. „Ab da sind wir verpflichtet zu prüfen, ob hier geeignete Maßnahmen der Straßenunterhaltung durchzuführen sind, weil sich der Abnutzungsgrad deutlich verschlechtert hat.“

Von der KI direkt zur Reparaturkolonne

Mit dem KI-Agenten können die Kontrolleure sogar einzelne Punkte direkt markieren und die festgestellten Schäden sofort einer Kolonne zuordnen. Die darf dann ausrücken und den Abschnitt reparieren. „Früher lief das alles manuell, die Abschnitte wurden abgefahren und es wurde quasi blind nach Schäden gesucht. Durch die KI passiert das heute fortlaufend, gezielt und strukturiert“, erläutert Gruber. Für den Dezernenten ein großer Zeitvorsprung, weil Arbeitsprozesse so viel besser strukturiert werden können. „Wir kennen jeden Quadratzentimeter unserer Straßenoberfläche und können mit der Software rückblickend vergleichen, ob sich der Schaden vergrößert hat oder neue Schäden aufgetreten sind.“ Erfreulich ist für Gruber auch, dass es bei den Mitarbeiter:innen kaum Berührungsängste gab. „Wichtig war natürlich, Schulungen zur KI durchzuführen, weil sie nur so effektiv genutzt und fachgerecht bedient werden kann“, betont Denis Gruber, der den Einsatz von KI im Straßenbau auch in einem Fach-Artikel erläutert.

 

KI verändert Verwaltungen bereits spürbar

Künstliche Intelligenz kommt nicht, sie ist längst da – auch in öffentlichen Landesverwaltungen, etwa in Baden-Württemberg. Das Ziel ist, KI-Tools zur maschinellen Übersetzung, als Sprachassistenten und zur automatisierten Textverarbeitung bis hin zur KI-gestützten Aktenanalyse nutzbar zu machen. „Der Wandel passiert schrittweise, aber deutlich spürbar. Was im Privaten möglich ist, soll es auch im Beruf sein“, erklärt Björn Beck, Leiter des zuständigen „InnoLab Baden-Württemberg“, das direkt im Staatsministerium angesiedelt ist.

Beck gilt im Ländle als treibende Kraft hinter der Digitalisierung der Verwaltung. Was bereits funktioniert: Chatprogramme und Recherche-Tools mit KI, die Mitarbeiter:innen im Joballtag nutzen können. Dabei gehe es nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen, sagt Beck. Entscheidend gerade in Zeiten knapper Personalressourcen.

Einheitliche Standards statt Insellösungen

Viele Behörden arbeiten an und mit KI-Projekten, doch oft fehlt es noch an einheitlichen Standards. Das führt zu doppelten Aufwänden und Insellösungen. Genau hier setzt das landesweite Projekt F13 in Baden-Württemberg an. Das Ziel: ein datensouveränes Assistenzsystem bereitzustellen, das Verwaltungsmitarbeitende beim Schreiben, Recherchieren und Strukturieren von Inhalten unterstützt. „F13 soll generative KI so einfach nutzbar machen wie eine App“, sagt Björn Beck. Das System wird dabei komplett in den sicheren Landesrechenzentren betrieben – ein echter Vorteil beim Thema Datenschutz.

F13 soll zudem als Open-Source-Software bereitgestellt werden, sodass andere Behörden den Code übernehmen, anpassen und unter eigenem Namen einsetzen können. Erste Pilotpartner – sogenannte „First Mover“ – testen das bereits. So entsteht eine Plattform, auf der nicht jeder alles neu entwickeln muss. „Ob Kultusministerium oder Kommune: Alle profitieren von gemeinsamer Weiterentwicklung.“ Das spart Zeit, Geld und macht die Verwaltung agiler. Zudem soll F13 künftig auch in der digitalen Bildungsplattform „SCHULE@BW“ zum Einsatz kommen, von der Unterrichtsvorbereitung bis zur Weiterbildung.

KI als Antwort auf den Fachkräftemangel

Die Diskussion um KI und Arbeitsplatzverlust ist in der Verwaltung mittlerweile in den Hintergrund gerückt. Der Grund: Der demografische Wandel trifft die öffentliche Hand mit voller Wucht. In den nächsten zehn Jahren scheiden bis zu 25 Prozent der Mitarbeitenden aus – in manchen Behörden sogar fast die Hälfte. „Neue Kolleg:innen sind schwer zu finden“, beschreibt Björn Beck ein Problem. KI könne helfen, Mitarbeitende zu entlasten und Routineaufgaben zu übernehmen. „Die Frage ist nicht mehr, ob wir KI nutzen sollten, sondern wie schnell wir sie einsetzen können.“

Die Zukunft liegt nicht in monolithischen Systemen, sondern in kleinen, spezialisierten Anwendungen – wie Apps auf dem Smartphone. Eine gute KI erkennt ein Aktenmerkmal automatisch, schlägt Antworttexte vor oder wandelt gesprochene Sprache in Text um. Diese Tools sind einfach, effizient und können über standardisierte Schnittstellen schnell in den Betrieb integriert werden. So soll die Verwaltung modularer, schneller und innovationsfreundlicher werden.

Der Mensch bleibt im Mittelpunkt

Trotz aller Fortschritte bleibt klar: KI ersetzt keine Menschen, sondern unterstützt sie. Sie hilft, Fehler zu vermeiden, Zeit zu sparen und Entscheidungen fundierter zu treffen. In Pilotprojekten hat sich bereits gezeigt, dass KI bei der Erkennung von Metadaten teils präziser arbeitet als der Mensch – aber das beste Ergebnis entsteht in Zusammenarbeit. Björn Beck: „KI wird in Zukunft noch stärker in Arbeitsprozesse integriert sein – aber immer als Assistenz, nicht als Chef:in.“

 

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